Gelungene Stammzellenspenden auf Amrum …


DKMS Mach mit (Bildquelle: DKMS)

Nur rund 2300 Einwohner hat die Insel Amrum. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass es in dieser kleinen Gemeinschaft aktuell sowohl eine gelungene Stammzellenspende, wie auch einen Stammzellenempfänger gibt.

Oke Martinen hat sich bereits vor 6 Jahren als Stammzellenspender registrieren lassen. Er war einem Aufruf zur Stammzellenspende gefolgt, als für ein Kind ein Spender gesucht wurde. In diesem Rahmen hatte er damals auch mit der Amrumer Landjugend eine inselweite Registrierungsaktion gestartet. Nun wurde in Frankreich ein geeigneter Empfänger für seine Zellen gefunden, der vor kurzem die „Amrumer Stammzellen“ erfolgreich transplantiert bekommen hat.

Werdet auch ihr Stammzellenspender!

Ein anderer Amrumer Mitbürger war ebenfalls mit einer Stammzellenspende konfrontiert, als bei ihm zu Beginn des letzten Jahres die Diagnose Blutkrebs gestellt wurde. Nach anfänglicher Chemotherapie konnte für ihn nach nur 6 Monaten ein geeigneter Spender gefunden werden.

Eine Stammzellenspende wird zur Behandlung von Blutkrebs eingesetzt. Blutkrebs ist ein Oberbegriff verschiedener bösartiger Erkrankungen, wie z. B. Leukämie. Hierbei entarten die Zellen, vermehren sich unkontrolliert und verdrängen die Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen). Das Blut kann seine lebensnotwendigen Aufgaben nicht mehr übernehmen, Sauerstoffmangel der Körperzellen, Infektionen und Blutgerinnungsstörungen sind die Folge.

Reicht bei der Behandlung von Blutkrebs eine Chemotherapie nicht aus, kommt eine Stammzellenspende in Frage. Dies ist eine Art der Organspende, bei der gesunde Stammzellen von einem Spender an einen Empfänger übertragen werden. Stammzellen sind Zellen, die in der Lage sind, eine Kopie von sich selbst hervorzubringen, indem sie sich teilen. Sie sind dafür verantwortlich beschädigtes Gewebe, in diesem Falle das Blut, zu reparieren und absterbende Zellen zu ersetzen. Sie sind die Mutterzellen der Blutzellen und befinden sich im Knochenmark aller Knochen, insbesondere im Beckenkamm, und in geringerer Konzentration auch im Blutkreislauf.

Nicht jeder Mensch kann jedem Menschen eine Organspende geben. Entscheidend bei einer Transplantation ist die Gewebeverträglichkeit, die auch als HLA-System bezeichnet wird (HLA = Humanes Leukozyten Antigen). Dieses hilft dem Immunsystem zwischen körpereigenem und körperfremdem Gewebe zu unterscheiden und letzteres ggf. zu bekämpfen. Damit es bei einer Organtransplantation nicht zu einer Abstoßungsreaktion kommt, müssen die Gewebemerkmale (hiervon sind aktuell weltweit rund 17.000 unterschiedliche bekannt!) von Spender und Empfänger nahezu vollständig übereinstimmen. Die Suche nach einem geeigneten Spender für einen erkrankten Menschen gleicht somit der „Suche nach einer Nadel im Heuhaufen“! Bei dem Amrumer Stammzellenempfänger (s.o.) hat eine 100% Übereinstimmung der HLA-Merkmale vorgelegen, so dass man hier nach der Zellübertragung von einer echten Heilung der Erkrankung sprechen kann, worüber er natürlich sehr glücklich und dankbar ist.

Eine Stammzellenspendenaktion wird in Deutschland über die „DKMS“ (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) organisiert, die es seit 1991 gibt, die international nahezu weltweit vernetzt ist und entsprechend tätig wird. Je mehr Menschen sich weltweit zu einer Stammzellenspende bereit erklären, desto größer sich die Aussichten einen Spender für einen erkrankten Menschen zu finden.

Oke Martinen während der Stammzellenspende (Bild: privat)

Wie läuft eine Stammzellenspende ab?

