Kennen Sie das auch? Man hat immer irgendwelche Sachen, die man selber gerne als seine Lieblingsstücke bezeichnet. Das können technische Dinge, spezielle Werkzeuge oder auch das Auto sein. Oft sind es aber auch Kleidungsstücke – ich spreche aus Erfahrung.
Ein Freund von mir zum Beispiel hat einen hellblauen Frotteehut. So eine Art Schlapphut, aber eben aus Frottee. Wirklich nicht besonders schön, aber eben eins seiner Lieblingsstücke. Er versteckt das Ding immer vor seiner Frau, weil er Angst hat, dass diese den mal (ausversehen) wegschmeißt- sie findet den Hut nämlich „einfach nur peinlich“. Tatsächlich setzt er diesen Hut aber immer nur im Urlaub auf. Ganz zur Freude seiner Kinder, die den Hut auch echt schräg finden.
Ein anderer Freund erzählte mir mal von seiner alten Harrington-Jacke. Kennen Sie. Schwarze Jacke mit rotem Karo-Innenfutter. Gerne dazu getragen: Den Gürtel mit Glitzer AC/DC-Gürtelschnalle, ebenfalls Lieblingsstücke. Beides echt „besondere Teile“ und sicher im sogenannten „fensterlosen Zimmer“ der Familie – vergleichbar mit einem Dachboden – eingelagert, dachte er. Zwischenzeitlich hat es eine familiäre Aufräumaktion gegeben. Leider ohne meinen Freund. Später sah er dann die Tochter einer befreundeten Familie mit seiner Harington-Jacke durch die Gegend spazieren. Die wollte er ihr dann natürlich nicht mehr vom Leibe reißen. „Naja“ sagte er mir mit leicht hängenden Schultern, „dann erfüllt sie jedenfalls noch einen guten Zweck“. Echte Schicksale …
Ich persönlich erinnere mich an eine Jeans, die ich wirklich als meine Lieblingsjeans bezeichnet hatte. Wrangler Stone Washed. Ich denke ich habe sie viele Jahre getragen und natürlich zeigte sie leichte Gebrauchsspuren. Aber meiner Meinung nach nur leichte. Meine Frau betrachtete diese Jeans schon lange mit Argwohn. „ Willst du die nicht endlich mal wegschmeißen?“ Nein wollte ich natürlich nicht. Von Lieblingssachen trennt man sich eben nicht so leicht. Da hängen ja auch Erinnerungen dran. Viele Urlaube mit den Kindern in Dänemark, viele tolle Stunden am Strand und viele nette Segeltouren mit Freunden.
Überhaupt, wie kommt es eigentlich, dass eher die Frauen die Männer auf nicht mehr tragbare Sachen hinweisen als umgekehrt? Eine Bekannte erklärte mir neulich auf einer Party, dass Frauen da mehr auf sich selber achten. Es kommt also gar nicht erst soweit, dass Frauen Sachen anziehen, die nicht mehr okay sind. Mit anderen Worten – wir als Männer haben überhaupt keine Chance unsere Frauen darauf hinzuweisen, dass der rote Pullover eben nicht mehr schön ist. (Hinweis für meine Frau: „Es war nur ein Beispiel Schatz – Dein roter Pullover ist noch schön“).
Okay, anscheinend sind Männer an diesem Punkt nicht so sensibel oder es ist ihnen einfach egal, ob die Hose verschlissen ist oder der Pullover ein Loch hat. Ja, je mehr ich drüber nachdenke, ist es uns Männern glaube ich wirklich egal, wenn ein Lieblingsstück ein Loch hat. Hängen ja auch wie gesagt Erinnerungen dran.
