Mystische Orte auf Amrum 10 – Das Denkmal für die Westfälische Diakonissen-Anstalt 54°41´33´´ N  /  8°19´60´´ O


Geht man von Norddorf den „Oodwai“ in Richtung Nordspitze, kommt man am Ende der Marschwiesen, dort wo der geteerte Weg einen scharfen rechten Bogen ostwärts macht, an einem steinernen Gebilde vorbei, welches an einen Grenzstein erinnert. Es befindet sich linkerhand etwas oberhalb auf einem Dünenplateau und ist ein Denkmal für Pastor Bodelschwingh zur Erinnerung an das einhundert Jahre dauernde Engagement der Westfälischen Diakonissenan­stalt Sarepta aus Bethel bei Bielefeld. An dieser Stelle stand von 1890 bis ins Jahr 2001 einst das „Seehospiz I“. Es war das erste von mehreren hotelartigen Gebäuden in Norddorf, die ihren Gästen eine Unterkunft mit bescheidenem Komfort boten und in einem großen Kontrast zu den in Wittdün und Nebel entstandenen noblen Hotels wie „Kaiserhof“ oder „Kurhaus“ standen.

Das Denkmal für die Westfälische Diakonissen-Anstalt

Viele Amrumer standen dem Ende des 19. Jahrhunderts aufblühenden Fremdenverkehr äußerst skeptisch gegenüber und befürchteten durch das Badegeschehen einen „Verfall der guten Sitten“. Der damalige Inselpastor, Wilhelm Tamsen (*1852, †1891), und der bis heute unvergessene Küster, Bandix Bonken (*1839, † 1926, siehe auch „Mystische Orte auf Amrum 03 – Böle Bonken Bank), wandten sich an den „Landesverein für Innere Mission“ mit der Befürchtung, dass „Vaterglaube und Vatersitte“ in Gefahr seien und baten um die Errichtung eines christlichen Seehospizes. Der Landesverein leitet diese Bitte an Pastor Friedrich von Bodelschwingh (*1831, †1910) weiter, der sich mit seinen Einrichtungen in Bethel bei Bielefeld einen Namen gemacht hatte. Dieser hatte bereits auf den Ostfriesischen Inseln erlebt, wie seinen Eindrücken nach der Fremdenverkehr die Lebensverhältnisse und den Gottesglauben der Einheimischen veränderte. In Norddorf fand Pastor von Bodelschwingh einen Ort, der geeignet erschien eine den christlichen Werten entsprechende „Sommerfrische“ zu errichten, die zunächst mit dem Bau des „Hospiz I“ auch verwirklicht wurde.

Das Denkmal für die Westfälische Diakonissen-Anstalt

Rasch stiegen die Gästezahlen, sowohl im „mondänen“ wie auch im „christlichen“ Bereich an, so dass mit Hilfe der Diakonissenanstalt Sarepta weitere „Seehospiz-Gebäude“ gebaut wurden: „1893 Seehospiz II“, heute „Haus Sonnenau“; 1896 „Seehospiz III“, heute „Haus Ronja“; 1905 „Seehospiz IV“, heute „Villa Kunterbunt“, 1911 „Ambronenhaus“, heute „Haus Saltkrokan“, 1929 „Gemeindehaus“, 1958 „Kurmittelhaus“. Bis auf das Hospiz I existieren alle diese Gebäude auch heute noch, sie sind, bis auf das sich in Privatbesitz befindliche „Gemeindehaus“, Teile der „AOK-Nordseeklinik“, die ganzjährig Mutter- oder Vater-Kind-Kuren anbietet.

1990 kam dann, genau zum Zeitpunkt des Jubiläumsjahres  „100 Jahre Hospiz auf Amrum“, der Rückzug der Westfälischen Diakonissenanstalt. Nachwuchssorgen der Diakonissen und deren Altersversorgung, gepaart mit finanziellen Verlusten im Kurmittelhaus durch die damalige „Gesundheitsreform“ waren die Gründe. Doch es fand sich überraschenderweise ein Käufer für die Seehospize. Es war Siegfried Dath, ein reicher Schwede mit deutschem Pass, der selbst Kurgast in Norddorf war und den Amrum an seine ostpreußische Heimat erinnerte. Zudem hatte er einmal miterlebt, wie die leitende Diakonissin eine Novizin vor den Gästen lauthals für ein vermeintliches Vergehen rügte. Das hat ihn so geärgert, dass er kurzerhand den gesamten Betrieb kaufte, die Oberin feuerte und selbst nun die „Wiking Hotels und Kurmittelhaus GmbH & Co. KG“ übernahm. Leider war der 74 Jahre alte neue Besitzer jedoch mit der Leitung und v. a. der Finanzierung überfordert, so dass schon bald ein weiterer Investor gesucht werden musste.

Drei Jahre dauerte es, bis schließlich im Juni 1993 die „Seehospize“ von der in Köln beheimateten „Rehasan Kliniken Holding GmbH“ übernommen wurden und seitdem als „AOK-Nordseeklinik“ fungieren. Dass die Häuser der AOK-Nordseeklinik auch heute noch Namen aus den Romanen rund um Pippi Langstrumpf tragen geht übrigens noch auf Siegfried Dath zurück. Dieser war in Schweden der Nachbar von Astrid Lindgren und nutzte den Bezug zur Schriftstellerin um die Seehospize mit Namen wie „Saltkrokan“ oder „Sonnenau“ umzubenennen. Dies ist zur Tradition geworden und auch die AOK-Nordseeklinik hat ihre Neubauten mit entsprechenden Namen versehen.

Zehn Jahre nach dem Abriss wurde 2011 an dem ehemaligen Standort des „Hospiz I“ durch eine Initiative der Sarepta-Schwesternschaft als Erinnerung an das Werk von Pastor Bodelschwingh und den vielen in Laufe der Jahrzehnte auf Amrum tätigen Diakonissinnen das Denkmal, das eine aus Stein gefertigte Diakonissenhaube ziert und mit Schrift- und Bildinformationen versehen ist, errichtet.  Ein Mystischer Ort, der vom Steinmetz Markus Thiessen aus Süderende/ Föhr gestaltet wurde.

Wer mehr über die Geschichte der Seehospize und Geschichten rund um diese wissen möchte, sei der von Georg Quedens verfasste Artikel „Die Seehospize sind immer noch da!“, erschienen im „Der Kleine Amrumer 2021“, empfohlen.

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Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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One comment

  1. Vielen Dank für die mystischen Ort. Ich kenn sie fast alle. Meine Frage: Gibt es die Berichte irgendwo gesammelt? Quasi zum Nachlesen, wenn ich wieder vor Ort bin, weil merken kann ich mir die alle nicht.
    Viele Grüße, Urlauberin aus Mannheim
    Jutta Hagen

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