So viel Gefühl: Zweites Tango-Festivalito auf Amrum …


Passten perfekt ins Ambiente: das Tango-Cuarteto „Tangarte“

Es war tatsächlich schwer, von der Atmosphäre nicht berührt zu sein. Es hat schon seinen Grund, dass das zweite Amrumer Tango-Festivalito mit 120 Teilnehmern sehr, sehr schnell ausgebucht war. Die knapp 80 Teilnehmer des ersten (2017) wussten, worauf sie sich freuen durften – und buchten schnell. Und die Neuen hatten von den Alten gehört, wie toll es gewesen war. „Die Tangoszene, und ich meine die ganze europäische, ist wirklich nicht groß“, sagte Tänzer und Lehrer Gunther Klein, der aus München kommend gemeinsam mit dem Berliner Andreas Lehrke die Workshops begleitete. „Wir sprechen da von vielleicht ein paar Hundert Leuten.“ Drei Tage voller Workshops und Milongas, musikalisch getragen vom Tango-Quartett „Tangarte“ hatte die Amrumer Tangogruppe organisiert. Das Gemeindehaus in Norddorf mit seinen warmen Tönen, dem Holzfußboden und den hohen Sprossenfenstern bot mit Lichtern, Sofas und Tischen mit Lämpchen einen Rahmen, in dem sich gut tanzen ließ. Die Kommentare der Gäste, angereist aus Skandinavien, Berlin, der Schweiz und den Niederlanden glichen in ihrem Tenor genau dieser Stimmung: so liebevoll, so offen, so warmherzig, so frei.

Das Gemeindehaus in bester Stimmung

Offenheit war ein Schlüsselwort, was immer wieder fiel. „Die Atmosphäre, so friedlich, ich komme mir überhaupt nicht fremd vor“, sagt eine Teilnehmerin aus Husum. Mann mit Mann, Frau mit Mann, Frau mit Frau: egal, wer hier mit wem tanzt. Das mag die Vorstellungen mancher sprengen, aber „dieses Durchbrechen der geschlechterspezifischen Strukturen“, wie Lehrer Gunther Klein es nennt, „das ist für einen selbst immer eine Weiterentwicklung, ein Annäherungsprozess“, sagt eine  Teilnehmerin. Eine andere sagt, es hätte ihr geholfen, von Anfang an in beiden Rollen zu tanzen – zu führen und zu folgen – „ein schwerer Anfang, aber jetzt verstehe ich eben auch die andere Seite.“

Empathie und Respekt vor Menschen würde es brauchen, sagt Gunther Klein. „Und auf Amrum gibt es die ungeschriebene Regel, du gibst keinen Korb. Das macht es zu einem sehr sozialen Umeinander.“

Ein Leben für den Tango: die Profis Anne und Joel Brage

Die beiden Profis Anne und Joel Brage, die an beiden Tagen für die Workshops gewonnen werden konnten, ließen sich am Abend zu einem Tanz hinreißen – kann man angesichts der Energie zwischen den beiden genau so sagen. Eine Liebesgeschichte aus dem Herzen des Tango: in Südamerika kennengelernt, nicht mehr aus den Augen gelassen, drei Kinder. Das Jüngste – sieben Monate – wurde am Rande der Veranstaltung in seinem Wägelchen geschaukelt. „Hier ist so viel Herz dabei, so viel engagiertes Miteinander“, sagt die Anne Brage. Gemeinsam mit ihrem Mann hat die 38-Jährige in Südschweden eine alte Dorfschule gekauft und verführt Menschen dort zum Tangotanzen. „Mitten auf dem Acker.“ Sie lacht: „Ein Traumleben, aber auch das kann anstrengend sein.“

Kleidet Tangotänzer ein: Schneiderin Gabriele Stankozi

An die immer beschwingt gefüllte Tanzfläche schloss sich ein kleiner Relax-Bereich mit Tischen und Bar an, neben der Gabriele Stankozi ihre selbstgefertigte Tangomode präsentierte. Schillernde Farben, schillernde Stoffe –fließend vor allem. „Wichtig ist, dass der Stoff der Bewegung nachgeht und nicht an der falschen Stelle schwingt“, sagt die Textilingenieurin, die mit ihrem Label „Move“ auf Tangofestivals zu Hause ist. „Bei Männerhosen zum Beispiel ist Weite an der Seitennaht ziemlich hinderlich. Das gibt eine Unwucht beim Tanzen.“

Katarina, eine 54-jährige Stockholmerin hatte sich genau dieses Insel-Festivalito ausgesucht. Kleine Tango-Umgebung, entlegene Insel, Freunde finden, tanzen. „Ich hab’ von Freunden gehört, dass das hier so gut sein soll – „so nice and friendly“, sagt sie.

Organisierten alles: Anke Tadsen, Matthias Menk und Mechthild Wrede

„Wir wollen einen offenen Rahmen, und hier soll es wirklich nur ums Tanzen gehen“, wünscht sich die Amrumerin Mechthild Wrede, die das Festivalito gemeinsam mit Anke Tadsen und Matthias Menk auf die Beine gestellt hat. „Wenn man so ein Festival organisiert, kann man gucken, was andere machen, oder man guckt, wofür steht diese  Insel.“ Das feine, persönliche Miteinander dürften seinen Ursprung in der Kleinheit der Amrumer Tangogruppe haben, mehr als 15 bis 20 Tänzer sind das nicht. „Wir haben es uns schwer gemacht am Anfang“, sagt Anke Tadsen, „weil wir nur im Winter geübt haben. Jetzt tanzen wir das ganze Jahr.“ Und das kann man auf Amrum im Sommer auch am Strand unter Mond und Sonne oder – wie es die Gäste dieses Jahr gleich am ersten Abend erleben durften – auf der Fähre, die alle zur Insel brachte. „Tische zur Seite und Musik vom DJ, der extra aus Berlin kam. Die Schiffscrew war eingeweiht, es war toll“, sagt Matthias Menk.

Ohne Worte: Mariko Koide und Ingrid Schwanke (v. r.)

Das Zusammenwirken, das sich immer wieder treffen, das Auseinandergehen und Miteinander-Tun ließ sich auch im Musikbeitrag des Abschiedstages erleben. Mariko Koide, Amrumer Konzertpianistin, spielt gemeinsam mit Ingrid Schwanke, Geigerin im Berner Symphonieorchester, einen eigens für dieses Festival komponierten Amrum-Reigen. Die beiden hatte sich zufällig im Sommer auf der Insel kennengelernt. Schwanke machte schon als Kind Ferien auf Amrum. Für den Auftritt war Mariko Koide eigens nach Bern zum Üben gefahren. „Und ich habe in Bern noch ein paar Tango-Stunden genommen, damit ich hier mittanzen kann“, sagte Ingrid Schwanke. Die beiden spielten sich durch die Jahreszeiten, durch das Gefühl des Radfahrens in strömendem Regen und durch zarten Nachtwind. In der Musik fand sich, was dieses Festival für alle wohl zu etwas sehr Besonderem machte: eine Besinnung auf die eigenen Stärken. „Das letzte Stück hat auch etwas mit der Liebe und der Wärme zu tun, die ich hier beim ersten Tangofestival vor zwei Jahren kennengelernt habe“, sagt die Pianistin. „Das geht aus dem Herzen nicht mehr raus.“ Donnernder Applaus.

Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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