AMRUM 1799 – klingt wie ein neues Computerspiel. Computer spielten im Jahre 1799 auf Amrum allerdings noch keine Rolle. Trotzdem war dieses Jahr ein ganz besonderes mit weitreichenden Folgen für die ganze Insel. Amrum gehörte damals zum Königreich Dänemark, das eine großräumige Flurbereinigung durchführte. Dieser Vorgang ist den alten Amrumern heute noch als ‘lunamleien’ bekannt.
Anders als in Preußen galt in Dänemark das ‘Realerbteilungsrecht’ mit der Bedeutung, dass Ländereien zu gleichen Teilen an die Kinder vererbt wurden. So entstanden im Laufe der Generationen immer kleinere Schläge, die schließlich nicht mehr sinnvoll zu bewirtschaften waren. In Holstein wurde diese Zersplitterung weitgehend vermieden, da der Bauernhof in der Regel an den ältesten Sohn (den ‘Anerben’) weiter gegeben wurde. Die Karte zeigt winzige, sogenannte ‘Handtuchfluren’ im ‘Anlun’ bei Norddorf, von den Vermessern als ‘And Land’ bezeichnet.
Gleichzeitig wurde auch die Allmende, das Gemeinschaftsland aufgeteilt. Zuvor hatten alle Gemeindemitglieder hieran ein Nutzungsrecht (eine ‘Hufe’), das vom ‘büürfööges’, dem Bauernvogt verwaltet wurde. Die gemeinschaftliche Bewirtschaftung dieses Gemeinschaftslandes wurde aufgegeben. In Nordfriesland gibt es diese Nutzungsform heute nur noch auf der Hallig Gröde.
Im Rahmen dieser Flurbereinigung wurde auch erstmalig ein Kataster der bewohnten Häuser erstellt. Bereits 1683 gab es eine Landvermessung, jedoch wurde seinerzeit keine Karte erstellt. Es wurde lediglich festgestellt, in welchem Flurstück welcher Eigentümer Ländereien von welcher Größe und Qualität besaß. Auf Grund dieser Angaben konnte dann die Steuerlast bestimmt werden. Die Ergebnisse wurden in den ‘Markbögern’ des Königs Christian V. festgehalten.
Nach 1683 wurden die Besitzveränderungen durch Verkäufe oder Verpfändungen in den ‘Skøde- og Panteprotokoller’ (Schuld- und Pfandprotokollen) dokumentiert. Seit 1762 wurden auch die Erbteilungen in den ‘Skifteprotokoller’ (Teilungsprotokollen) festgehalten. So konnte die Flurbereinigung 1799 auf rechtssicherer Grundlage durchgeführt werden. Es entstand somit das erste ‘Grundbuch’ der Insel Amrum.
Laut den Flurbereinigungsakten gab es im Jahre 1799 auf Amrum 150 Häuser, von denen heute nur noch wenige stehen. Meist entstand an gleicher Stelle ein neues Haus, manchmal aber auch an anderer Stelle, daher ist die Zuordnung der 150 fortlaufenden Hausnummern von 1799 zu den heutigen Bezeichnungen mit Straßennamen und Hausnummern nicht immer ganz sicher.
In Steenodde stand 1799 genau ein Haus, das viele Jahre als Gasthaus ‘Lustiger Seehund’ bekannt war, und Wittdün war zu jener Zeit noch völlig unbewohnt. Die Dünenlandschaft dort konnte landwirtschaftlich nicht genutzt werden, so dass Wittdün sich nicht als Wohnort eignete. Dort wurde nur Dünengras geschlagen zum Herstellen von ‘Reepen’, die zur Befestigung des Reets auf den Hausdächern benötigt wurden. Und es wurden dort auch Fallen für Kaninchen aufgestellt, die zu jener Zeit sicher eine wichtige Ergänzung des Nahrungsangebots darstellten. Ebenso fehlen die heutigen Siedlungen Großdün und Westerheide.
Seither hat die Insel große Veränderungen durchgemacht. Nach mehreren Kriegen gehört Amrum heute zu Deutschland, und die Lebensgrundlage hat sich von Landwirtschaft, Fischerei und Seefahrt zum heute alles bestimmenden Fremdenverkehr gewandelt. Trotz aller Veränderung befinden sich zwei der Häuser von 1799 aber heute immer noch im Familienbesitz: Haus Nr. 56 in Nebel (oben) und Haus Nr. 99 in Süddorf (links).
Jens Jessen für Amrum-News
Zur Person: Jens Jessen, geb. 1959 war Realschullehrer an der ‚Öömrang Skuul‘ und beschäftigt sich im Ruhestand mit unbekannten oder vergessenen Quellen zur Amrumer Lokalgeschichte. Im ‚Öömrang Hüs‘ in Nebel betreut er das ‚Öömrang Archiif‘.