In früheren Jahren wurde eine Zellentnahme beim Spender überwiegend aus dem Beckenkamm entnommen, was einer kleinen aber schmerzhaften Operation gleichkam. Im Laufe der Jahre hat sich das Wissen und die Technik über Transplantationen immens verbessert, so dass man heute in den allermeisten Fällen in der Lage ist, die Stammzellen aus dem Blut des Spenders zu entnehmen. Die Zellentnahme erfolgt wie bei einer gängigen Blutspende, wobei die Stammzellen aus dem Blut des Spenders herausgefiltert werden und der größte Teil des Blutes wieder dem Spender zurückgeführt wird. Der Entnahmevorgang dauert zwischen 2 und 5 Stunden, je nach Konzentration der Stammzellen im Blut. Um diese möglichst hoch zu haben, bekommt der Spender einige Tage zuvor ein Medikament, das die Bildung von weißen Blutkörperchen und die Ausschwemmung der Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut anregt (G-CSF = Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor).

Die Stammzellenentnahme findet in Deutschland in speziell hierfür eingerichteten Kliniken, entweder in Köln oder in Dresden, statt. Die Organisation und Kosten der An- und Abreise zur Klinik, einer möglichen Unterkunft und Verpflegung, wie auch alle anderen Kosten um die Spendenaktion übernimmt die DKMS.

Oke Martinen berichtete, dass er sich während des gesamten Verfahrens und der zweimaligen Reise nach Köln super betreut gefühlt hat. Er habe keine unangenehmen Nebenwirkungen, weder bei den Vorbereitungen zur Spende, noch bei der eigentlichen Blutentnahme verspürt und ruft alle Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu auf sich bei der DKMS registrieren zu lassen um sich als möglicher Lebensretter zur Verfügung zu stellen.

Test auf HLA-Merkmale (Bildquelle DKMS)

Wie kann man Stammzellenspender werden?

Grundsätzlich kann sich jeder gesunde Mensch im Alter zwischen 17 und 55 Jahren als potentieller Stammzellspender registrieren lassen. Dies geschieht am einfachsten über das Online-Formular der DKMS (https://www.dkms.de/registrieren). Der Spendenwillige erhält dann per Post ein Registrierungsset. Mit den beigefügten Wattestäbchen nimmt der Spender jeweils einen Abstrich der Wangenschleimhaut vor und schickt diese samt einer unterschriebenen Einwilligungserklärung an das Labor der DKMS zurück. Hier werden die relevanten Gewebemerkmale ausgewertet und pseudonymisiert dem weltweiten Spendersuchlauf zur Verfügung gestellt.

Wird festgestellt, dass die Gewebemerkmale mit denen einer Patientin oder eines Patienten übereinstimmen, wird der potentielle Spender über die nächsten Schritte informiert und es erfolgt eine erneute Analyse der Gewebemerkmale. Hierzu bekommt man ein Blutentnahmeset zugeschickt. Die Blutentnahme inklusive Rücksendung der Probe an das Labor erfolgt bei einer Ärztin oder einem Arzt nach Wahl des Spenders. (Anm.: Auf Amrum erfolgt eine derartige Blutentnahme kostenfrei in der „Praxis an der Mühle“, resp. ab Juli 2025 im „MVZ Amrum“). Stimmen die Gewebemerkmale weiterhin „passgenau“ zusammen, erfolgt eine ausführliche körperliche Untersuchung und eingehende Aufklärung bei der DKMS statt. Reise- und Unterbringungskosten hierzu übernimmt die DKMS ebenso wie bei einer möglichen späteren Stammzellenentnahme.

Viele bereitwillige Spender hören nach erfolgter Registrierung lange Zeit nichts von der DKMS. Bei Oke Martinen hat es letztendlich sechs Jahre gedauert, bis ein geeigneter Empfänger gefunden wurde. Dies liegt daran, dass eben möglichst viele HLA-Merkmale übereinstimmen müssen (s.o.). Die DKMS berichtet, dass es statistisch gesehen lediglich bei 1 % aller Registrierten zu einer Stammzellenübertragung kommt. Das sollte aber niemanden davon abschrecken sich nicht registrieren zu lassen, kann doch jeder potentielle Spender einmal zum Lebensretter werden! Auch in einer so kleinen Gemeinschaft wie auf der Insel Amrum – QED (quod erat demonstrandum = „was zu beweisen war“)!

Weitere und ausführlichere Informationen finden sich auf der Internetseite der DKMS: https://www.dkms.de/

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay., hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. War seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin und mittlerweile Ehefrau Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ gearbeitet hat. In 2024 ist er endgültig in den ärztlichen Ruhestand getreten. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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