54°37´25´´ N 8°21´05´´ E: diese Koordinaten nach „Google Earth“ bezeichnen eine besondere Stelle inmitten des schier endlosen Kniepsandes. Geht man den Weg unter dem Leuchtturm am FKK-Campingplatz vorbei und benutzt den Dünenübergang zum Kniepsand muss man sich hier in südlicher Richtung, am besten bei Niedrigwasser, in Richtung Wasserkante begeben um in etwa bei diesen Koordinaten auf dicke aus dem Sand herausragende Holzpfähle zu stoßen die bei hohen Wasserständen völlig überspült werden. Etwas merkwürdig muten diese Gebilde hier in der Weite des Knieps schon an, befinden sich in der Nähe doch keine Bohlenwege oder gar Gebäude.

Bei diesen Pfählen handelt es sich wohl um Überreste der einst auf Amrum verkehrenden Eisenbahn. Bereits im Jahr 1893 beschloss die Aktiengesellschaft des Seebades Wittdün eine dampfbetriebene Schmalspurbahn (Spurweite 90 cm) zum Kniepsand anzulegen und an deren Ende Badeanlagen mit einer Strandhalle und Badekabinen, getrennt für Damen- und Herrenbad, anzulegen. Schon damals war der Weg durch die zu genehmigenden Behörden ein langwieriger Prozess und auch Lieferschwierigkeiten der aus Antwerpen georderten Eisenschienen verzögerten die Fertigstellung.

Zudem wurde bei der Planung und beim Bau der Anlagen ein gravierender Fehler begangen. Um Kosten zu sparen wurden statt eigentlich notwendiger, jedoch aufwendiger Erdarbeiten für einen festen Untergrund der Schienenstränge die Gleise auf dem Strand einfach auf den Kniepsand verlegt, und es kam, wie es kommen musste. Im Februar 1894 zog ein gewaltiges Orkantief über die Nordsee, der Kniep wurde überflutet und die Schwellen wurden aufgerissen und fortgespült.

Bis zur Eröffnungsfahrt am 20. Juli 1894 mussten aufwendige Reparaturarbeiten vorgenommen werden, und nun wurden die Schienen auf einem Pfahl- und Balkengerüst ca. 50 cm über der Bodenhöhe verlegt. Eine Dampframme trieb die bis zu 3 m langen Pfähle in den Boden. Und es sind eben die Überreste dieser Anlage, die heute wieder zum Vorschein kommen und sichtbar werden. Es ist ja bekannt, dass der Kniepsand sich stetig verändert und sich die Sandmassen nordwärts verschieben. Die damals errichtete Kniepsandhalle samt Herren-, Damen- und später auch Familienbad existiert schon lange nicht mehr. Die Überreste, so es sie denn noch gibt, liegen heute tief im Wasser. Es ist hochinteressant sich über die ehemaligen Wasserkantenverläufe zu informieren. Dies kann man gut auf der von Jens Quedens erstellten historischen Karte „Oomram – En rais troch a tidj“ (Amrum – Reise durch die Zeit) tun.

Ursprünglich startete die Bahnlinie von einem Bahnhof unterhalb des Kurhauses Wittdün an der Südspitze, in etwa dort, wo sich heute die Untere Wandelbahn befindet. Sie führte direkt an der Dünenkante und südlich des heutigen Wriakhörnsees im Bereich Wriakhörn auf den Kniepsand zur Kniepsandhalle. Diese Streckenführung war jedoch sehr anfällig für witterungsbedingte Schadensereignisse. Bereits im Dezember 1894 und im März 1895 vernichteten Sturmfluten die Gleisanlagen. Zudem beschwerten sich die Kurgäste über den immer wieder auftretenden Baulärm sowie die Belästigung durch die Dampfmaschinen, schnitt die Bahnlinie doch quasi das Kurhaus vom Wittdüner Südstrand ab.

Veränderungen im Fährverkehr machten zudem eine Anbindung an die Wittdüner Brücke notwendig, und so wurde ab 1901 eine neue Bahntrasse entlang der heutigen Inselstraße Richtung Norden geschaffen, die 1902 unter Anbindung des Kurhaus Satteldüne und der Ortschaft Nebel bis nach Norddorf führte um auch hier die als touristische Zentren bedeutsamen Bodelschwingh´schen Seehospize und das Hotel Hüttmann verkehrstechnisch anzubinden. Im Bereich des damaligen Lokschuppens (in etwa dort wo heute das Feuerwehrgerätehaus Wittdün steht) wurde ein Abzweig geschaffen um die Eisenbahn jetzt durch die Dünen nördlich des Wriakhörnsees zu führen um ab Wriakhörn wieder auf der ursprünglichen Trasse zu fahren. Die Strecke südlich der Wriakhörnsees wurde bereits 1899 aufgegeben.

Die Kniepsandhalle mit der Restauration und die Badeanlagen wurden durch Sturmfluten immer wieder beschädigt und im November 1911 letztendlich völlig zerstört. Auch die Streckenführung dorthin war oft in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass diese 1908 stillgelegt wurde. Jedoch wurde 1909 ein neuer Zubringer zum „Bahnhof Kniepsand“ geschaffen, der nördlich des Leuchtturms von der Hauptstrecke nach Norddorf nach links abbog und durch die Dünen auf den Kniepsand gelangte. Diese „Kniepsandstrecke“ hatte, einschließlich einer Zeit des elektrischen Betriebs auf der Amrumer Inselbahn, bis zum endgültigen Aus der Bahnlinie im Jahr 1939 Bestand. Wer mehr über die Amrumer Inselbahn erfahren möchte, dem sei das Buch „Wi fohrn, wenn ick mien Punsch ut heff“ von Georg Quedens empfohlen.

