„Die Pflegeeinrichtung auf Amrum muss bleiben!“


Volles Haus bei der Versammlung im Seeblick

Das fordern die Unterzeichnenden der Petition, die seit dem 29. Mai online ist und überall auf der Insel ausliegt. „Wo bleibt die Menschlichkeit?“, fragen sie das Deutsche Rote Kreuz Nordfriesland und hinterlassen zu Hunderten Kommentare im Netz.

Das Rote Kreuz ist angetreten, „menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu verhindern; Leben und Gesundheit zu schützen und der Menschenwürde Achtung zu verschaffen“, heißt es in der Präambel seiner Satzung. Doch widerspricht es nicht der Würde des Menschen, die pflegebedürftigen Amrumer binnen acht Wochen von ihrer Insel nach Struckum auf’s Festland zu verlegen, getrennt von ihrer Familie,  losgelöst von der vertrauten Umgebung, entbunden von allen sozialen Kontakten?

Die Empörung über den Beschluss des DRK Kreisverbands Nordfriesland, die stationäre Pflege auf Amrum zum 31. Juli einzustellen und den neun Bewohnern des DRK-Pflegeheims zu kündigen, ist riesig – auf Amrum und bei vielen Gästen, die sich der kleinen Insel verbunden fühlen. Bereits über 3.800 Menschen haben die Petition unterschrieben und es werden täglich mehr. (Link Petition) https://www.openpetition.de/petition/online/die-pflegeeinrichtung-auf-amrum-muss-bleiben

Am Dienstagabend folgten fast 100 Amrumer Bürgerinnen und Bürger der Einladung von Petitionsinitiatorin Nicole Hesse, sich für den Erhalt der stationären Pflege auf der Insel zu engagieren und einen Förderverein zu gründen.

Der Nebler Bürgermeister Cornelius Bendixen (Amrumer Zweckverband) und die Initiatorin der Online-Petition Nicole Hesse aus Norddorf (von links nach rechts im Bild)

Im überfüllten Tagungsraum des Norddorfer „Seeblick“ fasste Cornelius Bendixen als Vorsitzender des Amrumer Zweckverbands für Sicherheit und Soziales die aktuelle Lage zusammen: „Wir brauchen innerhalb von acht Wochen eine kurzfristige Lösung und müssen eine Perspektive zum Erhalt der stationären Pflege auf Amrum entwickeln. Die Amrumer Gemeinden arbeiten unter Hochdruck an einer Lösung, der Kreistag ist informiert und die Kreisverwaltung bei der Erarbeitung von Lösungsansätzen eingebunden“, sagte der Nebler Bürgermeister.

Als man im März erstmalig von den Schließungsplänen des DRK Kreisverbands erfahren habe, hätte man sich zu gutgläubig auf die Zusage der „Versorgungssicherheit bis zum Jahresende“ durch die Kreisheimaufsicht verlassen. Niemand hat damit gerechnet, dass Amrumer Pflegebedürftige durch eine Unterbringung auf dem Festland im, nur mit PKW und Fähre in zweieinhalb Stunden zu erreichenden Struckum, ganzjährig als versorgt gelten könnten. Aus Sicht der Amrumer Familien stellt das eine unzumutbare Härte dar.

Man sei im Gespräch mit dem DRK-Kreisverband, aber man spreche auch mit anderen interessierten Trägern. Die Gemeinde sei bereit, die Immobilie, die der sozialen Zweckbindung unterliegt, vom DRK-Kreisverband zu kaufen oder gegebenenfalls selbst zu pachten, um den Erhalt der stationären Pflege zu sichern. Verschiedene Modelle seien für eine langfristig tragfähige Lösung denkbar. „Der DRK Kreisverband Nordfriesland würde die stationäre Pflege auf Amrum allerdings nur weiter betreiben, wenn sein jährliches Bilanzdefizit grundsätzlich ausgeglichen wird“, sagte Bendixen, doch die Amrumer Gemeinden stellten niemandem einen Blankoscheck für den Ausgleich eines Bilanzdefizits aus, auf das man keinerlei Einfluss habe.

Das Deutsche Rote Kreuz Nordfriesland e.V. bekennt sich in seiner Satzung ausdrücklich zu einer transparenten Finanz-und Wirtschaftsführung. Es wird sich an seinen Taten messen lassen müssen. Das Haus am Feederhuugam in Nebel beherbergt neben der stationären Pflege auch die, unabhängig vom DRK-Kreisverband verwaltete, ambulante Pflegestation des DRK-Ortsverbands sowie sechs Personalwohnungen, deren Erträge bilanziell bisher nicht in den Betrieb der Pflegestation einfließen. (Amrum News berichtete.)

Viele der Anwesenden empfanden das Vorgehen des DRK-Kreisverbands als Erpressung auf dem Rücken der pflegebedürftigen Senioren.

