Paraffinfunde am Strand …


Paraffinklumpen am Strand …

Die letzten Tage waren stürmisch. Mit bis zu 80 km/h fegte der Wind aus westlicher Richtung über die Insel. Gute Bedingungen für spannende Strandfunde.

Allerdings ist nicht nur schönes dabei: Neben Muscheln, Schnecken und Treibholz bringen die Winde auch einiges an Müll an den Strand. Während die neonfarbenen Plastikschnüre der Fischernetze, genannt “Dolly Ropes”, leicht als Abfall zu identifizieren sind, fällt die Zuordnung anderer Müllteile schwerer. Besonders hervorzuheben sind die bis zu handtellergroßen weißlich-gelben Klumpen, die derzeit zu Tausenden über den gesamten Strand von Nord nach Süd verteilt liegen. So manchen Kenner erinnern die Teile vielleicht an die Eiballen der Wellhornschnecke. Doch schnell fällt auf: die Klumpen haben eine wachsartige Konsistenz und wiegen weit mehr als die federleichten Schneckeneier.

Es handelt sich hierbei um Paraffin – eine chemische Substanz, die vor allem von der Kerzenherstellung bekannt ist. Allerdings sind die Anwendungsbereiche weitaus vielfältiger: Paraffinwachs wird bei der Produktion von Kosmetika verwendet, aber auch für Isolierungen, Imprägnierungen oder als Zusatz bei Gummiprodukten genutzt. Doch warum liegen so große Mengen davon am Strand, statt in den genannten Produkten verarbeitet zu sein?

Der Grund dafür sind nicht etwa havarierte Frachtschiffe, sondern Tankwaschungen, die zum Teil auf offener See vorgenommen werden. Das Paraffin wird als Rohstoff in riesigen Behältern übers Meer transportiert. Der größte Teil der Ladung wird natürlich im Zielhafen entleert. Jedoch war es zumindest bis 2020 erlaubt, kleine Restmengen, die sich in den Tanks befanden, auf offener See nachzuspülen. Angesichts der großen Mengen an gestrandeten Resten wurde diese Vorschrift im Januar 2021 verschärft, sodass der Prozess seitdem in der Nordsee verboten ist.

Aus der Ferne leicht zu verwechseln: der Eiballen der Wellhornschnecke und ein Paraffin Klumpen

Drei Jahre sind seither ins Land gegangen – und warum finden sich dann immer noch so große Mengen der ungeliebten Substanz an unseren schönen Stränden? Dem ist auch eine Studie im Auftrag der Nationalparkverwaltung aus dem Juni 2022 auf den Grund gegangen. Ergebnis: Eine Abnahme der Paraffinfunde konnte nicht beobachtet werden. Ob dafür legale Tankwaschungen auf Gewässern außerhalb der Nordsee ursächlich sind, oder illegale Emissionen, konnte bislang nicht herausgefunden werden.

Wichtig für Gäste und Einheimische ist: Paraffin ist in seiner reinen Form nicht gefährlich. Allerdings handelt es sich bei den angespülten Resten um Industrie-Paraffine, die mit diversen anderen Bestandteilen verunreinigt sind. Diese können Haut, Augen und Atemwege reizen oder sogar krebserregend sein.

Doch während wir Menschen uns problemlos vor möglichen Gefährdungen schützen können, ist den Tieren dieses Glück nicht beschieden. Vor allem Seevögel verwechseln die kleinen Brocken mit ihrer Nahrung, was u.a. zu Verstopfungen im Magen-Darm-Trakt führen kann. Auch Verklebungen des Gefieders sind denkbar.

Fundstücke …

Das ist ärgerlich – doch was können wir dagegen tun? Eine Maßnahme wäre, Produkte mit Paraffinbestandteilen im täglichen Leben zu reduzieren. Es gibt nicht nur ökologische Alternativen zu den üblichen Paraffinkerzen, auch Naturkosmetik benutzt für ihre Hautpflegeprodukte pflanzliche Fette und Öle, wie Olivenöl, Shea- oder Kakaobutter. Werfen Sie beim nächsten Kauf mal einen Blick auf die Inhaltsstoffe auf der Verpackung: Auch Bezeichnungen wie Petroleum, Petrolatum, Ceresin oder Vaseline weisen auf Paraffin aus Erdölbestandteilen hin.

Selbstverständlich freuen Naturschutzvereine und Gemeinden sich auch darüber, wenn aufmerksame Spaziergänger bei der Müllbeseitigung am Strand helfen. Allerdings wird dringend darum gebeten, beim Sammeln Handschuhe zu tragen und nicht mit Mund und Nase in Berührung zu kommen.

Sollten Sie auffallend große Mengen an Paraffin finden, informieren Sie bitte die örtlichen Naturschutzvereine oder die Gefahrenabwehr des LKN Schleswig Holstein (04841/898411).

Nina Löschner für Amrum-News

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Über Nina Löschner

Nina Löschner kam 1989 kurz vor dem Mauerfall in Ost-Berlin zur Welt. Aufgewachsen auf dem Brandenburger Land zog es sie nach der Schule zurück in die Hauptstadt. In Berlin studierte sie Kunstgeschichte und Englisch, arbeite anschließend im Projektmanagement eines Auktionshauses und schließlich sieben Jahre lang als Redakteurin für Funk und Fernsehen. 2022 nahm sie sich eine berufliche Auszeit und absolvierte einen Freiwilligendienst im Naturschutz auf Amrum. Doch die Insel ließ sie nicht mehr los - und so brach sie alle Zelte in der Hauptstadt ab. Heute arbeitet Nina als Leiterin der Schutzstation Wattenmeer in Wittdün.

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