Es gibt auf Amrum auch noch andere Stellen an denen Zeugen früherer baulicher Maßnahmen am Strand sichtbar werden oder wurden. Wie bereits geschrieben, verändert sich der Kniepsand stetig, wie v. a. auch Amrums Stammgäste insbesondere am Norddorfer Strand feststellen können. Hier sieht der Kniepsand mit seiner Entfernung zur Wasserkante oder der Bildung seiner Priele jedes Jahr im Sommer anders aus. Und auch hier gab es in den ersten 2000er Jahren spektakuläres Gebälk am Strand zu sehen. Über 100 Jahre standen die Balken im Meeresboden, wurden vom Salzwasser umspült und von Seepocken besiedelt. Es handelte sich um Überreste von drei Landungsbrücken die von den Schiffen aus Richtung Hörnum auf Sylt angelaufen wurden, von der Slipanlage für das Ruderrettungsboot der DGzRS Station Nord, und v. a. von mächtigen Steinbuhnen mit breiten Kopfplatten.
Bis in etwa zur Jahrhundertwende um 1900 hatte der Kniepsand einen riesigen „Kniephaken“, der bei Norddorf einen naturgeschützten Naturhafen bildete. Mit der zunehmenden Nordwärtswanderung der Sandmassen verflachte dieser „Hafen“ zusehends und es kam schließlich zu einen kompletten Anschluss an den Strand. Die Seebrücken wurden mehrmals nordwärts verlegt, wobei die südlichste Anlegestelle bis 1909 bestand hatte und die mittlere bis 1937. Mit Aufgabe der nördlichsten Brücke 1941 endete letztendlich die Geschichte der Anlegebrücken am Norddorfer Strand.
Die DGzRS StationNord hatte von 1888 bis 1938 ihren Standort am Norddorfer Strand. Hier wurde bei Bedarf das Ruderrettungsboot mit einem pferdebespannten Transportwagen auf eine Slipanlage gezogen um es hierüber ins Wasser lassen zu können.

Beeindruckend müssen auch die großen Buhnen gewesen sein, die als erste bedeutsame Küstenschutzmaßnahme des Deutschen Reichs auf Amrum in den 1890er Jahren errichtet wurden. Bis zum deutsch-dänischen Krieg 1864 gehörte Amrum zum Königreich Dänemark und wurde nach diesem Krieg von Preußen einverleibt bzw. dem späteren Deutschen Reich zugeordnet. Die Dänen hatten vergleichsweise nur wenig in den Küstenschutz der Insel Amrum investiert und auch das Deutsche Reich hat erst ab 1885, nach mehreren verheerenden Sturmfluten, die Notwendigkeit erkannt Schutzmaßahmen zu ergreifen um einen Durchbruch im Bereich der sog. „Risum-Lücke“ zu verhindern. Zwischen dem heutigen Strandübergang Norddorf und dem Landschulheim „Ban Horn“ hatte der Dünengürtel eine „Lücke“, und ein Wasserdurchbruch hätte hier unweigerlich zum Abtrennen der Nordspitze von der Insel geführt. Bis 1898 wurden insgesamt die rund 20 mächtigen Buhnen nördlich des Norddorfer Strandes errichtet, in der Hoffnung dass hierdurch sich ein neuer Dünenwall bilden würde, was jedoch nicht gelang und im Jahr 1914 zusätzlich ein Deich angelegt wurde. Die durch die bekannten Strömungsverhältnissen reichliche Sandzufuhr von Süden her lies den Kniepsand sich zügig nordwärts verlängern, die Reste des Kniephafens versandeten und spätestens zu Beginn der 1930er Jahre verschwanden fast alle Buhnen unter dem Sand. Vor der „Risum-Lücke“ bildete sich ein stabiler Dünenwall, der den dortigen Deich unter sich begrub.

Die Breite des Kniepsandes verändert sich stetig, und um die Jahreswende 2000 traten die ersten Buhnen wieder hervor. Im Laufe der nächsten Jahre kamen immer mehr Überreste der Anlagen zum Vorschein und wurden zur Gefahr für Badegäste, Wassersportler und Spaziergänger, so dass man sich Mitte der 2000er Jahre entschloss diese hölzernen und steinernen Gebilde auszugraben und vom Strand zu entfernen. Über hundert Jahre lang waren sie unter dem Sand begraben, und erstaunlicherweise zeigten die meisten der Balken kaum Verwitterungsspuren, so dass sie einer weiteren Nutzung zugeführt werden konnten und seitdem als Begrenzung des Parkplatzes an Norddorfer Strandübergang, diesmal als Schutz vor Versandung, ihren Zweck erfüllen.
Anm.:
Bild- und Textnachweise:
Georg Quedens – „Wi fohrn, wenn ick mien Punsch ut heff“ (Geschichte und Geschichten der Amrumer Inselbahn) ISBN 3-924422-66-4
Jens Quedens – „En rais troch a tidj oomram“ (Amrum Reise durch die Zeit) ISBN 978-3-926137-51-7
Georg Quedens – Die Buhnen am Norddorfer Strand, Amrum News 28.09.2017