VHS goes MKdW …


Unterwegs mit der Amrumer Volkshochschule

Auch in diesem Jahr ging es mit der Amrumer Volkshochschule wieder ins Museum Kunst der Westküste auf Föhr. Christa Langenhan hatte den Museumsbesuch in bewährter Weise organisiert. Mit Fähre und Shuttle-Bus ging es zusammen nach Alkersum, diesmal in die Ausstellung „Provenienzgeschichten“, die richtig spannende Einblicke in die Herkunftsgeschichten der ausgestellten Kunstwerke gibt.

In dieser ganz besonderen Ausstellung steht nicht wie sonst üblich die bildliche Darstellung der ausgestellten Werke im Mittelpunkt, sondern deren Herkunft , die „Provenienz“ (Lateinisch: provenire = herkommen), also die Frage, auf welchen Wegen die Kunstwerke in den Bestand des Museums gekommen sind. Und die sind ausgesprochen vielfältig und manchmal rätselhaft wie ein Krimi. Nicht immer ist jede Zwischenstation eines Werkes lückenlos nachvollziehbar, bis es im weit verzweigten Netzwerk des internationalen Kunsthandels erstmals oder wieder auftaucht. Manche Werke haben auf dem Weg in die Sammlung des MKdW den halben Erdball überquert, sei es aus östlicher (Japan) oder westlicher (Brasilien) Richtung, andere blieben über königliche Erbfolgen immer in dänischen Landen oder gelangten auf abenteuerlichen Fluchtwegen ins Exil und später in den Handel – so wie die kleine Ölstudie von Max Liebermann „Wäschetrocknen – Die Bleiche“, die den Anstoß zu dieser Ausstellung gab.

Aufschlussreiche Bildrücken

2017 war das Bild, das sich als Dauerleihgabe im MKdW befindet, in den Verdacht geraten, NS-Raubkunst zu sein. Der jetzige Eigentümer hatte das Werk – ohne Kenntnis der Vorgeschichte – 2005 erworben. Erst eine mehrjährige, komplexe Provenienz-Recherche konnte nachweisen, dass diese Ölstudie während der NS-Zeit ihrem jüdischen Vorbesitzer nicht unrechtmäßig entzogen worden war.

Katrin Petersen, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im MKdW arbeitet und selbst von Amrum stammt, führte die 13 kunstinteressierten Amrumer:innen kompetent durch die Ausstellung. Sie erklärte anhand der ausgestellten Werke, wie umfassend, kleinteilig und zeitaufwändig die Recherche zur Klärung der Herkunftsgeschichte eines Kunstwerks oftmals ist.

Kleine Hinweise auf den Bild-Rückseiten spielen hier eine große Rolle und werden in der Ausstellung erstmals sichtbar gemacht. Namen, Zahlen oder Stempel können auf vormalige Eigentümer:innen, Kunsthändler oder Auktionen verweisen. Die Ausstellung gewährt spannende Einblicke in die Recherche und wirft auch einen interessanten Blick hinter die Kulissen der Museumsarbeit.

Das MKdW fühlt sich den „Washingtoner Prinzipien“ verpflichtet und sieht sich moralisch in der Verantwortung, seine Bestände auf Raubkunst zu überprüfen, vollständige Transparenz herzustellen und das begangene Unrecht weiter aufzuarbeiten.

Spannende Provenienzgeschichte

Provenienz-Forschung ist ein Spezialgebiet, erläuterte Katrin Petersen, die unter anderem für die Betreuung der Sammlung zuständig ist. Kunsthistoriker:innen könnten das nicht einfach so neben ihren laufenden Museumsarbeiten erledigen.

Neben der akribischen Erforschung aller verfügbarer Quellen braucht es für die möglichst lückenlose Aufklärung der Herkunft eines Kunstwerks eine gehörige Portion detektivischen Spürsinn, Flexibilität und Einfallsreichtum.

Spürsinn bewies im Falle von Liebermanns „Wäschetrocknen – Die Bleiche“ das spezialisierte Team um die Provenienzforscherin Isabel von Klitzing, Dr. Frederike Gräfin von Brühl und Dr. Sibylle Groß, die alle Informationen wie ein Puzzle zusammensetzten und schließlich herausfanden, dass es Genia Ury aus San Franzisko war, die diese kleine Ölstudie von Max Liebermann 1981 in den deutschen Kunsthandel gegeben hat.

Genia Ury, geborene Wilkomirski, war die Ehefrau von Georg Ludwig Ury, dem drittältesten Sohn des Leipziger Unternehmers Moritz Ury, der das Bild 1926 zusammen mit dem Gemälde „Die Blumenterrasse im Wannseegarten nach Nordosten“ bei Paul Cassirer gekauft hatte. 1931 waren beide Werke aus Privatbesitz zusammen in Leipzig ausgestellt. 1937 emigrierte Moritz Ury in die Schweiz und verstarb dort 1939. Sein Sohn Georg Ludwig schaffte es, 1941 aus Frankreich in die USA zu emigrieren, zusammen mit seiner Frau Genia und den beiden Zwillingen. Die beiden 1926 von Cassirer erworbenen Liebermann-Werke blieben bis in die 1980er Jahre im Besitz von Familie Ury.

Beide Originale sind nun zusammen in der aktuellen Ausstellung „Provenienzgeschichten“ im Museum Kunst der Westküste zu sehen, jeweils mit ihren wunderbaren Vorderseiten und ihren aufschlussreichen Rückseiten nebeneinander – in dieser „Hängung“ wohl einmalig und nur noch bis zum 19. März.

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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