
Als im Mai 2021 die ersten Weinstöcke auf dem Acker in Süddorf gepflanzt wurden, schmunzelte sicher der eine oder andere noch über die ambitionierten Pläne der Familie Trenz aus dem Rheingau, Wein auf Amrum anzubauen. Doch drei Jahre später ist klar: Das Projekt ist geglückt. Am 24. September fand bei herrlichem Sonnenschein die erste Lese auf dem heimischen Weinberg statt. Amrum News war für Fotos live vor Ort. Im Telefoninterview einige Tage später berichtete Winzer Michael Trenz von der Ernte und den nächsten Schritten.
Amrum News: Herr Trenz, im Jahr 2021 haben Sie die Weinstöcke gepflanzt, drei Jahre später wurde geerntet. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Michael Trenz: Wir sind sehr zufrieden. Eine allgemeine Regel lautet: Im dritten Herbst nach Pflanzung kann die erste Ernte stattfinden. Streng genommen wäre das bereits der Herbst 2023 gewesen. In dem Jahr haben wir auch bereits unseren Vergleichswein im Rheingau geerntet. Auf Amrum hat es dann doch noch ein Jahr länger gedauert, was größtenteils auf heiße Sommer und Bodentrockenheit zurückzuführen ist. Anders als bei uns im Rheingau sind die Rebstöcke auf Amrum größtenteils sich selbst überlassen. Hier gibt es kaum Pflege und künstliche Bewässerung. Gerade am Anfang kann es dann mal ein wenig länger dauern. Nichtsdestotrotz konnten wir jetzt im vierten Herbst ernten – und das durchaus erfolgreich!

AN: Erfolgreich – was bedeutet das genau?
Michael Trenz: Wir haben knapp 1.000 Liter geerntet. Das ist mehr, als wir erwartet hatten. Wir waren im Frühjahr und Sommer dieses Jahres schon da und haben mit dem Fruchtansatz der Trauben die erwartbare Menge hochgerechnet. Die 1.000 Liter haben unsere Erwartungen allerdings übertroffen. Und das, obwohl wir bereits zwei Wochen vor unserem eigentlichen Termin geerntet haben!

AN: Warum das?
Michael Trenz: Eigentlich wollten wir erstmal die Ernte im Rheingau fertig haben und dann ab dem 07. Oktober nach Amrum. Das hätte besser in unseren Terminkalender gepasst. Der Wein schien jedoch andere Pläne zu haben. Mit Colin vom Likedeeler (durch den das Projekt überhaupt erst zustande kam; AN berichtete, Anm. d. Red.) haben wir unseren nördlichsten Mitarbeiter sozusagen vor Ort. Und nachdem Colin vor ein paar Wochen die ersten Messungen vornahm und der Oechsle-Grad bereits bei über 60 lag, haben wir relativ spontan entschieden, die Ernte vorzuziehen. Der Oechsle-Grad gibt den Zuckergehalt der Traube an und beeinflusst am Ende den Alkoholgehalt des Weines. Was auf Amrum auch noch dazu kommt: Je reifer und damit süßer die Beeren, desto mehr “Interessenten” gibt es. Also auch unsere “bedrohlichen” Feinde, die Vögel, und auch begeisterte Weintraubenliebhaber hätten noch mehr Zeit gehabt, die Beeren zu genießen, bevor sie in der Flasche landen. Also haben wir spontan umdisponiert und haben schließlich mit einem Oechsle-Grad von 70 geerntet.
AN: 1.000 Liter haben Sie geerntet, sagten Sie. Das klingt nach einer ganzen Menge. Wie lange haben Sie für die Ernte gebraucht?
Michael Trenz: Das war noch so eine Sache, mit der wir nicht gerechnet hatten. Es kamen rund 60 Helferinnen und Helfer! Das Interesse und die Bereitschaft haben uns wirklich überrascht. Das war so gar nicht geplant. Wir hatten den Termin lediglich bei ein paar Bekannten und befreundeten Gastronomen gestreut. Allerdings entstand dann noch eine kleine Whatsapp-Gruppe, wo sich das ganze dann multiplizierte. Und die Leute konnten es gar nicht abwarten. 13 Uhr war vereinbart mit der Ernte zu beginnen – ab 11 Uhr standen bereits die ersten in den Startlöchern und wollten loslegen. Nachdem es 13 Uhr endlich losgegangen war, waren wir rund anderthalb, zwei Stunden später auch schon fertig. Und die Fläche ist immerhin einen halben Hektar groß!
AN: Das ist wirklich eine beachtliche Leistung. Wie ging es dann weiter?
Michael Trenz: Wir hatten ein bisschen das Problem, dass wir die ganzen Kisten gar nicht in unserem Transporter untergekriegt haben. Also haben wir uns spontan entschieden, noch einen Verarbeitungsschritt mehr zu machen: Wir haben die Trauben entrappt. Das bedeutet, dass man die Beeren von der Rispe, also dem Stielgerüst, trennt. Als Traube bezeichnet man im Übrigen den gesamten Fruchtstand, an dem die kleinen einzelnen Beeren dran sind. Jedenfalls haben wir durch das Entrappen nicht nur Platz in den Transportkisten gespart, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum guten Geschmack geleistet. Das reduziert die intensiven Gerbstoffaromen, die in den Stielen enthalten sind. Nach einer weiteren Stunde waren wir dann auch damit fertig und dann ging es in den gemütlichen Teil über. Herbstschluss nennt man das im Rheingau. Gemeinsam mit allen Helferinnen und Helfern haben wir gegrillt und natürlich Wein aus dem Rheingau getrunken – bis uns dann um halb sechs das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte und es anfing zu schütten.

