Wenn ein Amrumer eine Reise tut 2.0


So wären wir gerne nach Hörnum gefahren …

Im Dezember 2010 habe ich für Amrum News einen Bericht über eine abenteuerliche Reise von Amrum ins Rheinland geschrieben („Wenn ein Amrumer eine Reise…, 27.12.2010). Damals dachte ich, dass die durch ein Schneechaos verursachten Probleme die Ausnahme gewesen sei. Nun haben wir, Claudia und ich, aber wieder eine besondere Reise ins Rheinland und zurück erleben dürfen. Man hat ja schon immer mal von Amrumern und Gästen gehört, dass sie auf Grund von Verspätungen von Bahn und Schiffen oder durch Staus auf der Autobahn Probleme bei der An- oder Abreise auf oder von unserer Insel hatten, aber manche „Ausnahmesituationen“  sind einen Bericht wert und werden nicht so schnell in Vergessenheit geraten.

Bedingt durch die Corona-Pandemie und durch den dadurch für uns erhöhten Arbeitsaufwand konnten wir fast zwei Jahre meinen Sohn und seine Familie in Düsseldorf nicht besuchen. Meinen zweiten Enkel (6 Monate alt) hatten wir überhaupt noch nicht „live“ gesehen. Für Mitte September war es uns gelungen ein langes freies Wochenende zu schaffen um endlich mal wieder eine Reise ins Rheinland zu unternehmen.

Mit dem Auto zu fahren war uns zu anstrengend, eine Bahnfahrt hätte sehr lange gedauert, und so haben wir uns entschlossen (trotz Klimafeindlichkeit) zu fliegen. Es gibt donnerstags von Westerland aus eine Direktverbindung von Westerland nach Düsseldorf und sonntags zurück. Der Abflug von Sylt ist planmäßig am frühen Nachmittag, so dass man von Amrum aus bequem mit dem 11:00 Uhr Adler nach Hörnum fahren kann, um von dort aus mit einem Taxi rechtzeitig zum Flugplatz zu gelangen. Der Rückflug von Düsseldorf kommt ebenfalls nachmittags an, wieder mit einem Taxi erreicht man dann den 17:15 Uhr Adler Richtung Amrum. Dachten wir.

Anfang Juli buchten wir die Tickets für den Flug, erstanden ein Adler-Express Rückfahrt-Ticket und bestellten ein Taxi nach Hörnum. So weit so gut. Ende Juli erreichte uns eine Email der Fluggesellschaft, in der mitgeteilt wurde, dass sich eine Flugplanänderung ergeben hat. Insbesondere die Abflugzeit von Sylt wurde vorverlegt. Das hat unsere Planung restlos über den Haufen geworfen, war jetzt zeitlich die Fahrt von Hörnum mit dem Taxi bis zum Zeitpunkt des Check-in nicht mehr zu schaffen. Also haben wir das Rückfahrt-Ticket für Adler-Express storniert, im Gegenzug eine einfache Fahrt für 2 Personen für den Sonntag von Hörnum nach Wittdün erstanden und Fährtickets der W.D.R., einfache Fahrt nach Dagebüll, gekauft, sowie im Internet ein Schleswig-Holstein-Ticket für die Fahrt ab Dagebüll über Niebüll nach Westerland gebucht. Statt um 11:00 Uhr haben wir dann an besagtem Donnerstag die Reise ab Wittdün um 7:15 Uhr angetreten.

Der Umweg über das Festland um nach Sylt zu gelangen dauerte dann 4 ½ Stunden statt der 50 Minuten mit Adler. Da vom Bahnhof in Westerland kein direkter Bus zum Flughafen fährt haben wir ein Taxi genommen und konnten pünktlich einchecken. Am „Großflughafen“ Westerland kam keine Hektik auf, nach passieren der Sicherheitskontrolle nahmen wir mit rund 150 anderen Reisenden in der wenig einladenden Wartehalle Platz. Um die Langeweile bis zum Boarding zu vertreiben schaute ich auf meinem Smartphone über die App „Flightradar“ wo den wohl der zu erwartende Flieger aus Düsseldorf sei, konnte aber kein Flugzeug auf der Strecke zwischen Düsseldorf und Sylt ausmachen. Das Rollfeld vor dem Flughafengebäude zeigte ebenfalls nur gähnende Leere.

