In den Kniepsanddünen nördlich des Nebeler Strandes stand die originelle “Strandgutburg” von Otfried Schwarz, genannt “Panscho”. Winterliche Sturmfluten haben den Dünenkomplex mit der “Burg” angegriffen und abgebaut, so dass nur noch einige Reste zu sehen sind. Über Jahrzehnte war dieses originelle Gebilde eine Attraktion auf dem Nebeler Strand, von vorbeiwandernden Inselgäste bestaunt und fotografiert. Und manche Party fand in den zusammengebastelten und verwinkelten Räumlichkeiten statt. Und wenn ein Fernsehfilm über Amrum gedreht wurde, wurden die “Panscho-Burg” und ihr Burgherr selten vergessen. Sie diente sogar als Ausstellungsstück im Hof des renommierten Altonaer Museums in Hamburg, nachdem der Direktor des Museums höchstselbst auf dieses Strandgut-Gebilde gestoßen war.
Dabei hätte diese Burg nach den Naturschutzgesetzen hier nie und nimmer stehen dürfen. Denn weil es zeitweise Überhand genommen hatte und die zahlreichen, von Kurgästen errichteten Gebilde, vom einfachen Verschlag bis zur “Strandvilla”, das Bild des naturgestalteten Kniepsandes beeinträchtigten und dieser unter Naturschutz gestellt war und zuletzt sogar zum FFH-(Flora-Fauna-Habitat-) Gebiet erklärt wurde, waren jedes Jahr Beamte der Naturschutzbehörden, aber auch Inselgäste unterwegs, um diese Landschaftsverschandelung anzuprangern und die Beseitigung zu verlangen. Dafür sorgten im Winterhalbjahr dann regelmäßig Stürme, die über den Kniepsand fluteten, die Hütten abbrachen und das Material gegen die Küste warfen, wo es versandete oder bei den jährlichen Strandreinigungsaktionen der Kurverwaltungen eingesammelt wurde. Oft hatten auch Dorfkinder ihren Spaß daran, die Buden im Herbst, wenn sie nach Saisonende verlassen waren, in Brand zu stecken. Aber im folgenden Sommer waren die Buden bald wieder da, denn mit Leidenschaft waren die Inselgäste wieder unterwegs, um Strandgut zu finden. Dabei wurden wesentliche menschliche Triebe befriedigt: Die “Jagdleidenschaft” beim Suchen und Finden des Strandgutes, der “Beutetrieb” beim Einsammeln und der “Bau- und Basteltrieb” beim Zusammenbauen des Strandgutes.
Doch irgendwann gewannen die hartnäckigen Kritiker des Strandholzbudenbaues die Oberhand, und die bestehenden Gesetze mussten nun zusehends beachtet werden. Das Budenbauen ging zurück – aber mit einer Ausnahme! Nämlich der “Panscho-Bude”, die inzwischen Kultstatus erlangt hatte und sogar den “Segen von oben” bekam.
Im März 1995 besuchte die Umweltministerin des Landes Schleswig-Holstein, Edda Müller (SPD), nämlich Amrum und besichtigte bei dieser Gelegenheit auch die “Panscho-Burg”. Die Hoffnung einiger Umweltschützer, dass die Ministerin nun ihrer Abscheu Ausdruck gab und den sofortigen Abbruch verfügte, erfüllte sich jedoch nicht. Vielmehr sagte Edda Müller: “Also mir gefällt das Gebilde” und damit wurde das “Gebilde” entgegen den Landesverordnungen über den Zustand des Kniepsandes unter allerhöchsten Schutz gestellt und blieb fortan von Anzeigen und Beseitigungsversuchen verschont. “Panscho” Otfried Schwarz konnte weiterhin den Strand absuchen und seine Funde, von knallroten Gummihandschuhen Marke Dodemannshand über Fischerkugeln und Planken eintragen und seine Burg vergrößern. Zuletzt wurde es aber doch ein bißchen viel und der Unterschied zu einer Mülldeponie war nicht mehr für alle klar erkennbar.
Im übrigen aber blieb das Strandholzbudenbauen verboten und es erledigte sich dann beinahe von selbst, als durch Umstellungen im Schifffrachtverkehr (Container) fast nichts mehr am Strande zu finden war, um damit etwas zu bauen. Einige behalfen sich dann noch damit, dass sie vor Urlaubsende ihre Gebilde abbauten und an Ort und Stelle unter genauester Einpeilung des Standortes verbuddelten, um es bei der nächstjährigen Wiederkehr wieder auszugraben. Andere ließen sich “Baumaterial” aus dem Bauschutt der Insel zum Kniepsande fahren und stellten sich damit außerhalb der Toleranz. Denn in gewisser Weise trug das Einsammeln von Strandgut ja auch zur Sauberkeit des Inselstrandes bei! Diese Aufgabe erfüllte auch die “Panscho”-Burg, und Aufbau und Gestaltung von Künstlerhand verfehlten ihre originelle Wirkung nicht. Aber dann packte den Blanken Hans über die jahrzehntelange Entwendung seines Strandgutes doch die Wut. Und er sandte nach Jahren geduldiger Ruhe und Aufbau der Düne einige Sturmfluten, um seine Leihgaben zurückzuholen. Heute sind nur noch Reste vorhanden, und “Panscho” ist alt geworden und wird auf einen Neuaufbau verzichten. Dazu ist – wie gesagt – auch das Material am rein gewordenen Strand nicht mehr vorhanden. “Panscho” Otfried Schwarz ist eigentlich Berliner, wo er im Winter wohnt. Geboren ist er aber 1942 in Tilsit, wo sein Vater, Dr.Werner Schwarz, Musikerzieher und Wissenschaftler war. Im Gefolge des 2. Weltkrieges kam die Familie dann über Niebüll, Detmold und Kiel 1965 nach Amrum, wo in Nebel-Norderende ein Haus gebaut werden konnte. Otfried, der schon früh durch künstlerische Begabung aufgefallen war, studierte ab 1961 in Kiel, ab 1963 in Berlin, und lebte zwischen Großstadtunruhe und Inselstille hin und her. In Berlin ist “Panscho” durch seine naturgetreuen großflächigen Fassadengemälde bekannt, auf Amrum durch seine farbenfrohen Gemälde, die in etlichen Häusern und auf wechselnden Ausstellungen zu bewundern sind.
Georg Quedens