Zurzeit sehe ich sie jedes Mal, wenn ich mit dem Hund spazieren gehe oder im Garten nach dem Rechten schaue: Unmengen von Nacktschnecken. Vor allem morgens muss ich regelrecht Slalom laufen um nicht auf eines dieser nicht besonders ansehnlichen Tiere zu treten. Nicht nur gefühlt erleiden wir dieses Jahr eine regelrechte Invasion von „Arion vulgaris“. Ich habe sie zwar nicht gezählt, aber das aktuell massenhafte Auftreten der Spanischen Wegschnecke beschäftigt nicht nur Gartenfreunde auf Amrum, es hat durchaus auch Eingang in die Medien gefunden. So hat bereits im Mai der NDR im Rahmen einer Fernsehsendung über die Plage berichtet und Tipps zu „Was hilft gegen Nacktschnecken im Garten?“ gegeben. Und sogar die renommierten Wochenzeitschriften „Spiegel“ und „Focus“ haben zu erklären versucht „Warum in diesem Jahr besonders viele Nacktschnecken unterwegs sind“ oder „Überall Schnecken – Wie Sie die Schädlinge jetzt aus ihrem Garten vertreiben“.
Dieses tatsächlich in auffallend großer Menge Auftreten der schleimigen und gefräßigen Schnecken beschäftigt derzeit Wissenschaftler, Gärtner sowie Landwirte in ganz Deutschland sowie anderen europäischen Ländern und hat mich dazu bewogen mal Näheres über dieses Phänomen in Erfahrung zu bringen. Internet macht´s möglich, dachte ich mir, und fing an mich im World Wide Web umzusehen. Gibt man, z. B. über Google, „Spanische Wegschnecke“ ein erscheint sofort eine riesige Anzahl von Links und es ist nicht immer ganz leicht zwischen biologischen Berichten, Wikipedia-Informationen und populärwissenschaftlichen Hausfrauentipps zu differenzieren. Aber man kann ganz viel Zeit damit verbringen sich mit der Schnecke zu beschäftigen und auch durchaus kuriose Tatsachen in Erfahrung zu bringen.
Die Spanische Wegschnecke wird auch Kapuzinerschnecke, Große Wegschnecke oder Lusitanische Wegschnecke genannt und ist 1868 erstmals wissenschaftlich beschrieben worden. Sie gilt als wirtschaftlich bedeutsamer Schädling in der Landwirtschaft. Der Name „Spanische Wegschnecke“ ist wohl irreführend, denn gentechnische Untersuchungen Ende der 1990er Jahren haben ergeben, dass die auf der iberischen Halbinsel vorkommenden Schnecken gar nicht mit den in west- und zentraleuropäischen Länder vorkommenden Tieren verwandt sind. In Deutschland wurde sie erst 1969 im äußersten Südwesten des Landes gefunden und hat sich im Laufe der Jahrzehnte immer weiter nordwärts ausgebreitet: 1987 in Thüringen, 1991 in Dänemark, in den 2000er Jahren in Nordosteuropa. Die Nacktschnecken verfügen nur über eine sehr beschränkte natürliche Beweglichkeit und so ist die schnelle Ausbreitung nur über Verschleppung mittels menschlicher Transporte erklärbar. Es ist also wieder einmal der Mensch, der mit seiner immer weiteren Mobilität die Natur beeinflusst.
Ich weiß, dass wir auch in früheren Jahren Nacktschnecken im Garten hatten, und es gibt Berichte darüber, dass diese Tiere sich, v. a. bei feuchtwarmen Wetter, extrem stark vermehren können. So wurden im Sommer 2007 in Großbritannien bis zu 1.000 Exemplare pro m² gezählt! So schlimm ist es nun bei uns (noch) nicht und in den Dürrejahren 2018 bis 2022 wurden nur wenige Exemplare gesichtet. Nun, im zweiten feuchten Jahr in Folge, haben sich die Bestände offensichtlich erholt. Auch die milden Winter haben dazu beigetragen, denn die Schnecken legen nach der Befruchtung bis zu 500 Eier an feuchten Orten auf der Bodenoberfläche, unter Pflanzenstreu oder graben diese unter geschützten Orten wie z.B. Holzbrettern bis zu einer Tiefe von 10 cm ein. Erst bei anhaltenden Frosttemperaturen unter -2° sterben die Eier ab. Jungtiere schlüpfen nach der Eiablage entweder noch im selben Herbst oder im Februar bis März des Folgejahres mit einer Körperlänge von 10 Millimetern. Die Schnecken können bis zu 15 Zentimeter lang werden und bis zu 3 Jahren leben.