Jeder gewöhnliche Mieter hat eine Kündigungsfrist von wenigstens drei Monaten, doch den Bewohnern von Pflegeheimen wird vertraglich nur ein Schutz von vier Wochen bei einer Kündigung aus triftigem Grund zugebilligt. Die Frage, ob allein die wirtschaftliche Lage des Trägers ein triftiger Kündigungsgrund ist, könnte vor Gericht landen. Alle Bewohner, deren Familien auf Amrum leben, haben der Kündigung widersprochen und sich einen Anwalt genommen, der dem DRK-Kreisverband eine Frist bis zum 10. Juni gesetzt hat, die Kündigungen zurückzunehmen.

Patientenfürsprecher Dr. Peter Totzauer, dessen Mutter im DRK-Pflegeheim lebt

Er habe es geradezu als Hohn empfunden, die für alle Mitglieder verbindlichen Grundsätze des Roten Kreuzes, Menschlichkeit – Unparteilichkeit – Neutralität – Unabhängigkeit – Freiwilligkeit – Einheit – Universalität, auf dem Briefbogen der Kündigung des Heimplatzes für seine Mutter zu lesen, meinte Dr. Peter Totzauer, der als Angehöriger, betreuender Arzt und Patienten-Fürsprecher dreifach von der drohenden Schließung des Heims betroffen ist. „Ich schaue jeden Tag zwischendurch mal bei meiner Mutter vorbei. Das wäre auf dem Festland nicht mehr möglich. Meine Mutter zieht hier nicht weg!“, sagte er mit Nachdruck und fand auf der Versammlung harte Worte für die Strukturen des DRK: „Wir müssen uns davon verabschieden, dass das Rote Kreuz eine gemeinnützige Organisation ist.“

 

Ehemalige Mitarbeiter des DRK-Kreisverbands auf Amrum kritisierten in der Diskussion um die Zukunft der Pflegestation den lange Jahre herrschenden Personalführungsstil, der vermutlich zum Arbeitskräftemangel in der Amrumer Einrichtung beigetragen und letztlich zum hohen Defizit durch den teuren Einsatz von Zeitarbeit  geführt habe.

Es scheint so, als habe das Deutsche Rote Kreuz Nordfriesland e.V. mehr als ein Problem, das in der öffentlichen Meinung die Glaubwürdigkeit der Gesamtorganisation infrage stellt.

Der Vorstand und Geschäftsführer des DRK Kreisverbands Nordfriesland Torben Walluks, aber auch der amtierende Vorsitzende des Präsidiums und ehemalige Geschäftsführer des DRK Kreisverbands Frank Millack sollten sich im Namen der Menschlichkeit schnell befragen: Ist der DRK-Kreisverband bereit, die Bewohner stationär wenigstens bis Ende des Jahres auf Amrum zu versorgen und wie geht es mit der Pflege im Haus am Feederhuugam dann weiter?

Am 13. Juni zwischen 12:30 und 16:30 Uhr bieten die Heimaufsicht des Kreises Nordfriesland und der Geschäftsführer des DRK Kreisverbands den Betroffenen im DRK-Pflegeheim eine persönliche Sprechstunde an. Die Unterstützer der Petition rufen zu einer Demonstration auf: „Die Pflegeeinrichtung auf Amrum muss bleiben!“

Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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3 comments

  1. Peter Totzauer

    Vielen Dank für diesen Artikel !
    Er bringt alles das zum Ausdruck, was derzeit die Amrumer Bevölkerung und die Freunde der Insel tief bewegt. Ich hoffe, dass möglichts bald positive Entscheidungen für den Fortbestand der Pflegeeinrichtung getroffen werden, damit insbesondere die unter der akuten Problematik leidenden Bewohner, deren Angehörige und Betreuer wieder zur Ruhe kommen können.
    Peter Totzauer

  2. Peter Totzauer

    Habe folgende Mail an das DRK und die Heimaufsicht geschickt:

    Sehr geehrter Herr Walluks, sehr geehrte Frau Lorenzen,
    bitte lesen Sie sich noch einmal folgende Texte der homepage des DRK Nordfriesland bzw. der Husumer Nachrichten genau durch:

    https://www.drk-nordfriesland.de/pflege/stationaere-pflege/pflegeeinrichtung-amrum.html

    https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/rotes-kreuz-will-kraeftig-investieren-id18277426.html

    Die Bewohner der Amrumer Pflegeeinrichtung, deren Angehörige, Betreuer und Pfleger sowie die Bevölkerung der Insel Amrum und deren Freunde fühlen sich im wahrsten Sinne des Wortes verarscht.

    Hochachtungsvoll

    Dr. Peter Totzauer

  3. Für alle, die zeigen wollen, dass wir uns gegen die Schließung des Pflegeheimes wehren:
    Am Donnerstag 13.6. findet um 13 Uhr am DRK Gebäude in Nebel eine angekündigte Demonstration statt. Plakate und Transparente sind erlaubt!

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