Amrumer Details 10 – Die Dünenschule

Auf Amrum gibt es eine ganz besondere Schule: Die Dünenschule. Viele sagen, dass das wohl die landschaftlich am schönsten gelegene Schule Deutschlands, wenn nicht gar von ganz Europa, ist.

Die Dünenschule liegt, wie der Name schon vermuten lässt, in den Dünen, genauer gesagt in dem Dünental, das sich zwischen den Strandübergängen von Süddorf und Nebel hinzieht. In etwa auf der Hälfte der Strecke zwischen diesen beiden Orten, gibt es eine weitere Möglichkeit durch die Dünen an den Kniepsand zu gelangen, den sogenannten Satteldünenübergang. Hier muss man, von der Fachklinik Satteldüne kommend, im Gegensatz zu den Übergängen Nebel und Süddorf, allerdings eine steile und sandige Bergwanderung in Kauf nehmen, will man an den Strand. Und genau am Anfang dieses Übergangs befindet sich die Dünenschule.

Die Dünenschule in der reizvollen Amrumer Dünenlandschaft

In dieser Schule werden die Kinder und Jugendlichen unterrichtet, die während ihres zumeist mehrwöchigen Aufenthaltes in der „Kinderfachklinik Satteldüne der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein“ der Schulpflicht unterliegen. Verwaltungstechnisch ist die Dünenschule ein Teil der Inselschule „Öömrang Skuul“, sozusagen eine Filiale. Da die Kinder und Jugendlichen ja aus verschiedenen Teilen unseres Landes kommen bringen sie für gewöhnlich von ihren Heimatschulen und deren Lehrern den zur Zeit ihrer dortigen Abwesenheit durchzunehmenden Unterrichtsstoff mit, erhalten hier aber auch viele Informationen zur Insel Amrum und der Umgebung. Organisatorisch ist das Schuljahr in der Dünenschule aber, z. B. was die Ferienregelung anbelangt, der Öömrang Skuul und dem Land Schleswig-Holstein angepasst. Bemerkenswert ist es nebenbei, dass auf den Nordfriesischen Inseln, im Gegensatz zum Rest des Landes, die Sommerferien nur 5 Wochen betragen, dafür sind es in der Herbstferien dann 3 Wochen. Das ist den Umständen geschuldet, dass im Sommer die Eltern in diesen Touristikzentren zumeist keine Zeit haben um in Urlaub zu fahren. Die Amrumer verreisen dann im Herbst!

as Dünenheim Mitte der 1950er Jahre (Bild: Archiv Fachklinik Satteldüne)

Das Gebäude der Dünenschule war 1951 ursprünglich als halbkreisförmige Liegehalle der damaligen „Heilstätte Satteldüne“ für Tbc-Kranke errichtet worden, die hier in der absolut reinen Nordseeluft ganzjährig eben die damals zur Behandlung der Tuberkulose zur Anwendung kommenden Liegekuren verbrachten. Diese Halle wurde „Dünenheim“ getauft und hatte eine nach Westen hin ausgerichtete große Fensterwand, die geöffnet werden konnte. Mit Einführung der verschiedenen Techniken und Antibiotika zur Tuberkulosebehandlung, sowie der besseren medizinischen, hygienischen wie sozialen Bedingungen, sanken die Erkrankungsfälle seit Mitte des 20. Jahrhunderts stetig und nahmen insbesondere seit der Nachkriegszeit des 2. WK in Deutschland eine positive Wendung. So hatte die „Heilstätte Satteldüne“ im Jahr 1953 zwar noch 300 Behandlungsbetten, aber es war zu dieser Zeit ein deutlicher Rückgang v. a. von Knochen- und Gelenkstuberkulose zu verzeichnen. Immerhin konnten in diesem Jahr noch 44 Kinder als geheilt entlassen werden, wobei diese allerdings eine durchschnittliche Verweildauer von 3 Jahren (!) in der Klinik hatten.

Die Dünenschule heute

1959 erfolgte ein Erweiterungsbau des Dünenheims zu einem T-förmigen Gebäudekomplex, obwohl zu dieser Zeit bereits ein erfreulicher Rückgang an Tbc-erkrankten Kindern zu verzeichnen war und die Klinik sich ein neues Klientel erschließen musste. Erst im Jahr 1968 erfolgte jedoch die letzte Zuweisung eines tuberkulosekranken Kindes. Die „Liegehalle“ verlor zusehends an Bedeutung und wurde längere Zeit als Wohn- oder Lagerhaus genutzt, bis schließlich 1982 eine Renovierung des Dünenheims zum Umbau eines Schulhauses mit 5 Klassenräumen erfolgte.

Die Fachklinik Satteldüne heute

Die heutige „Kinderfachklinik Satteldüne der LVA S-H“ hat, v. a. bezüglich ihrer Funktion, der Gebäude-, an -, um- und Neubauten, sowie der Besitzer eine bewegte Geschichte. 1890 wurde auf Amrum die Aktiengesellschaft „Kurhaus Amrum“ gegründet, die auf dem Gelände der „Satteldüne“ im Rahmen des damals aufkommenden und boomenden Badetourismus ein hotelartiges Gebäude errichten ließ. 1891 nahm das „Kurhaus zur Satteldüne“ mit einem „Warmbadehaus“ im Anbau den Betrieb auf. Schon damals gab es eine ärztliche Betreuung, Dr. med. Kurt Schlutius war während der Saison „dirigierender Badearzt“. Bereits 1895 erfolgte ein Besitzerwechsel, nunmehr hatte die „AG Nordseeheilbad Wittdün auf Amrum zu Tondern“ die Geschäftsführung. Auf Grund der Bedeutung  für den Tourismus auf der Insel erhielt die „Satteldüne“ im Jahr 1902 sogar einen Anschluss an die Amrumer Inselbahn.