Geschlechtsreife Tiere sind, wie viele Schnecken, sogenannte Hermaphroditen, bilden also sowohl männliche wie weibliche Keimzellen. Als Zwitter können sie sich dann gegenseitig befruchten. Die Paarung findet wie auch die Nahrungsaufnahme zumeist bei Dunkelheit statt. Zwischen 15° und 20° liegt die optimale Temperatur für das Wohlbefinden der Tiere, oberhalb 25° finden so gut wie keine Aktivitäten mehr statt und sie verkriechen sich in sonnengeschützte Verstecke.
Die Nahrung besteht zumeist aus saftigen Pflanzen. Bevorzugt werden beispielsweise Tagetes (Studentenblume), Baldrian, Kürbis- und Melonenpflanzen, Rhabarber, Erdbeeren sowie viele Kohlsorten. Bei Gartenbesitzern und Landwirten ist die Schnecke daher als Schädling gefürchtet. Lebende Teile wild wachsender Pflanzen werden jedoch in der Regel gemieden, da diese im Lebendzustand Substanzen enthalten, die die Schnecke meidet. Bei vielen Nutzpflanzen wurden diese natürlichen Abwehrmechanismen herausgezüchtet, oftmals absichtlich, entweder um sie für den Menschen genießbar zu machen (Salat, Gemüse) oder um die Produktionskosten zu senken (Zierblumen). Da sieht man mal wieder, wie der Mensch die Natur auch zu seinen Ungunsten beeinflussen kann.
Auch Aas steht auf dem Speiseplan, Hundekot lockt Schnecken von nah und fern an und Kanibalismus ist bei der Spanischen Wegschnecke häufig. Was sind das doch für gruselige Lebensgewohnheiten!
Die Spanische Wegschnecke hat nur wenig natürliche Feinde, da sie im Gegensatz zu vielen anderen Schnecken ihren Schleim mit Bitterstoffen absondert und so von Igeln, Spitzmäusen, Vögeln, Kröten und Blindschleichen gemieden werden. Eine Ausnahme gibt es hier jedoch. Indische Laufenten, sowie auch alle anderen Hausentenrassen, die von der Stockente abstammen, werden als Fressfeinde der Spanischen Wegschnecke angesehen. Mittlerweile gibt es sogar die Möglichkeit, Laufenten zur Bekämpfung einer Schneckenplage im eigenen Garten zu mieten. Leider kenne ich niemanden auf Amrum, der mir seine Indischen Laufenten ausleihen könnte. Und ob es auf der Insel den einheimischen Gemeinen Grabkäfer (Pterostichus melanarius) gibt, der bevorzugt die Eier der Spanischen Wegschnecke fressen soll, ist mir ebenfalls nicht bekannt.
Was hilft denn nun gegen die unliebsamen Zeitgenossen? Ich persönlich bevorzuge brachiale Gewalt. Eine eigens hierfür parat gelegte alte Küchenschere benutze ich um die Tiere schlichtweg zu massakrieren indem ich sie mittig durchschneide. Dabei quillt ihr stark wasserhaltiges und schleimiges Inneres heraus, was schnell verdunstet. Der Rest wird dann doch von Vögeln geholt oder von Artgenossen vertilgt (siehe oben: Kanibalismus). Alles in allem keine appetitliche Angelegenheit, ist im Einzelfall aber wirksam. Derzeit habe ich diese Methode jedoch hinten angestellt, es sind derzeit einfach zu viele potentielle Opfer unterwegs und ich habe keine Lust den ganzen Tag nichts anderes zu machen als Schnecken zu killen.
Eine 100% sichere, wenn auch sehr zeitaufwendige Methode gegen Schnecken im Garten, ist das konsequente Einsammeln und Wegtragen der Tiere. Abends Salat- oder Rhabarberblätter als Fallen auslegen und morgens die Schnecken einsammeln und an einem abgelegenen Park oder Waldstück entsorgen. Achtung: Nicht beim Nachbarn ablegen. Das gibt Ärger! Schneckenfallen mit Bier aufstellen ist auch eine Möglichkeit. Hierbei füllt man einen tiefen Behälter mit Bier, die Schnecken werden vom Biergeruch angezogen und ertrinken in der Falle. Die Sache hat aber einen Haken: Oft werden nicht nur die Schnecken aus dem eigenen Garten angelockt, sondern auch die Schädlinge aus den Nachbar-Gärten (die man vielleicht selbst dort abgelegt hat, siehe oben….).
Auch die Auswahl der Pflanzen im Garten kann helfen Schnecken abzuwehren. Knoblauch, Zwiebeln und mediterrane Kräuter wie Lavendel, Rosmarin, Kapuzinerkress und Thymian wirken auf die Tiere unappetitlich. Basilikum hingegen ist für sie ein Leckerbissen.
Als Hausmittel sollen zerkleinerte Eierschalen und Kaffeesatz gut gegen Schneckenbefall helfen, wobei das Koffein hier als Nervengift wirkt und in höherer Konzentration sogar tödlich ist.
