Schauspieler Hans-Jürgen Schatz lud zu einer Lesung ins Nebeler Haus des Gastes ein. In diesem Jahr war er mit seinem Kästner-Programm auf Amrum zu Gast. Im letzten Jahr hatte er mit seinem Tucholsky-Abend unter dem Titel „Meine Sorgen möchte ich haben“ an gleicher Stelle eine gelungene Amrum-Premiere gefeiert.
Hans-Jürgen Schatz, 1958 in Berlin geboren, debütierte 1978 mit der Hauptrolle im Spielfilm „Flamme empor“. Seitdem wirkt er in zahlreichen Theaterinszenierungen wie zuletzt in „Der Menschenfeind“ von Molière/Enzensberger sowie in verschiedenen Kino- und Fernsehfilmen mit. Bundesweite Bekanntheit erlangte er u.a. durch seine Rollen als Wilfried Wiegand in dem Spielfilmmehrteiler „Heimat“ sowie als Max Kühn in der ARD-Vorabendserie „Der Fahnder“, in der er acht Jahre mitspielte. Außerdem war Schatz unter anderem auch in der ZDF-Produktion „Salto Postale“ (1993) und „Salto Kommunale“ (1998) an der Seite von Wolfgang Stumph zu sehen. Einen exzellenten Ruf als Rezitator erwarb sich Hans-Jürgen Schatz beispielsweise mit Texten von Erich Kästner, Jean Paul und Thomas Mann. Seine Interpretation von L.F. Baums „Der Zauberer von Oz“ wurde mit dem „Preis der deutschen Schallplattenkritik“, seine Einspielung der musikalischen Erzählung „Peddington Bärs erstes Konzert“ mit dem Deutschen Schallplattenpreis „ECHO Klassik“ ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde Hans-Jürgen Schatz für sein vielfältiges gesellschaftliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.
An diesem Abend präsentierte Schatz dem interessierten Publikum im Haus des Gastes in Nebel sein Kästner-Programm. Es sollte ein gelungener Querschnitt durch die „Gebrauchslyrik“ für Erwachsene werden. Mit seiner Auswahl von Gedichten und Epigrammen zeigte Schatz eindrucksvoll die breite Palette der Kästnerschen Farben auf. Beginnend mit ernsten, autobiografischen Texten zum Ersten Weltkrieg und der aufkommenden Nazi-Zeit führt sie mit Gedichten zum Thema „Mutter“ über Kinder zu den teilweise bissigen Gedichten, die Menschen und Lebensumstände aus Kästners Berliner Jahren humorvoll beschreiben. Besonders betroffen zeigte sich das Publikum von der Aktualität des Gedichts “Primaner in Uniform”. Stille Rührung herrschte im Saal bei den Gedichten zur Mutter-Sohn-Beziehung (“Eine Mutter zieht Bilanz”). Mitten ins Herz trafen die Gedichte über Kinder, die Grausames (“Die Ballade vom Nachahmungstrieb”) und Humorvolles (“Ein Kind, etwas frühreif”) gleichermaßen präsentierten. Als stimmungsvoller Höhepunkt las Schatz zwei Kapitel aus Erich Kästners erstem Roman für Kinder “Emil und die Detektive”, in denen Dutzende von Berliner Jungs einen Taschendieb verfolgen und zur Strecke bringen. Untermalt wurden die Szenen u.a. durch den Einsatz einer Fahrradklingel und einer Hupe. Viele im Publikum verspürten dabei den Wunsch schnellstmöglich noch einmal in das spannende Werk abzutauchen.
Nach der Pause ging es bissig, satirisch und ausgesprochen komisch weiter. Gedichte wie “Ball im Osten: Täglich Strandfest”, “Gemurmel eines Kellners” und “Sogenannte Klassefrauen” sorgten dabei für große Heiterkeit. Mit “Hamlets Geist”, ein betrunkener Bühnendarsteller bringt eine Aufführung durcheinander, ehrte Hans-Jürgen Schatz seinen verstorbenen großen Kollegen Peer Schmidt, Ehrenbürger von Nebel, der selbst häufig mit Kästners Texten auf der Insel zu erleben war. Die Zugabe, der kurze Prosatext “Ein reizender Abend” (die Angst einflößende Dogge der Gastgeber mischt ein Abendessen mit Gästen auf), reizte die Lachmuskeln ganz besonders. Im Anschluss an die Lesung durfte sich Schatz über viel Applaus sowie ein kleines Künstlergeschenk freuen und ein paar sommerliche Tage auf der kleinen Insel mit der großen Freiheit genießen. „Endlich Urlaub“!