Mystische Orte auf Amrum 06 – Das Deichbaudenkmal (54°37´46´´ N  /  8°22´59´´ O) …


Geht man vom Seezeichenhafen aus entlang der Promenade an der Wittdüner Bucht in Richtung Fähranleger, so kommt man nach ca. 200 m an einem auf der rechten Seite des Deiches stehenden aus Feldsteinen gemauerten Gebilde vorbei, dessen Sinn und Zweck sich dem Betrachter nicht so richtig erschließen mag und so unweigerlich an einen mystischen Hintergrund denken lässt. Tatsächlich handelt es sich um ein Denkmal. Aber woran soll dieses Gebilde erinnern? Außer „ICH“ und „DIEN“ und zwei Jahreszahlen („1933“ und „1935“) sind keine Inschriften, Hinweistafeln oder Ornamente an diesem steinernen Etwas zu erkennen.

Das Deichbaudenkmal an der Wittdüner Bucht zwischen Seezeichenhafen und Fähranleger

Es handelt sich um das „Deichbaudenkmal“ von 1935. Errichtet wurde es anlässlich der Eindeichung der Marsch zwischen Wittdün und Steenodde. Entsprechend der damaligen nationalsozialistischen Zeit wurde es bei der Erbauung mit entsprechenden Symbolen und Schriften versehen, die aber nach Ende des 2. Weltkriegs entfernt wurden. Die Errichtung dieses Deiches, sowie auch die Eindeichung der Marschenwiesen von Norddorf, wurden von freiwilligen Arbeitsleistenden des „Reichsarbeitsdienstes“ (RAD) vorgenommen. Hierzu wurden im  Sommer 1935 für das Projekt in Wittdün 160 RAD-Männer im „Landhaus“ (heute eine schick hergerichtetes Haus mit mehreren Wohnungen) sowie für Norddorf 216 Arbeiter in einem Barackenlager nördlich der Norddorfer Marsch (heute Landschulheim „Ban Horn“ des ADS Grenzfriedenbund – Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig), untergebracht.

Noch erkennbare Inschriften

Der Arbeitsdienst war ursprüng­lich keine Einrichtung der Nationalsozialisten. Er entstand schon in den 1920er Jahren aus einer studentischen Arbeitslagerbewegung im Gefolge hoher Arbeitslosigkeit nach den Weltkriegs- und Inflationsjahren im Deutschen Reich. Bereits 1932 beschäftigte dieser Arbeitsdienst über 100.000 junge Männer, die keine Arbeit gefunden hatten und die im Dienste der Allgemeinheit bei freier Kost und Logis und für zumeist nur wenige Groschen am Tag v. a. in der Landwirtschaft und an der Nordseeküste für Maßnahmen am Küstenschutz eine freiwillige Arbeitsleistung erbrachten. Da dieser „Dienst am Volke“ der Ideologie der Nationalsozialisten entsprach wurde die Organisation zum  RAD ausgebaut. Das Dritte Reich hat zweifellos viele verbrecherische Organisationen hervorgebracht und es ist absolut verständlich, dass nach Beendigung des 2. Weltkrieges alle nationalsozialistischen Embleme, so auch vom Deichbaudenkmal, entfernt wurden. Man muss jedoch auch erwähnen, dass der Arbeitsdienst von Nazi-Verbrechen unbelastet blieb und, vergleichbar in etwa mit dem heutigen Bundesfreiwilligendienst oder ähnlichen Organisationen, eher im Bereich Wohltätigkeit anzusiedeln war. Ohne die unter großem Kraftaufwand errichteten Deiche zwischen Wittdün und Steenodde bzw. in Norddorf wären die bis 1935 hier befindlichen Marschwiesen weiterhin bei jeder Sturmflut überflutet worden und wären als Salzwiesen für jeden landwirtschaftlichen Zweck unbrauchbar geblieben. So ist es richtig gewesen, nur die Nazi-Symbolik zu entfernen und das eigentliche Baudenkmal in Erinnerung an die große Leistung der Arbeitsdienstler zu bewahren.

Blick auf Seezeichen und Fähranleger

Übrigens waren zu Zeiten des „3. Reichs“ auf Amrum, wie auch auf den anderen nordfriesischen Inseln, die Anzahl absolut überzeugter Nationalsozialisten in der Bevölkerung nicht gerade gering. Es gibt Historiker, die das damit zu erklären versuchen, dass der Nationalsozialismus mit der Glorifizierung der altgermanischen Götter- und Geisteswelt in weiten Bereichen einem „Friesentum“ entsprach. Wer mehr über diese düstere Vergangenheit, die Kriegszeiten und die Nachkriegszeit erfahren möchte, dem sei hierzu der ausführliche Beitrag von Georg Quendens in der „Amrum Chronik 1995“ empfohlen oder auch die aktuelle Lektüre des Romans „Amrum“ von Hark Bohm, der kürzlich ja auch an mehreren Drehorten auf der Insel verfilmt wurde (Ullstein Verlag ISBN 978-3-550-20269-8). Hier ist ein voraussichtlicher Kinostart für Ende September 2025 geplant.

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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One comment

  1. Reiner Binsen

    Eine kleine Korrektur. Der Reichsarbeitsdienst war keineswegs freiwillig. Näheres kann man recherchieren https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsarbeitsdienst

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