Das Rollfeld vor dem Flughafengebäude … gähnende Leere.

Ziemlich genau zum Zeitpunkt des geplanten Abflugs erhielten wir via Email sowie über eine Lautsprecherdurchsage die Information, dass sich der Flug um 65 Minuten verspäten würde. Ein Raunen ging durch die wartenden Passagiere, überwiegend wohl reisende „Very-Best-Ager“. Mein Banknachbar sagte in breitestem Schwäbisch: „Hanoi, jetzt sagetse oi Stunde. Da komme bestimmt noch mehr Ansage, dann sind es dann 3 Stunde“. Ich schaute auf mein „Flightradar“. Noch immer kein Flieger zwischen Düsseldorf und Sylt. Eine Dreiviertelstunde später kann die nächste Email: Erwartete Verspätung 105 Minuten. Eine Lautsprecherdurchsage gab es nun nicht mehr. Hat sich wohl keiner mehr getraut. Es wurde sehr still in der Wartehalle. Eine weitere Dreiviertelstunde später dann die nächste Email: Erwartete Verspätung 145 Minuten! Nach drei Stunden des Wartens dann eine Durchsage: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Flug hat nun über 3 Stunden Verspätung, Sie haben jetzt Anrecht auf einen Imbiss. Wir werden Ihnen gegen Vorlage der Boardingcard einen Gutschein über 5 Euro aushändigen. Hierfür erhalten Sie ein Getränk und zwei Snacks, entweder hier in der Lounge oder im Flugzeug.“ Über 3 Stunden Verspätung! Mein Schwäbischer Banknachbar hat Recht gehabt! Ein Blick auf „Flightradar“ zeigte nun eine Maschine aus Düsseldorf Richtung Sylt in Höhe Münster. Es ging also tatsächlich voran. Wir holten uns unseren Imbiss, ein Kaltgetränk 375 ml und zwei kleine Müsliriegel, und dann landete tatsächlich unser Flieger von und nach Düsseldorf. Mit 3 Stunden 30 Minuten Verspätung sind wir schließlich gestartet.

Was hätten wir gut mit Adler-Express von Amrum nach Sylt fahren können! Gott sei Dank haben wir unseren Entschädigungs-Imbiss noch auf Sylt zu uns genommen, denn es stellte sich heraus, dass die Auskunft, man könne den Gutschein auch im Flugzeug einlösen, eine Fehlinformation war. Alle Getränke und Speisen während des Fluges mussten bezahlt werden, was bei den Passagieren, die auf den Gutschein gehofft hatten, zu weiterem Verdruss sorgte. Eine Auskunft darüber, warum der Flug so viel Verspätung hatte wurde übrigens nicht gegeben.

Mit fast vierstündiger Verspätung wurden wir von meinem Sohn und dem älteren Enkel am Flughafen Düsseldorf abgeholt, und wir konnten endlich den Familienbesuch genießen. Die Rückreise am Sonntag gestaltet sich zunächst problemlos. Nach einchecken am Flughafen gelang ein pünktlicher Start in Richtung Sylt. Bemerkenswert waren die Ansagen der Purserette, die einen Großteil der Passgiere erheiterten.

Vor dem Start: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass sie zu jeder Zeit an Bord dieses Fluges zu Ihrem und zu unserem Schutz eine geeignete Mund-Nasen-Maske tragen müssen. Das haben nicht wir uns so ausgedacht, sondern das ist eine behördliche Anordnung. Und die gilt, egal ob sie geimpft oder genesen sind oder Sie sich dreimal im Kreis drehen. Tragen Sie bitte die FFP2-Masken oder medizinischen Masken richtig, d.h. über Mund UND Nase, nicht am Kinn und nicht in der Hand. Und bitte beachten Sie diese Regel während Ihres gesamten Aufenthalts an Bord damit wir Sie nicht wie eine ungehorsame Schulklasse permanent daran erinnern müssen.“

