Vormittags am 20. Mai 2010 kamen eine Gruppe Menschen zu einer Lesung zum „Haus des Gastes“ in Nebel.
Doch statt wie normalerweise hinein zu gehen, gingen alle um das Haus herum. Dort startete Krischan Koch, Filmkritiker, Journalist und Autor, eine Lesung unter freiem Himmel. Nachdem der Hamburger, der ca. 3 Monate im Jahr auf Amrum verbringt, letztes Jahr noch im Veranstaltungsraum aus seinem Erstlingswerk „Flucht übers Watt“ vorgelesen hatte, hatte er sich für dieses Jahr etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Er las verschiedene Passagen aus seinem Roman an den Originalschauplätzen vor und dafür hatten die mehr als 30 Teilnehmer ihre Fahrräder mitgebracht. Bei strahlendem Sonnenschein und dem Wattenmeer als Kulisse gab Krischan Koch vorab eine kleine Einführung zu seiner Hauptfigur Harry Oldenburg. In seinem Kriminalroman ist nicht wie gewöhnlich der Kommissar der Held sondern der Verbrecher.
Dieser, ein gescheiterter Kunststudent und inzwischen Galerist in New York und ein sehr begabter Kunstdieb, kommt mit seiner Frau nach 18 Jahren an den Ort seines ersten Verbrechens zurück: die Nordseeinsel Amrum. Er erinnert sich dabei in Abschnitten, was damals alles vorgefallen und vor allem schief gelaufen ist: der Einbruch in das Nolde-Museum in Seebüll und die Entwendung von vier Bildern, die Idee erst einmal auf Amrum unterzutauchen, die vielen Verfolger, die z.T. unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen, sowie letztendlich seine Flucht übers Watt. Bei seiner Rückkehr ist er nicht nur seinen Erinnerungen auf der Spur sondern auch einem Gemälde, dass er bei seiner überstürzten Flucht damals zurücklassen musste. Krischan Koch trotzte mit seiner Stimme dem recht starken Wind und die Zuhörer lauschten gespannt und es gab jede Menge Lacher. Die Geschichte bekam durch ihn als Vorleser noch einmal eine ganz neue Dimension, da er jedem einzelnen Charakter wie der Putzfrau Quarg, dem Polizisten Hark oder Anke alias Wilma eine ganz eigene Stimme gab, nicht zu vergessen den amerikanischen Akzent von Harrys Frau. Die Personen aus dem Buch sind alle frei erfunden und trotzdem gibt es bei Nordfrieslandkennern einen hohen Wiedererkennungswert durch die z.T. kabarettistische Darstellung der Menschen hier im Norden. Auf dem Landwirtschaftsweg mit Blick auf Teehaus „Borg“ las er den Abschnitt über die Verfolgungsjagd durch die Polizei und nachdem die Teilnehmer den Weg von Nebel bis dorthin gegen den Wind fahren mussten, konnten sie sich den erschöpften Harry noch besser vorstellen. Mit Blick auf Strand und Meer von der Aussichtsdüne in Norddorf erfuhren sie dann von der abenteuerlichen Überfahrt von Sylt nach Amrum mit dem Kutter von Harrys ehemaligem Kommilitonen „Kieso“. Dieser geht bei dem schweren Sturm über Bord und Harry selber kann sich so gerade eben an den Strand retten. Die letzte Passage, gelesen vor dem Hotel Hüttmann, beschreibt die sommerliche Atmosphäre in Norddorf während des Aufenthaltes von Harry Oldenburg und seiner Frau. Und bestimmt konnten der eine oder andere Ähnlichkeiten mit dem realen Sommerinselleben entdecken. Krischan Koch wird dieses Jahr im Juli in der Buchhandlung Quedens noch eine „normale“ Lesung geben und außerdem die Lese-Fahrradtour voraussichtlich im August wiederholen. Viel Spannender aber noch als diese Vorankündigungen ist die Mitteilung, dass der nächste Krimi mit Harry Oldenburg demnächst erscheint und dieses Mal in Venedig spielen wird.
Verantwortlich für diesen Artikel: Katrinna Reichel