Kegelrobben auf Amrum – Abstand halten!


Der kegelförmige Kopf ist bei diesem Jungtier im Profil schon klar zu erkennen. So niedlich es mit seinem Babyfell auch aussieht, es gilt größtmöglichen Abstand zu halten.

Seehunde sind auf Amrum ein gewohnter Anblick. Die kleinen Säuger mit den großen Augen kommen das ganze Jahr über auf den Kniep, um sich auszuruhen. Weniger bekannt ist ihr großer Vetter, die Kegelrobbe. Sie war in Folge von Jagd lange Zeit kaum noch an der deutschen Küste zu finden. Ab etwa 1920 wurde das größte deutsche Raubtier hier zu Lande gar nicht mehr gesehen. Bis sich die ersten kleinen Kegelrobbenkolonien wieder im Wattenmeer etablierten vergingen gut 60 Jahre. Heute wird die Kegelrobbe nicht mehr gejagt. Sie gilt immer noch als stark gefährdet und ist nach Bundesnaturschutzgesetz eine streng geschützte Art.

Um sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Überblick über den Kegelrobbenbestand im Wattenmeer zu verschaffen, finden zwei mal jährlich Erfassungsflüge zu Zeiten der Lebensphasen statt, zu denen sich die Tiere an Land aufhalten und so aus der Luft gut zählbar sind. Gezählt werden demnach im Winter die sich an Land aufhaltenden Jungtiere und einige Monate später auch die erwachsenen Tiere, die während des Fellwechsels mehr Zeit an Land verbringen. Dank der Erfassungsflüge weiß man, dass sich der Kegelrobbenbestand im Wattenmeer erholt. Im letzten Zähljahr, Winter 2018/19, konnte die Trilaterale Seal Expert Group (SEG) des Gemeinsamen Wattenmeer-Sekretariats (CWSS) im dänisch-niederländisch-deutschen Wattenmeer und Helgoland wieder etwas mehr als 6.500 Tiere erfassen. Rein im schleswig-holsteinischen Wattenmeer wurden 155 Tiere gezählt.  Im Vergleich, Seehunde wurden 2019 über 27.700 Tiere im dänisch-niederländisch-deutschen Wattenmeer und Helgoland erfasst. Über 8.700 Tiere davon im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Das sind mehr Seehunde allein im schleswig-holsteinischen Wattenmeer als Kegelrobben im gesamten Wattenmeer.

Ist die Bahn frei, kommt die Kegelrobbenmutter an Land, um ihr Jungtier zu säugen. Dabei ist sie stets wachsam.

Jetzt, in den Wintermonaten, ist die Geburtenzeit der Kegelrobbenjungtiere. Auf Amrum gab es im vergangenen Winter eine Kegelrobbengeburt. Die Jungtiere kommen mit einem weißen, flauschigen Embryonalfell zur Welt. Erst nach ein paar Wochen, wenn das Haarkleid gewechselt und eine Speckschicht angefressen ist, suchen sie mehr und mehr das Wasser auf. Solange ein Jungtier noch das Embryonalfell trägt, kommt das Muttertier zum Säugen an Land. Damit das Muttertier ungestört zum Jungtier gelangt und es mit der lebensnotwendigen Milch versorgen kann, ist es wichtig, dass der Mensch den größtmöglichen Abstand zum Jungtier hält und sich möglichst auch nicht zwischen Wasserkannte und Jungtier aufhält. Die Muttertiere beobachten vom Wasser aus das menschliche Treiben in der Umgebung ihres Jungtieres. Erst wenn sie sich sicher fühlen, kommen sie an Land. Sehen die Muttertiere jedoch eine Bedrohung für das Jungtier ist ein Angriffsverhalten möglich.

Dabei kommen an die 200 kg Kampfgewicht erstaunlich schnell aus dem Wasser geschnellt, um das Jungtier zu verteidigen.

Während das Kegelrobbenjungtier noch döst, beobachtet die Mutter die Situation aus dem Wasser und wartet auf einen ruhigen Moment, um ihr Jungtier säugen zu können. Kein Mensch sollte hier zwischen Jungtier und Wasserkante entlang gehen.

Was für das Kegelrobbenjungtier gilt, gilt auch für den Seehund: Abstand halten! Seehunde suchen den Amrumer Kniep ganzjährig auf, um sich an Land auszuruhen. Menschen, die sich dem Tier nähern, sind für das Tier Energiekiller. Wer Kegelrobben und Seehunde beobachten möchte, macht dies am besten aus Entfernung mithilfe eines Fernglases. So lässt sich auch das natürliche Verhalten der Tiere besser studieren. Eine Kegelrobbe ist dabei nicht immer so einfach von einem Seehund zu unterscheiden. Mit Kegelrobbenbullen um die 300 kg Körpergewicht und über 2 Meter Länge, sind Kegelrobben aber wesentlich größer als Seehunde. Auch fallen Kegelrobben mit ihrer markanten Kopfform völlig aus dem Kindchenschema des Seehundes. Der wissenschaftliche Name der Kegelrobbe Halichoerus grypus beschreibt das Äußere des Tieres als ‘hakennasiges Schwein des Meeres’. Weniger ausgeprägt ist die markante Kopfform noch bei den Jungtieren. Ein trockener, leicht eingesandeter Seehund kann auch schon mal Ähnlichkeit mit einem Kegelrobbenjungtier im Embryonalfell haben.

Das Naturzentrum Amrum hofft auch dieses Jahr wieder auf mindestens ein Kegelrobbenjungtier, damit sich der Bestand weiter erholt. Jeden Tag führen die Mitarbeiter der Naturschutzverbände auf Amrum zusammen mit den Seehundjägern Kontrollgänge am Strand durch, um nach Kegelrobbenjungtieren Ausschau zu halten und gegebenenfalls Spaziergänger über die Tiere aufzuklären und großflächig umzuleiten. Wer meint, ein Kegelrobbenjungtier durch sein Fernglas erspäht zu haben, darf sich zunächst einmal über diese noch eher seltene Beobachtung auf Amrum freuen. In einem weiteren Schritt sollten die Seehundjäger oder einer der Naturschutzverbände informiert werden.

 

Seehundbeauftragte Tel.:

0160 91820419,

0171 6935849,

0171 3640029

Naturzentrum Amrum Tel.:  04682 1635

Schutzstation Wattenmeer Tel.:   04682 2718

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Über Lotte von Komorski

Lotte von Komorski wurde 1988 in Heidelberg geboren und wuchs später in der Lüneburger Heide auf. Nach dem Bachelorstudium der Forstwirtschaft in Göttingen absolvierte sie noch ihren Master in Wildtierökologie und Wildtiermanagement in Wien. Nach vielen praktischen Erfahrungen in der Wildtierforschung und ersten Berufserfahrungen in der Naturschutzarbeit in Osteuropa zog es sie Ende 2018 aus Frankfurt am Main nach Amrum, um hier das Naturzentrum zu leiten.

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