Horizontal-Spülbohrungen auf Amrum …


Seltsamen Gerät im Einsatz

In den letzten Wochen waren seltsame Geräte auf Amrum, hier insbesondere im Bereich Süddorf und Nebel, zu bestaunen. Es handelte sich hierbei um eine sog. Horizontalspülbohranlage, die es ermöglicht Rohrleitungen unterirdisch und umweltschonend zu verlegen ohne einen Graben ausheben zu müssen.

Im Auftrag der Schleswig-Holstein Netz AG verlegt die Fa. ABE Nord Energietechnik GmbH aus Leck Leerrohre für neue Hochspannungsleitungen. Hierzu wird ein unterirdischer Kanal gebohrt, in dem dann die Rohrleitungen eingezogen werden. Am Anfang sowie am Ende der Trasse wird eine Grube ausgehoben, die Horizontalspülbohranlage treibt dann einen Bohrkopf mit einem flexiblen Gestänge im Rahmen eine Pilotbohrung in Richtung Zielgrube.

Vortrieb der Pilotbohrung

Der steuerbare Bohrkopf ist seitlich pflugartig abgeflacht und mit einem digitalen Sender ausgestattet, der mittels eines transportablen Empfängers eine zentimetergenaue Feststellung der dreidimensionalen Position von Richtung, Neigung und Winkel des Bohrkopfes ermöglicht. Richtungsänderungen der Bohrung nach unten, oben, links und rechts können durchgeführt werden. Durch das Bohrgestänge wird eine BentonitBohrspülung (Bentonit = Mischung aus verschiedenen, natürlichen Tonmineralien) zum Bohrkopf gepumpt, wo sie austritt und das Bohrklein durch einen Ringraum ausspült. Sind die Baugrundbedingungen schlecht, kann auch ein dynamisches Schlagwerk zugeschaltet werden.

Einzug der Leerrohre in der Zielgrube, am Grubenrand der Pilotbohrkopf

Hat der Bohrkopf die Zielgrube erreicht, wird er gegen einen sog. Räumer ausgetauscht. Dieser hat einen größeren Durchmesser als der Bohrkopf und weitet beim Zurückziehen die Pilotbohrung auf und verdichtet zugleich die Bohrungswände. An den Räumer werden die zu verlegenden Rohre angehängt und in den Bohrkanal eingezogen. Im Falle der Neuverlegung für die Starkstromleitungen werden drei hierfür geeignete Kunststoff-Leerrohre angelegt, sowie ein weiteres, kleineres Rohr für eventuelle spätere Leitungen wie z. B. Breitbandkabel.

Mit diesem Verfahren können je nach Geländebeschaffenheit mehrere hundert Meter weit gebohrt werden, bei idealen Verhältnissen (ebenes Gelände, lockere Böden)  werden auch kilometerweite Strecken zurückgelegt. Die in einem Stück zurückgelegte Bohrstecke in Nebel zwischen Mühle und Abzweig Waasterstigh/Strunwai betrug 210 Meter. Orientiert hat man sich hierbei an der Kanalisation und den verlegten Strom-, Kommunikations- und Gasleitungen. Der zentimetergenaue Verlauf der Bohrungen und Kabelrohreinzüge wird elektronisch vermessen und dokumentiert, hierzu dienen als Messpunkte wasserlösliche farbige Markierungen an der Oberfläche.

Vermessen und Dokumentation des Bohrkanals

Nach Auskunft der Facharbeiter der Fa. ABE Nord Energietechnik beträgt der Anschaffungspreis der Spülbohranlage rund 450.000 €, das gesamte von der Firma nach Amrum verbrachte Equipment (Bohranlage, Spülflüssigkeit, Fahrzeuge und Kabelrohre) hat einen Wert von weit über 1 Million €, die Fährkosten betragen rund 4000 €!

In Norddorf sind bereits vor 2 Jahren  Leerrohre für die Starkstromkabel verlegt worden, in Nebel werden die Arbeiten im Sommer weitergeführt, in Wittdün zu einem späteren Zeitpunkt. Es werden immer drei 20 kV-Leitungen parallel verlegt um bei einer möglichen Störung in einer Phase Stromausfälle vermeiden zu können. Eine Neuverlegung von Starkstromleitungen ist deshalb nötig, da die 50 Jahre alten Leitungen streckenweise durch Pflanzenbewuchs und Wurzeldruck defektanfällig geworden sind.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Amrum eine Stromversorgung bekommen. 1907 hat Wittdün nach dem Bau einer „Elektrischen Centrale“ die Errichtung einer elektrischen Beleuchtung der Oberen Wandelbahn mit einem „Lichtfest“ gefeiert. 1923 wurde eine Windturbine („erneuerbare Energie“!) zur Stromerzeugung in Nebel gebaut, die bis 1943 in Betrieb war. Auch Dieselaggregate wurden zur Stromerzeugung eingesetzt. 1942 wurde die erste Starkstromleitung (20 kV-Kabel) von Dagebüll nach Föhr verlegt, 1944 kam dann das Seekabel von Utersum an die Nordspitze von Amrum.

Strommasten Norddorfer Marsch Anfang 60er Jahre

Von hieraus wurde der Strom „über Land“ an Strommasten durch die Marsch nach Nprddorf und weiter über Nebel und Süddorf nach Wittdün geleitet. 1949 wurde ein zweites Kabel nach Amrum verlegt. Steenodde bekam erst 1951 einen Stromanschluss. 1971 wurde dann die dritte Starkstromleitung verlegt, der Grund hierfür war der Bau des beheizbaren Meerwasserschwimmbades in Norddorf, welches einen enormen Strombedarf hatte. 1972 wurden die Starkstromleitungen als wachspapierummantelte Erdkabel verlegt, die nun, nach 50 Jahren, erneuert werden. Der Abbau der Strommasten erfolgte ab den 80iger Jahren, bis 1994 standen noch einige Masten in der Feldmarsch zwischen Norddorf und Nebel.

 

Anm. des Verfassers:

Vielen Dank an die Facharbeiter der Fa. ABE Nord Energietechnik GmbH sowie den Amrumer Elektroinstallateuren der Schleswig-Holstein Netz AG, die mir geduldig Auskunft gegeben haben und mir die Bilder ermöglichten. Wer mehr über die Geschichte der Stromversorgung auf der Insel Amrum erfahren möchte, sei auf die Berichte von Georg Quedens „Schleswag baute weitere Freileitung ab“ (Amrum Jahres-Chronik 1991, S. 59) und „Eine Insel unter Strom“ (Amrum-Jahreschronik 1994, S.156) verwiesen.

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Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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