Silvester 2024 – Die Hulken waren wieder unterwegs, trotz widriger Umstände …


Silvester 2020 / Neujahr 2021 gab es sie nicht – die Hulken. Da war „Corona“. Gott sei Dank war das die Ausnahme in der jüngeren Geschichte der Insel Amrum. Auch diesmal hätte man eigentlich damit rechnen können, dass das „hulkin“ ausfallen könnte, denn die Wettervorhersage war alles andere als gut. Sturm und Regen führten anderenorts zu Absagen von Outdoor-Veranstaltungen. So auf Helgoland, Sylt, in Büsum und St. Peter Ording – aber nicht auf Amrum! Die Hulken trotzen den widrigen Umständen und waren zumeist in Gruppen unterwegs. Noch vor Mitternacht setzte dann jedoch der vorhergesagte starke Regen ein, so dass dieses Jahr nicht ganz so viele Feiernde an der St. Clemens Kirche das neue Jahr begrüßten. Zumindest nicht so lange.

Das „ütj tu hulkin“ ist Tradition und ein Brauchtum ganz besonderer Art, gibt es dies doch nur auf der Insel Amrum. Es ist ein „Einkehrbrauch“ am Silvesterabend. Bis zur Unkenntlichkeit verkleidete Menschen gehen zumeist in Gruppen von Haus zu Haus und lassen sich in der Stube der Gastgeber vornehmlich mit alkoholischen Getränken und kleinen Speisen bewirten nachdem erraten worden ist (oder auch nicht), wer sich hinter den oftmals kunstvollen Masken verbirgt. Zieht man dann zum nächsten Haus, wünscht man sich „en seegent nei juar“, also „ein gesegnetes neues Jahr“.

Dieser Brauch geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf die vermummten Gestalten des Gefolges von „Freya“, der nordischen Haus- und Familiengöttin zurück, die mit ihrem Auftreten die Menschen dazu anhalten wollten die beweglichen Güter zur Winterzeit vor Frost und Stürmen zu schützen indem diese ins Haus geholt werden sollten. „Hulkin“ hat nichts mit Karneval oder Halloween zu tun. Zwar gibt es ähnliche Bräuche  auch auf Föhr („ütj tu kenkin“ oder „romelpot“), auf Sylt („Maskenloop“), auf dem Festland („Rummelpottlaufen“) oder auch in Jütland („Rumlepot“). Hier sind die Veranstaltungen jedoch jeweils lokal begrenzt, auf Amrum ist stets die ganze Insel in das Geschehen eingebunden.

Zu Mitternacht trifft man sich dann zusammen mit den Gästen der Insel in Norddorf auf der Hüttmannwiese oder in Nebel vor der St. Clemens Kirche um auf das neue Jahr anzustoßen  und eventuell danach noch in der „Disco“ im 54° Nord („Kniepsandhalle“) weiter zu feiern. Zumindest tun das diejenigen, die dazu durch bis dahin nicht allzu reichlichen Alkoholgenuss noch in der Lage sind. In Norddorf wie in Süddorf sind den ganzen Abend, wie schon Ende des 19. Jahrhunderts, die Seile zu den Glocken an der Hüttmannwiese bzw. am Feuerwehrgerätehaus angebracht worden, damit über diese ehemaligen Feueralarmglocken das neue Jahr eingeläutet werden kann.

Zu beobachten ist jedes Jahr aufs Neue, dass es mehrere Fraktionen gibt, die auf unterschiedliche Weise ihr Interesse am „hulkin“ bekunden: Da sind zum einen die, die hulken gehen, zum anderen die, die Hulken empfangen. Und dann gibt es immer auch noch die, die Angst um ihre Wohnzimmerteppiche haben und keine Hulken mit matschigen Stiefeln in ihren Räumlichkeiten haben wollen, sich still in ihrem abgedunkelten Zuhause zurückziehen und allenfalls noch um Mitternacht zur Kirche gehen oder dann schon im Bett sind.

Auch diesmal waren wieder viele kunstvoll verkleidete Hulken auf Amrum unterwegs. So fanden sich in der Küche des Autors beispielsweise „Gemüse“, „Hühner“, „Hard-Rock“ und „Mensch-ärger-Dich-nicht“ ein. Besonders eindrucksvoll war die Gruppe „Emotionen“ (Ärger – Streit – Neid – Freude – Wut – Angst) mit einer hervorragenden schauspielerischen Einlage. Und auch aktuelle Themen wurden ins „hulkin“ eingebracht, so z. B. das „MVZ“ (Medizinisches Verschönerungs Zentrum).

Alle haben sich gerne fotografieren lassen um sich dann hier auf Amrum News oder sogar in einem Buch und Bildband wiederzufinden. Es ist nämlich ein Fotobuch „Hulken auf Amrum“ aus dem Quedens Verlag, in Arbeit, das dieses Jahr erscheinen soll (Amrum News wird berichten!).

Hoffentlich bleibt unserer Insel dieser Brauch noch lange bestehen. Auf dass weder Pandemien, noch der Klimawandel mit seinen Naturkatastrophen, noch Wirtschaftskrisen, politische Verwirrungen oder gar Gewalt und kriegerische Handlungen dem ein Ende setzen mögen.

Amrum News wünscht allen Lesern und Freunden ein gesundes und friedliches Jahr 2025!

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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One comment

  1. Kein Feuerwerk am Himmel (absolut nachvollziehbar und gut für die Hunde) – aber ein Hulken Feuerwerk auf dem Boden! So kreativ! Wunderbar!!!

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