Nach der Landung: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auf Sylt gelandet und werden gleich mit dem Aussteigen beginnen. Es wird vorne wie hinten ausgestiegen.  Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen sitzen, wir werden sie reihenweise aufrufen, damit sie geordnet die Maschine verlassen können. Und ich versichere Ihnen, dass Sie ALLE aussteigen dürfen und sogar Ihr Gepäck mitnehmen können.“

Geordnet das Flugzeug verlassen …

Nach der Landung verließen wir also geordnet das Flugzeug und eilten zum Taxistand, denn wir mussten ja zügig nach Hörnum um Adler-Express zu erreichen. Ich wollte noch vor der Abreise nach Düsseldorf ein Taxi bestellen, aber der Telefonist der Sylter Taxizentrale meinte, dass dies nicht nötig sei, da am Flughafen immer genügend Taxen stehen würden. Weit gefehlt. Es war nur ein Taxi da, und das war vorbestellt. Also rief ich die Taxizentrale an und bat um ein Fahrzeug. Jetzt! Der Zentralist meinte, es wären viele Taxen zum Flughafen unterwegs, es gäbe derzeit einen großen Stau auf Sylt, alles würde sich verzögern. Und tatsächlich bogen drei Taxen auf den Parkplatz ein. Ich drängelte mich an der Schlange der bereits Wartenden vorbei, was verständlicherweise zu Unmutsäußerungen führte, aber wir mussten ja ein Schiff bekommen! Es gelang mir das dritte der angekommenen Fahrzeuge zu kapern und wir stiegen vor den Augen fassungsloser potentieller weiterer Kunden ein. Der Taxifahrer fuhr los, und als wir das Fahrziel, Hörnum Hafen, angaben, sagte er: „Hörnum?! Da hab ich jetzt die Arschkarte gezogen! Da komm ich nie wieder weg.“ Auf meine Rückfrage wieso? : „Das werdet ihr gleich sehen. Der gesamte Verkehr auf Sylt ist zusammengebrochen. Heute hat es in den frühen Morgenstunden einen tödlichen Unfall mit dem Autoreisezug gegeben. Noch auf dem Festland, kurz vor dem Hindenburgdamm zwischen Klanxbüll und Morsum. Fünf Stunden war der Bahnverkehr v.a. für den Autoreisezug unterbrochen. Und noch lange sind nicht alle Abreisenden abgefertigt.“

Die Rückfahrt nach Hörnum

Und tatsächlich haben wir die langen Autoschlangen gesehen, die vom Bahnhof aus quasi ganz Westerland verstopften. Und Richtung Hörnum reichte der Stau bis Rantum! Wenn man bedenkt, dass es nur eine Straßenverbindung zwischen Hörnum und Westerland gibt, ohne jegliche Ausweichmöglichkeiten, kann man die Frustration des Taxifahrers verstehen. Letztendlich hat er es aber auch humorvoll gesehen, er meinte: „Dann mach ich halt Feierabend und verbringe des Rest des Tages im südlichen Sylt“. Er hat uns gut in Hörnum abgeliefert, Adler-Express war auch pünktlich, und wir sind tatsächlich zur geplanten Zeit wieder auf Amrum angekommen.

Wir alle wissen, dass Amrum, abgesehen vielleicht von Helgoland, einer der am schwierigsten zu erreichende Ort Deutschlands ist. Viele der anderen Nord- und Ostseeinseln haben Brücken- oder Dammverbindungen oder Flugplätze, oder die Schiffsanreise ist deutlich kürzer. Nach Amrum muss man nach langer Anreise mit Auto oder Bahn bis zum Fähranleger immer noch mit 1 ½ bis 2 Stunden Fährfahrt rechnen. Und es gibt wohl nur wenige Amrumer, die nicht schon mal im Strandhotel Dagebüll übernachten mussten, weil sie die letzte Fähre nach Amrum verpasst haben. Aber dafür ist es dann auf unserer Insel auch besonders schön. Amrum halt!

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Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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One comment

  1. Ein super Artikel. Ich kann das Alles gut nachvollziehen. Auch mich hat es mit meiner Familie auf der Rückfahrt von Amrum nach Braunschweig 2019 erwischt, allerdings mit der Deutschen Bahn.

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