In den letzten Tagen zogen regelmäßig ungute Gerüche von Osten her über die Insel Amrum. Es sind keine Defekte der Klärwerke, wie mancher vermuten könnte, auch sind weder Nordsee noch das Wattenmeer „gekippt“ und es liegen auch keine Massen toter Tiere an Amrums Küsten. Vielmehr handelt es sich um ein „natürliches“ Phänomen:
Durch die Gezeiten, Ebbe und Flut, werden zweimal täglich organische Substanzen auf den Wattenmeerboden eingeschwemmt und dort abgelagert. Dieses Substrat besteht aus sehr leicht zersetzbaren Tier- und Pflanzenzellen, klein geriebenen Algenresten und Plankton. Sobald die Ebbe einsetzt kommt es zu einem raschen bakteriellen Abbau dieser Biomasse, der zu Sauerstoffmangel führt. Nur wenige Millimeter der obersten Schicht des Wattbodens sind dann noch belüftet und bieten organischem Leben noch aerobe Bedingungen. Darunter beginnen anaerobe Bakterien (Bakterien, die zur Energiegewinnung keinen Sauerstoff benötigen) organische Verbindungen zu zersetzen. In großen Mengen sind im Watt Schwefelverbindungen vorhanden, die zu Schwefelwasserstoff umgewandelt werden. Schwefelwasserstoff hat den Geruch von „faulen Eiern“, das erklärt den fauligen Geruch des Watts.
Im Sommer vermehren sich v. a. die Algen (hier insbesondere die Grünalgen) besonders schnell, da Licht und hohe Temperaturen das Wachstum der Pflanzen begünstigen. Ganze Algenteppiche lagern sich so mit ablaufendem Wasser auf dem Wattboden ab und „ersticken“ so die sich darunter befindlichen organischen Substanzen. Es kommt zu einer noch höheren anaeroben Zersetzung mit noch stärkerem Geruch. Und wenn dann, wie in den letzten Tagen, mehrere Faktoren zusammenkommen, große Hitze, hohe UV-Einstrahlung, Springtide bei Vollmond mit extremen Niedrigwasserständen, kaum Wind, dann stinkt das Watt eben besonders stark. Und wenn eine Ostwindlage dann den Geruch noch über ganz Amrum weht, dann hilft nur noch Fenster schließen und auf die nächste Flut warten.