Schneckenzäune aus Plastik oder Kupferblech sind technische Möglichkeiten die Pflanzen zu schützen, wobei die Zäune in einem bestimmten Winkel gebogen sein müssen um so für Schnecken unüberwindlich zu werden. Sie müssen zudem mindestens 10 cm tief eingegraben werden, damit die Tiere nicht darunter kriechen können. Zudem wirkt Kupfer giftig wenn er mit Schneckenschleim in Verbindung kommt. Holz und Schafwolle wirkt als schützende Umrandung der Gartenbeete, da der Schleim der Schnecke hier aufgesaugt wird und das Tier dann nicht weiter kriechen kann. Als chemische Schneckenkiller wird „Schneckenkorn“ eingesetzt. Hier gibt es verschiedene Zubereitungen. Schneckenkorn mit Eisen-III-Phosphat ist ungefährlich für Haustiere und Igel, hat zudem eine Zulassung für den biologischen Landbau. Präparate mit Metaldehyd sind hingegen für Igel, Hunde und Katzen giftig, allerdings müssen für tödliche Vergiftungen sehr große Mengen gefressen werden.
Es stellte sich mir nun die Frage, ob die Spanische Wegschnecke, außer dass sie Hundekot frisst (siehe oben), nicht doch noch einen positiven Zweck erfüllen kann. Ich erinnere mich daran, dass ich als 12jähriger Schüler in Landsberg am Lech (Bayern) eine Zeitlang sehr krank war. Rezidivierende Streptokokken-Infektionen (Scharlach) führten zu einer Herzmuskelentzündung und die Mandeln mussten entfernt werden. Erkältungssymptome mit Fieber, Halsschmerzen und Husten waren quasi an der Tagesordnung. In unserer Nachbarschaft lebte eine ältere Frau die sich als „Kräuterweib“ einen gewissen Ruf erarbeitet hatte und meiner Mutter den wohlgemeinten Rat gab Nacktschnecken einzusammeln („aber nur die braunen aus dem Wald“), diese zu zerstampfen, mit Zucker zu versehen und durch ein Sieb zu pressen um sie mir dann als „Hustensaft“ zu verabreichen. Dies fand ich doch sehr abstoßend und ekelig (und meine Eltern wohl auch), so dass dieses „Hausmittel“ bei mir nicht zur Anwendung kam. Nachdem ich jahrzehntelang nicht mehr an diese Geschichte gedacht hatte, ist sie mir nun wieder ins Gedächtnis gekommen und ich musste feststellen, dass mein Verhältnis zu den Nacktschnecken seitdem nicht viel besser geworden ist. Interessenshalber googelte ich „Nacktschnecken – Hustensaft“, in der Erwartung, dass da nicht viel dabei herauskommen würde, da ich mir bis heute nicht vorstellen konnte, dass aus Schnecken Hustensaft hergestellt werden kann. Aber weit gefehlt – es gibt tatsächlich so einige Webseiten, die „Schnecken Hustensaft – Omas Hausmittel“ anpreisen und unter www.pharmawiki.ch ist sogar Folgendes zu lesen: „Unter einem Schneckensaft oder Schneckensirup wird heute meist ein eibischhaltiger Hustensirup verstanden. Eibisch enthält reizlindernde und entzündungshemmende Schleimstoffe, daher die Verbindung zu den Schnecken. Der Sirup kann auch weitere pflanzliche Inhaltsstoffe wie Thymian enthalten. Es gibt aber auch Schneckensäfte, die tatsächlich einen Weinbergschneckenextrakt enthalten!“ und „Schneckensaft ist in Drogerien und Apotheken erhältlich und kann auch selbst hergestellt werden. Der Alsiroyal Original Schnecken Sirup enthält einen Schneckenextrakt (!)“ Es scheint sich hier also um Weinbergschnecken zu handeln und nicht um die Spanische Wegschnecke. Gott sei Dank. Weinbergschnecken sind Häuserschnecken und gelten ja v. a. in Frankreich als kulinarische Delikatesse. Ich habe sie tatsächlich mal probiert, sie waren aber nicht so mein Geschmack. Viellicht musste ich dabei an den Hustensaft denken. In Deutschland sind diese Schnecken übrigens nach der Bundesartenschutzverordnung geschützt und dürfen nicht als Nahrungsmittel missbraucht werden.
Bleibt abschließend nur noch ein Hinweis zu den anderen Schnecken mit dem Häuschen. Die einheimischen Häuserschnecken machen sich zumeist nur über verrottendes Pflanzenmaterial her, können also im Garten durchaus nutzbringend sein. Die lasse ich schön in Ruhe und erfreue mich an ihrem Anblick.