Oner ÜS – Unter uns; Torsten Faßmers


Amrumer Autodienst: „Von Anfang an wurde ich auf Amrum ‚Schrauber‘ genannt“

Auf Amrum kennt jeder jeden? Stimmt nur fast, und nachfragen lohnt sich trotzdem: Hoker beest dü? An: Hü gong’t? Wer bist du? Und: Wie geht’s?

 Schrauber (Torsten Faßmers): „Alles, was einen Motor hat“

„Das hier ist keine Mercedes-Werkstatt, in der jeden Tag die Fliesen geputzt werden. Ich fange morgens mit dem Rasenmäher an und höre abends mit dem Traktor auf. Ich repariere alles. Ich führe auch Notreparaturen an Linienbussen durch und habe regelmäßig Boote auf dem Hof stehen. Eben alles, was einen Motor hat.

In Eberswalde habe ich Landmaschinenschlosser gelernt. Das war noch vor der Wende. Jeder weiß: Im Osten konntest du nicht mal eben zum Regal gehen, ein Ersatzteil herausnehmen, und es einbauen. Es war nicht so einfach, Teile zu beschaffen. Also musste repariert werden; man musste sich was einfallen lassen.

Nach der Wende habe ich umgeschult zum Kfz-Mechaniker und zehn Jahre für Renault gearbeitet. Durch diesen beruflichen Hintergrund bin ich breit aufgestellt. Das hat hier schon des Öfteren Kunden gerettet.

Kfz-Mechaniker der jüngeren Generation lernen das nicht mehr so. Die lernen: Du hängst den Tester ran, tippst deine Daten ein, und dann sagt der Tester dir, was kaputt ist, und das wird ausgetauscht.

Torsten Faßmer: „Nicht schrauben, gibt es bei mir nicht“

Ich bin kein Teiletauscher. Bei mir in der Werkstatt wird alles gemacht. Man muss nicht alles wissen. Man muss aber Sachen hinterfragen und wissen, wo man suchen muss. Es gibt nur noch wenige, die das so machen. Nur die Älteren in den Betrieben. Mit einigen telefoniere ich auch öfter und hole mir Tipps für die neuen Autos. Dann heißt es: ‚Hier musst du es mal so und so probieren … aber vergiss das gleich wieder, das darf eigentlich keiner wissen.‘ Die Entwicklung der Autos findet heute in der sehr hohen Elektronik statt, und die Autohersteller versuchen natürlich, dass du dein Auto nur noch in ihren Fachbetrieben reparieren lassen kannst.

Die Amrumer wissen aber auch von mir, dass ich klipp und klar sage, wenn ich was nicht kann. So ehrlich muss man sein. Dann sag ich: Du, fahr zu Martin (Inselwerkstatt), fahr zum Autohaus Föhr, fahr zum Festland.

Seit 2002 bin ich der Schrauber auf Amrum. Meine beiden Kinder haben mich hergeführt. Sie haben Asthma und Neurodermitis. Wir waren im Urlaub auf Föhr, und da haben meine Frau und ich beschlossen, dass wir auf die Inseln ziehen. Es ist mir schwergefallen. Ich war hochausgebildet bei Renault und hatte eine gute Anstellung. Ich habe dann einfach alles hingeschmissen. Zuerst war ich in Wyk bei der Autohaus Föhr GmbH. Dann habe ich hier beim Amrumer Autodienst zwei Jahre in Anstellung gearbeitet. Es war für die klar, dass ich es danach allein weitermachen soll. Ja, und seitdem bin ich selbständig. Seit 2004.

Ich kann sagen, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Nicht schrauben, gibt es bei mir nicht. Da findet sich immer was. Irgendwann geht ja auch das eigene Auto mal kaputt, und dann ist der Spruch manchmal wahr: Der Schuster hat die schlechtesten Schuhe.

Zu meiner Arbeit gehört auch der Umgang mit Kunden, auch mit Touristen. Hier kommen Wildfremde rein. Man sagt mir nach, dass ich sehr guten Kontakt zu Leuten habe, und ich sage mir nach, dass, wenn ich die Leute sehe, ich weiß, wie ich mit ihnen umgehen muss. In manchen Werkstätten werden Frauen schlecht behandelt oder übers Ohr gehauen. So was gibt es bei mir nicht. Das mache ich nicht, das kann ich auch nicht.

TÜV-geprüfte Werkstattqualität. Ergebnis: „Sehr gut“

Für mich ist jeder willkommen. Auch die, die mich geärgert haben. Man muss es sich schon richtig mit mir verscherzen, bis ich sage: Du brauchst nicht mehr wiederkommen.

Von Anfang an wurde ich auf Amrum ‚Schrauber‘ genannt. Ich war hier, und dann war ich da.

Ich habe hier viele gute Beziehungen geknüpft. Einmal stand ein RTW (Rettungswagen) vor der Tür. Es war ein Horn kaputt, eines von den lauten, die ‚Tatütata‘ machen. Um herauszufinden, welches Horn es ist, musste ich ordentlich Alarm machen. Ich habe die Kopfhörer aufgehabt, musste das Blaulicht anhaben und dann das Horn zuschalten. Es hat fünf Minuten gedauert, dann wusste ich, was kaputt ist. Zehn Minuten später sind tausend Anrufe auf meinem Handy eingegangen: Ist dir was passiert? Der RTW steht vor der Tür? Haben die dich mit dem Hubschrauber weggebracht? Geht es dir gut?“

Das ist diese Insel. Wenn was ist, dann sind die Leute für einen da.“

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Über Anna Jannen

Anna Jannen, geboren 1982, aufgewachsen auf Amrum, studierte Germanistik, Politik und Pädagogik in Hamburg und Aix-en-Provence. Sie ist Studienrätin und freie Journalistin. Seit 2016 lebt sie mit ihrer Familie wieder auf der Insel, unterrichtet Öömrang und schreibt.

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