AN: Da hatten Sie ja glücklicherweise bereits alle Beeren im Trockenen. Am Mittwoch ging es dann auch gleich wieder für Sie und Ihre Frau Susanne zurück nach Südhessen. Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg zum ersten Amrumer Wein?
Michael Trenz: Als wir im Rheingau ankamen, haben wir gleich noch am Mittwoch die Beeren abgepresst. Der entstandene Most lagert jetzt erstmal drei bis vier Monate lang in Edelstahlfässern und vergärt dabei zu Wein. Das heißt, aus dem anfänglichen Traubensaft wird irgendwann Federweißer, dann Jungwein und schließlich richtiger Wein. Das wird frühestens im Januar soweit sein. Im Februar werden wir dann filtrieren und im März den Wein schließlich in Flaschen abfüllen.
AN: Flaschen ist ein gutes Stichwort: Wie viele werden es denn am Ende sein? Und was genau haben wir da eigentlich in der Flasche?
Michael Trenz: Wir rechnen mit ca. 750 Flaschen Wein. Wir streben einen trockenen Weißwein an mit rund 12 Volumenprozent Alkohol. Die Rebsorte, die wir gepflanzt haben, heißt Muscaris. Das ist eine aromatische Sorte, die besonders gut im nördlichen Klima gedeiht und außerdem kaum bzw. gar keinen Pflanzenschutz benötigt. Das war ein weiterer Vorteil für uns, da wir ja nicht jedes Mal wegen Pflanzenschutzmaßnahmen nach Amrum fahren können. Auch, wenn auf der Insel der Druck der Pilzkrankheiten nicht so hoch ist wie auf dem Festland, wo eine Infektionswelle vom Nachbarweingut schnell mal auf die anderen Felder überspringt.
AN: Kaum Pflanzenschutzmittel? Das klingt ja nahezu nach einem Biowein….
Michael Trenz: Mehr Bio geht nicht! Auf Amrum haben wir wirklich gar keine Insektizide, Herbizide oder Fungizide eingesetzt. Das heißt, der Amrumer Wein ist 100% Bio und vegan.
AN: Da ist die Vorfreude ja nochmal größer. Wo wird es den Wein denn schließlich zu kaufen geben?
Michael Trenz: Überall dort, wo es unsere Weine bereits jetzt zu kaufen gibt. Also u.a. im Hofladen Martinen, beim Amrumer Bierverlag und natürlich im Likedeeler. Dort werden wir auch ganz sicher unsere erste Flasche Wein öffnen.
AN: Und wie wird der Neuzugang im Hause Trenz heißen?
Michael Trenz: Das wissen wir selbst noch nicht. Ich vergleiche das so ein wenig mit der Geburt eines Kindes: Natürlich haben wir unterschiedliche Ideen im Kopf, aber ob der Name am Ende wirklich zum Neugeborenen passt, sieht man erst, wenn es da ist. Sprich: Wenn der Wein im Februar durchgegoren ist, werden wir sicher gemeinsam mit Freunden und Familie einen Liter trinken und dann final überlegen, wie das Produkt heißen soll. Wir sind da ganz entspannt.
AN: Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Gibt es schon neue Pläne für den Amrumer Weinanbau?
Michael Trenz: Wir stecken ja noch ganz in den Anfangsschuhen. Die erste Lese liegt hinter uns, nun müssen wir erst mal beweisen, dass wir einen gescheiten Wein daraus machen können. Amrum ist unser Herzensprojekt, da geht es nicht um immer größer oder profitabler. Vielleicht experimentieren wir mal mit einer Lagerung im Holzfass, wenn wir mehr Liter ernten. Und natürlich – träumen, darf man ja immer. Also wenn jemand mal einen alten Kartoffelacker über hat und den loswerden möchte, wären wir sicher nicht abgeneigt, unsere Anbaufläche zu vergrößern. Aber wie gesagt: Ein Schritt nach dem anderen. Jetzt freuen wir uns erst einmal darauf, den Wein in Flaschen zurück auf die Insel zu bringen.
Alle Fotos: Astrid Thomas-Niemann