Wie sehr haben unsere Bildschirm-Medien Einfluss auf uns und auf die Beziehung zu unseren Kindern? Was für eine Auswirkung haben die Bildschirm-Medien auf die Entwicklung unserer Kinder? Und gibt es mögliche Regeln für den Medienkonsum von Kindern?
Diese Fragen wurden auf einem Vortrag in der Kinderfachklinik Satteldüne gemeinsam mit den weit über dreißig erschienen Interessierten erörtert und diskutiert. Initiiert wurde diese Veranstaltung von den Frühen Hilfen Föhr/Amrum, vertreten durch Birte Rochhausen und der Lebenshilfe Sylt, vertreten durch Gudrun Hausmann in Kooperation mit der Fachklinik Satteldüne. Kinderarzt in der Fachklinik Satteldüne Dr. Olaf Schnabel referierte zu diesem Thema. Birte Rochhausen begrüßte die Besucher im vollen Konferenzsaal der Satteldüne. “Toll, das so viele unserer Einladung gefolgt sind. Zeigt es doch, das die Thematik sehr aktuell und wichtig ist”, so Rochhausen.
Deswegen konnte, wer wollte, sein Handy auch am Eingang auf einem Tisch ablegen, um den Abend “What`s App-frei” beiwohnen zu können.
Wie sehr hat sich in den letzten Jahren unsere Welt und die Gesellschaft in und mit der Medienwelt verändert? Dazu gab es als Einleitung einige klare Fakten.
“Seit 1990 gibt es das Internet, ebenfalls seit den 90er Jahren zunehmend das Handy. Facebook hat seit 2004 bei uns Einzug gehalten. Das iPhone als erstes weiterverbreitetes Smartphone begleitet uns schon seit 2007. WhatsApp gibt es gerade mal seit dem Jahr 2009”, so Dr. Schnabel. “Gleichzeitig hat sich auch die Lesekultur in den letzten 30-40 Jahren in Deutschland verändert, sie sank von 22 auf 18 Minuten täglich. Der TV-Konsum hingegen stieg in den letzten 40 Jahren von 100 auf 220 Minuten täglich an” berichtete Dr. Schnabel.
Um sich den Einfluss des Medienkonsums bewusster zu machen, war die Mitarbeit der Anwesenden an diesem Abend gefragt. Als erstes galt es sich die Vor- und Nachteile als Besitzer eines Smartphones reflektierend zu beantworten. Im Anschluss konnten diese Argumente für und wider im Plenum besprochen und offen diskutiert werden. Die nächste Frage galt den Vor- und Nachteilen des Smartphones aus der Sicht des Kindes, die ebenfalls in gemeinsamer Runde besprochen und diskutiert wurden. Auch der jüngste Besucher, ein junger Amrumer Schüler der mit seinem Vater an dieser Veranstaltung teilnahm, brachte zu diesen Fragen sehr spannende und interessante Antworten, die er professionell im Plenum vorstellte.
Welche Auswirkungen hat nun der Bildschirm-Konsum auf die gesunde Entwicklung eines Kindes?
Die Präsentation von Dr. Schnabel erklärte im Folgenden die biologische Entwicklung eines Kindes nach der Geburt. Mit Milliarden von Nervenfasern kommt ein kleiner Mensch zur Welt. Lernen bedeutet, dass zwischen diesen Nervenfasern Verschaltungen (Synapsen) entstehen. Für die Entstehung von stabilen Synapsen braucht der junge Mensch Reize, Wiederholungen und Freude, die durch die Sinne wie Riechen, Hören, Sehen, Schmecken und Fühlen im Nervensystem eintreffen. Ungenutzte Nervenfasern bilden sich im Laufe der Jahre eher zurück.
Deswegen ist das Lernen des Kindes mit allen Sinnen so sehr wichtig. “Lernen ohne Ende. Ob nun ausprobieren wie Nudeln schmecken oder sich anfühlen, ob ein Stein glatt, kalt und schwer oder leicht ist, ob sich im Wald mit der Natur zu beschäftigen, oder kuschelig mit Haut- und Körperkontakt von Vater oder Mutter ein Buch vorgelesen zu bekommen. All diese Dinge braucht das Kind, um die Welt zu begreifen, um sozial-emotionale Kompetenzen zu erlernen und sich im sozialen Leben in der Gemeinschaft gesund zu entwickeln. Entscheidend wichtig sind die ersten Minuten und Wochen und die ersten Jahre im Leben eines Kindes für eine stabile Eltern-Kind-Bindung, ein unverzichtbares Fundament für ein seelisch gesundes Aufwachsen. Diese Bindung entsteht durch volles aufeinander Einlassen, durch die nicht mit WhatsApp zu teilende Aufmerksamkeit, die Eltern ihren Kindern beim Spielen, Stillen oder den Mahlzeiten schenken sollen.”, so Dr. Schnabels weitere Ausführungen.
Aktuelle Studien wie z.B die “BLIKK-Studie” von 2017 berichten, das ein erhöhter Medienkonsum zu Erkrankungen bei Kindern führen kann, wie zum Beispiel ADHS, Sprachentwicklungsverzögerungen, Lese-Rechtschreibschwäche, Schlafstörungen, Aggression, Depression oder Fettleibigkeit, die für Kindergarten und Schule Probleme bereiten können.
Aus kinderärztlicher Sicht gibt es hier folgende Empfehlungen zum Medienkonsum von Kindern: keine Bildschirm-Medien unter drei Jahren, ab 3 Jahren höchstens 30 Minuten pro Tag als Obergrenze, bildschirmfreie Kinderzimmer, sorgfältige Auswahl der Mediennutzung, keine Gewaltdarstellung, Medienkonsum im Beisein der Eltern und die Zeiten vor dem Schlafengehen,dem Kindergarten/Schule und den Mahlzeiten sollten bildschirmfrei bleiben. Die Eltern haben hier eine sehr wichtige Vorbildfunktion für ihre Kinder- Smartphone freie Zeiten schaffen, mal das Internet ausschalten oder den Flugzeugmodus wählen…
“Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass wir Erwachsenen uns immer wieder selbst reflektieren, unser eigenes Medien-Verhalten überprüfen und Möglichkeiten und Regeln im täglichen Gebrauch mit den Medien zu entwickeln. Smartphone und Co. sind die Medien unserer heutigen Zeit, aber wir sollten äußerst vorsichtig und bedacht mit ihnen umgehen”, so Dr. Schnabel in seinen abschließenden Worten des interessanten Vortrags.
Zum Abschluss gab es noch für jeden Besucher eine schöne Postkarte mit dem passenden Spruch aus unseren alten Kindertagen: Als wir Kinder waren, hatten wir kein Internet und keine Handys, dafür aber aufgeschlagene Knie und dreckige Fingernägel… Das war eine wundervolle Zeit!”