Die Satteldüne um 1920 (Bild: Archiv Fachklinik Satteldüne)

In den Wirren des 1. WK und dessen Nachkriegsjahren lag die Bäderkultur, nicht nur auf Amrum, gänzlich darnieder, und es wurden neue Verwendungszwecke für die vielen „Bettenhäuser“ auf Amrum gesucht. Viele wurden zu „Kinderheimen“ umfunktioniert. So entstand 1924 dann auch in den Gebäuden der „Satteldüne“ eine Konzeption für das „Kinderheim Satteldüne e. V.“ unter der ärztlichen Leitung von Dr. med. Hildegard Schoenecke, die v. a. Tuberkulosebehandlungen vornahm. Die Klinik erhielt einen kleinen OP-Saal und auf 2 Etagen große offene Hallen für die Liegekuren. 1930 wurde ein Röntgengerät installiert und es erfolgte eine Umbenennung in „Kinderheilstätte Satteldüne“. Die Belegung erfolgte bereits damals durch die LVA Schleswig-Holstein. In den Zeiten des Nationalsozialismus ab 1933 konnte die Integration des Klinikgeschehens in die „NSV“ (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) vermieden werden, da überwiegend tuberkulosekranke Kinder behandelt wurden und hierzu die Heilstätte erhalten bleiben musste. 1943 wurde die „Heilstätte Satteldüne“ dann gänzlich unter die Verwaltung der LVA S-H gestellt. Da seit Ende der 1960er Jahre keine Tuberkulosefälle mehr in der Klink zu verzeichnen waren, sah man die Bezeichnung „Heilstätte“ als nicht mehr zeitgemäß an, es erfolgte eine Umbenennung zum „Kinderkurheim Sattledüne der LVA S-H“. Seit den 1980er Jahren erfolgten und erfolgen stetige große Um- und Neubauten zu einem zeitgemäßen Rehabilitations-Klinikbetrieb, und so lautet der Name nun „Kinderfachklinik Satteldüne der LVA S-H“. Insbesondere ist es ein weltweit anerkanntes Fachzentrum zur Betreuung von Patienten mit Cystischer Fibrose („Mukoviszidose“), aber auch Asthma bronchiale, Adipositas und psychosomatische Krankheitsbilder werden hier behandelt. Und längst ist es kein „Kinderheim“ im ursprünglichen Sinne mehr, die kleinen Patienten kommen in Begleitung von Müttern oder auch Vätern in die Klinik. Und die „Satteldüne“ ist die größte Arbeitgeberin auf der Insel Amrum.

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay., hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. War seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin und mittlerweile Ehefrau Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ gearbeitet hat. In 2024 ist er endgültig in den ärztlichen Ruhestand getreten. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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One comment

  1. Hans-Peter Traulsen

    Moin Peter, vielen Dank für den informativen Artikel!

    Ein paar Anmerkungen von meiner Seite:
    Die Notwendigkeit einer Beschulung ergab sich bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, da sich viele Kinder bis zu drei Jahre in der Satteldüne aufhielten. So wurde eine eigene Schule eingerichtet, in der meist junge Lehrkräfte der Nebeler Volksschule unterrichteten.
    Der damalige Inselpastor Pörksen berichtet in der Kirchenchronik über seine Zeit an der Klinikschule Satteldüne:
    „Mit den vier Stunden Religionsunterricht in der Schule der Heilstätte Satteldüne (für Kinder mit Knochentuberkulose) hatte ich nun zehn Religionsstunden… Durch die Jahrzehnte hindurch haben diese Stunden mit allen Altersstufen zu den schönsten meines Dienstes gehört.“
    Diese Einschätzung teilt der Verfasser uneingeschränkt. Die Dünenschule – wie die Schule an der Fachklinik Satteldüne der Deutschen Rentenversicherung Nord vereinfacht genannt wird – zählt aufgrund ihrer exponierten Lage zu den schönsten Lehr- und Lernorten überhaupt.
    Sowohl die Organisationsform der Klinikschule als auch die Unterrichtsziele wurden 1986 in einem Vertrag zwischen dem Kultusministerium des Landes Schleswig-Holstein und der damaligen Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein (heute DRV Nord) festgelegt. Das Land stellt bis zu fünf Lehrkräfte für die Schule Satteldüne bereit. Aus organisatorischen Gründen sind diese Stellen der Amrumer Grund- und Gemeinschaftsschule zugewiesen und werden von dort an die Klinikschule abgeordnet.

    Organisatorisch und räumlich bestehen zwischen beiden Schulen nur wenige Überschneidungen, obwohl ein respektvolles Nebeneinander gepflegt wird.

    Die Fachklinik Satteldüne ist Trägerin der Dünenschule und somit für Unterhaltung des Schulgebäudes verantwortlich. Sie trägt darüber hinaus die Gehälter der Lehrkräfte. Dieser nicht unerhebliche Betrag muss aus dem Gesamtbudget der Klinik erwirtschaftet werden. Die Disziplinaraufsicht über die in der Regel verbeamteten Lehrkräfte obliegt ebenfalls der Klinik.
    Ziel des Unterrichts ist ein wissenserhaltender Stütz- und Förderunterricht, der den schulpflichtigen Patientinnen und Patienten einen möglichst reibungslosen Wiedereinstieg in den heimischen Schulunterricht ermöglicht. Die Qualität des Unterrichts wird durch jährliche Evaluationen durch die jeweiligen Heimatschulen überprüft.
    Hans-Peter Traulsen

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