
Der Sommer naht und die emsigen Strandsammler stehen in den Startlöchern. Der breite Kniepsand ist dabei ein kleines Paradies an hübschen Muscheln und Schnecken, wie der Herzmuschel, der Wellhornschnecke oder der Echten Wendeltreppe. Doch aufmerksame Spaziergänger stoßen zunehmend auch auf exotische Neuzugänge. Neu mit von der Partie ist eine etwa vier bis sechs Zentimeter große Muschel mit besonders ästhetischem Zackenmuster: die Manila-Teppichmuschel.
Manila – das ist was für Geographie-Fortgeschrittene – ist die Hauptstadt der Philippinen, gelegen am Pazifischen Ozean, und somit über 10.000 km Luftlinie weit entfernt. Und sowas liegt nun auch auf unserer kleinen Nordsee-Insel?

Die neue Teppichmuschel ist nicht der einzige Immigrant im Wattenmeer. Die meisten ihrer Vorgänger kamen aus dem amerikanischen Teil des Pazifik, doch nehmen wir sie heute kaum noch als Exoten wahr. Da ist beispielsweise die Bohrmuschel (wegen ihrer charakteristischen Schalenform auch Engelsflügel genannt), die bereits 1890 die Nordsee erreichte. In den Dreißigerjahren gesellte sich die Pantoffelschnecke dazu, in den Siebzigern schließlich die Schwertmuschel. Die massigen und vor allem scharfkantigen Schalen der Pazifischen Auster haben wir seit Anfang der 2000er Jahren zahlreich im Watt – zur “Freude” aller Wattwanderer zwischen Amrum und Föhr. Während letztere seit 1985 gezielt vor Sylt zum Verzehr kultiviert wird und sich selbstverständlich nicht an die Grenzen ihrer Drahtkörbe hielt, kamen die anderen Neuzugänge – wie sollte es anders sein – per Schiff. Häufig werden die Larven unbeabsichtigt im Ballastwasser großer Containerschiffe mittransportiert, teilweise hielten sie sich an Zuchtaustern fest und überquerten so als blinde Passagiere die Ozeane. Und so haben wir jetzt den Meeresfrüchtesalat.

Denn: in der sich immer schneller erwärmenden Nordsee fühlen die Einwanderer sich pudelwohl. In den letzten 60 Jahren stieg die Durchschnittstemperatur der Nordsee um fast 2 Grad – das ist mehr, als es in vielen anderen Küstengebieten der Fall ist.
Und so wird auch die Manila-Teppichmuschel sich hier niederlassen. Nachdem sie in den 1970er Jahren erstmals europäischen Boden erreichte, indem sie gezielt als “Kulturmuschel” nach England und Frankreich verbracht wurde, kam sie Anfang der 2000er Jahre in die Niederlande. Seit 2016 finden wir sie im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer.

Eine Beeinträchtigung der heimischen Ökosysteme konnte bislang glücklicherweise nicht nachgewiesen werden. Unsere Seevögel scheinen die Art sogar gerne als Futter zu nutzen. Dennoch breitet sich die neue Art schnell aus, verdrängt zuweilen bereits die heimische Getupfte Teppichmuschel und sollte somit im Auge behalten werden. Daher die Bitte: Wenn Sie die fein geriffelten Schalen mit den verschiedenartigen Mustern finden, melden Sie diese bitte unter www.BeachExplorer.org. Ihre Meldungen tragen dazu bei, die Verbreitung der Manila-Muschel besser zu erforschen.