Jedenfalls habe ich besagte Lieblingsjeans irgendwann nicht mehr gefunden. Ich fragte natürlich meine Frau ob sie wisse, wo mein Lieblingsstück ist. Daraufhin zuckte sie nur mit den Schultern und sagte „keine Ahnung wo du deine Sachen wieder verbummelt hast“ (im Nachhinein eine ganz schön freche Aussage, weil sie sehr wohl wusste wo meine Hose war – um das mal vorweg zu nehmen). Okay dachte ich mir, irgendwo wird sie schon sein. Dann habe ich das Ganze auch wieder vergessen und nach einigen Tagen dachte ich komisch, die Hose ist immer noch nicht da. Okay, jetzt entschloss ich mich, der Sache mal systematisch auf den Grund zu gehen und wirklich mal im Kleiderschrank gründlich nachzuschauen. Kann ja auch mal nach hinten gerutscht sein. Nix. Nächste Option: Wäschekorb. Nix. Nächste Möglichkeit: Bügelwäsche. Nix. Okay, irgendwo musste die Hose ja sein. Noch mal ein intensives Gespräch mit meiner Frau geführt – sozusagen ein Verhör. Diese zuckte wieder mit dem Schultern.
Sie müssen wissen, dass meine Frau zu dieser Zeit noch im Insel-Kindergarten gearbeitet hat. Es war Februar, kurz vor dem Biikebrennen.
Das Biikebrennen ist eine alte friesische Tradition – vor allem auf den nordfriesischen Inseln. Früher haben die Frauen mit dem Feuer ihre Männer verabschiedet, die dann die Insel zum Walfang verlassen haben. Die Feuer sollten Ihnen symbolisch den Weg zurück leuchten. Aber es ging auch um die Austreibung des Winters. Dazu wurde symbolisch eine Puppe, ähnlich einer Vogelscheuche, gebastelt und auf dem Feuer verbrannt. Sozusagen Puppe verbrannt, Winter vorbei.
So eine Puppe genannt Piader, wurde auch im Kindergarten gemeinsam mit den Kindern gebastelt. In Lebensgröße. Dazu nimmt man alte Kleidungsstücke und stopft diese mit Stroh aus. Der Piader wird dann mit einem Stiel verstärkt, oben auf dem Biikehaufen befestigt, um dann verbrannt zu werden. Sie ahnen vielleicht schon was kommt…
Meine Frau hatte mich am Tag vor dem Biike gebeten, den Piader aus dem Kindergarten abzuholen um ihn zum Biikehaufen zu bringen. Ich war völlig ahnungslos als ich den Kindergarten betrat.
Ja was soll ich sagen, da stand der Piadder. Er trug meine Lieblingsjeans. Ich stellte meine Frau sofort zur Rede. Sie zuckte nur mit den Schultern und sagte „die war doch nicht mehr gut, und wir brauchten eine Hose für unseren Piader“. Naja, ich wollte dem Piadder die Hose jetzt auch nicht mehr ausziehen. Immerhin hatte die Hose so noch einen kulturellen nutzen.
Am nächsten Abend musste ich zusehen, wie mein schönes Lieblingsstück und mit ihr viele schöne Erinnerungen in Rauch aufgingen. Schicksal.
Was für eine schöne Geschichte. Nachdem kommenden Freitag (also schon in einer Woche) wieder Biike ist, könnte es für den Blick in den Kleiderschrank schon wieder zu spät sein;-) – lieb Grüße und bis bald…
Thomas Hübsch
Biike ist ja nur eine Möglichkeit – bei der im Vorfeld offenbar auch etliche Sträucher oder (Lieblings?)Bäume “verschwunden” sind. Die andere: Sperrmüll.
Und zur “Altkleider”problematik denke ich an eine Videoaufnahme von Volker Pispers über Markwirtschaft als Religion mit dem Schlußsatz “Wann kauft ihr Mann eine neue Hose? Wenn SIE sagen ‘die ziehst du nicht mehr an'” 🙂
Wenn ich allerdings (im Sommer) Junge Menschen sehe die mit total zerfledderten Jeans mit kopfgroßen Löchern rum laufen dann mag ich nur den Kopf schütteln und sagen “Kauf dem Kind doch mal jemand eine Intakte Hose”! Aber nein, offenbar bezahlt man da sogar viel Geld für neue Kaputte Beinkleider. Und das freiwillig!? Tipp für die Eltern: Demnächst ist Biike! 😉
(https://youtu.be/knHK1rfBhig?feature=shared&t=415)
Hallo Herr Lückel,
Danke für den Artikel. Ich musste unwillkürlich an dieses youtube-Video denken, das ich kurze Zeit vorher gefunden hatte:
https://www.youtube.com/watch?v=VaOp7o2b74Q
Viele Grüße,
Daniel H. Friese