In gemütlichster Andersen-Hüs-Kulisse und vor schönem Amrum Banner ging am Samstag der Erzählwettbewerb “Ferteel iinjsen” (Erzähl’ mir was) über die kleine, feine Bühne. Der Saal unter den Balken der liebevoll gepflegten Kulturstätte war mit rund 200 Gästen voll besetzt. Die Veranstaltung von NDR 1 Welle Nord findet seit 2001 alle zwei Jahre statt, hat Preisgelder im Wert von insgesamt 1600 Euro zu vergeben, und hatte Samstag das Örtchen Klockries bei Risum-Lindholm zum Austragungsort.
Das Nordfriisk Institut unterstützt diese Veranstaltung schon länger, die Amrum Touristik dieses Jahr zum ersten Mal. “Das Friesische ist so eine sympathische sprachliche Nische und so zugegen auf den Inseln – mit drei Dialekten auf Sylt, Föhr und Amrum, das ist so einmalig”, sagt Amrums Tourismus-Chef Frank Timpe, der natürlich mit einer kleinen Amrumer Delegation angereist war. “Wenn man möchte, dass friesische Traditionen aufrecht erhalten werden, dann ist es eine gute Idee, genau solche Veranstaltungen zu unterstützen.”
50 Geschichten wurden im Wettbewerb eingereicht. Aus denen wählte eine Jury, in der auch Amrums Geschichtenerzähler Kai Quedens saß, die Siegergeschichten aus. Von den drei Amrumer Einsendungen erreichte dieses Jahr keine die Endrunde. Gleich 27 kamen von Föhr, eine von Sylt, die anderen vom Festland. Fünf wurden am Ende prämiert, und – zum ersten Mal in diesem Jahr – wurde ein Schülerpreis vergeben. Der war eine echte Entdeckung – und ist eine tolle Idee. In zwei Jahren darf man vielleicht auch auf Geschichten der Öömrang Skuul gespannt sein, im Premierenjahr kam die geballte Ladung von Föhr. Dort hatten sich unter anderem rund zwanzig Oberstufenschüler der Eilun Feer Skuul in Zweiergruppen zusammengetan und zehn Geschichten in den Wettbewerb geschickt. Prompt ging der Schülerpreis an zwei von ihnen: an Lina Hinrichsen und Malena Ohlsen. Deren Siegergeschichte war im Schulmilieu angesiedelt, das Thema brachte Mitgefühl zur Sprache und überraschte stilistisch mit einem offenen Ende, so die Jury. Gewinnerin unter den erwachsenen Erzählern war Ellin Nickelsen. Die 60-Jährige stammt von Föhr, arbeitet in Lüneburg als Schulrätin und gewann nicht zum ersten Mal. Sie gibt auch Schreibkurse, unter anderem den, den das Nordfriisk Instituut im Vorfeld des Wettbewerbs angeboten hatte. Für sie ist “Ferteel iinjsen” jedes Mal wieder ein Anreiz. “Wenn ich eine Idee zum Thema habe, dann mache ich immer gerne mit.”
Wat’n lok – was für ein Glück – war das Thema in diesem Jahr. Was längst nicht leichte und flockige Geschichten bedeuten muss. Die Begründungen der Jury zeigten die Bandbreite der literarischen Arbeit: da wurden farbige und feuilletonistische Erzählweisen gelobt, es standen Familienbeziehungen im Mittelpunkt und die Nachdenklichkeit dem eigenen Leben gegenüber, Zweifel wurden in Worte gefasst, das Glück der Ferne und der Nähe betrachtet, eine Liebesgeschichte erzählt und eine über die Brüchigkeit des Glücks.
Die friesischen Dialekte, in denen die Geschichten geschrieben wurden, klingen nach Koog und Watt: Öömrang, Ferring, Söllring, Mooring, Wiringhiirder und Nordergooshiirder. Jede Siegergeschichte hat ihren Vorleser oder ihre Vorleserin. Die Mitarbeiter der Organisatoren – Journalisten, Lektoren, Stiftungsleiter und eine Friesisch-Studentin – lasen dem Publikum so individuell, so liebevoll und zugewandt vor, dass auch manch Preisträger ganz gerührt war von seiner eigenen Geschichten. “Saugut vördragen” – sehr gut vorgetragen, sagte NDR-Redaktionsleiter Werner Junge, Chef der Redaktion Heimat und Kultur, auf der Bühne.
Dass man nicht friesisch träumen muss, um hier teilzunehmen, zeigten viele Gespräche am Rande der Veranstaltung. Newcomer Thede Thießen, der sonst fürs Leipziger Uni-Radio Beiträge produziert und beim Wettbewerb den zweiten Platz belegte, kommt zwar aus Rodenäs an der Küste, hat seine Story aber mit viel Hilfe aus Wörterbüchern ins Friesische übersetzt. Auch der Föhrer Schüler Justin Obojiagbe – Mutter Friesin, Vater Nigerianer – hat seinen Beitrag, der dieses Jahr nicht unter die ersten fünf kam, erst auf Deutsch geschrieben.
Für friesische Musik zwischendurch sorgte die Föhrerin Norma Schulz, die mit ihrer klaren, weiten Stimme die Zuschauer schweigend staunen ließ. Auch der Chor “Frasche Loosche” vom Ostermooringer Friesenverein, zu dem das Andersen-Hüs gehört, brachte ganz charmante Heimatstimmung in den Saal, wo sich während der Nationalhymne der Nordfriesen die Textsicheren im Publikum erhoben und mitsangen.
Für die wirklich ausgesprochen natürliche Moderation des Tages bekam Elin Rosteck-Hinrichsen einen schönen 2017-Kalender des Nordfriisk Instituuts überreicht.
Der wahrscheinlich einzige Nichtfriese auf der Bühne zum großen Abschieds-Adjis (Tschüs) war wahrscheinlich Amrums Tourismus-Chef Frank Timpe, der den Publikumspreis an Rike Jessen überreicht hätte, wenn die Risum-Lindholmerin sich in Freiburg vom Studium hätte freimachen können. Ihre Geschichte über Glücks-(und Unglücks-)Momente hatte das Herz des Publikums am allermeisten erfrischt. So gratulierte Timpe Jessens Stellvertreterin, warf als Ersteinsatz ein paar Brocken Platt ins Publikum und kabbelte sich dann in bester Entertainer-Manier mit der Moderatorin ums Mikrofon. Dem Publikum gefiel’s und der NDR-Mann Junge verpasste der Amrum Touristik – neben dem Nordfriisk Instituut als Unterstützer – den Titel: sympathischster Sponsor Schleswig-Holsteins. Und jetzt geben wir bitte ganz schnell ab zur Werbung:
“Ferteel Iinjsen” zum Nachhören:
Am Mittwoch, 23. November ab 21 Uhr sendet NDR 1 Welle Nord ein Best-of “Ferteel iinjsen”. Die Gewinner-Geschichten gibt es nach der einstündigen Sendung zum Nachhören auf der Internet-Seite: https://www.ndr.de/wellenord/