Rund 25 interessierte Zuhörer waren ins Haus des Gastes in Nebel gekommen, um den Bildvortrag von Restauratorin Birgit Hölzer über den Maler Karl Heiß zu hören.
Die Vorgeschichte für diesen Vortrag ist sicher etwas ungewöhnlich. Durch einen Auftrag, ein Gemälde zu reinigen das zuvor lange Zeit in einer New Yorker Delikatessküche hing, kam die Restauratoren Birgit Hölzer mit dem Bild eines unbekannten Malers in Berührung. Eines Künstlers, der in den dreißiger Jahren regelmäßig lange Urlaubsaufenthalte auf seiner Wahlheimat, der Nordseeinsel Amrum, verbrachte. Gewohnt hatte Heiß während seines Urlaubs bei einer Gastfamilie in Nebel. Auf Amrum erlernte er die friesische Sprache und malte wunderschöne Bilder mit Dünenmotiven. Dass er Jahre später seine Bilder auch an einen gewissen Adolf Hitler verkaufen würde, ahnte seinerzeit niemand. Nach der ersten Berührung mit diesem Gemälde erweckte ein weiteres kleines Foto eines anderen Gemäldes von Karl Heiß, das er 1940 der Gastfamilie schenkte, das Interesse der Referenten an dem vergessenen Maler Nordfrieslands.
Das Foto war keineswegs ein inseltypisches idyllisches harmloses Friesenhaus, sondern ein ideologische gefärbtes Bild mit dem Titel „Gen England“. Es zeigt die Frau des Malers mit ihren Kindern in den Dünen. In deren Hintergrund befinden sich Kriegsschiffe, die unter Dampf nach England ziehen. Die Neugierde von Birgit Hölzer an Karl Heiß war endgültig geweckt. Nach vielen Recherchen zeigte sich ein eigenwilliges Bild eines Menschen, der privat liebevoll seine Familienmitglieder malte, aber im Gegenzug auch dem damaligen Ungeist des Nationalsozialismus verfallen war und Brauchtum, Trachten und „Nordisches“ unter dem völkischen Aspekt der damaligen Zeit sah.
Gebürtig stammt Karl Heiß aus Franken, wo er nebenberuflich ein angesehener Maler war. Durch familiäre Umstände gelangte er irgendwann und noch lange vor Hitlers Machtergreifung in dessen persönlichen Bekanntenkreis. So ist es wohl auch zu erklären, dass er seine Amrumer Dünenlandschaften und andere Bilder direkt an Hitler verkaufte. Fast alle seine Werke entstanden während seinen Urlaubsaufenthalten auf Amrum. Die Motive waren neben den Dünen auch seine Frau, die er gerne in der Tracht der Tochter der Gastfamilie malte oder Abbildungen anderer befreundeter Personen der Insel.
Obwohl es nach heutigem Kenntnisstand tatsächlich nur ein einziges Bild gab, das im Stil des Nationalsozialismus gemalt war, wählte er im Jahre 1945, als die Amerikaner vor den Toren von Nürnberg standen, den Freitod. Bevor er sich selbst das Leben nahm, brachte er noch seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder um. Die genauen Beweggründe warum er letztlich sich und seiner Familie dieses Ende bereitete, kann heute niemand mehr wirklich nachvollziehen. Bekannt ist jedoch das Karl Heiß letztmals 1940 seinen Urlaub auf Amrum verbrachte. Sicher ist nur, dass er mehrere seiner Bilder direkt an Hitler verkauft haben soll. Obwohl er nie in der offiziellen Liste von Künstlern um Hitler erwähnt wurde, war er doch einer der Maler des Führers gewesen. Seine Werke sind teilweise während des Krieges zerstört worden. Andere Gemälde von Karl Heiß wurden in einem Keller eines fränkischen Museum gefunden. Auch diese Bilder wiesen teilweise starke Beschädigungen auf. Wie Birgit Hölzer jedoch abschließend erklärte sind zwei seiner Bilder in den letzten Jahren restauriert worden. Sie selbst könne sich gut vorstellen dass eine Ausstellung von Heiß Gemälden für viele Leute von Interesse sein könnte. Da jedoch die Eigentumsverhältnisse vieler dieser Gemälde zur Zeit noch nicht vollständig geklärt sind ist eine zeitnahe Ausstellung jedoch eher unwahrscheinlich.
Verantwortlich für diesen Artikel: Andreas Buzalla