Im Naturzentrum Norddorf nahmen Mitarbeiter gestern einen seltenen Fund entgegen. Katja Nuppnau, ihr Sohn Jarmo und ihre Schwester Christine Nuppnau aus Hamburg, die zurzeit ihren Urlaub auf Amrum verbringen, fanden in Norddorf vor dem Second Hand Laden einen Flusskrebs, den sie in das Naturzentrum brachten. Dort hat man versucht herauszubekommen, um welche Art es sich handelt, denn bisher gab es noch gar keine Flusskrebsnachweise auf Amrum. Die erste Vermutung war, dass es sich um einen amerikanischen Vertreter des Flusskrebses handelt, den Kamberkrebs. Er wurde 1890 aus Nordamerika nach Deutschland eingeführt und gilt heute als Bedrohung für die heimischen Flusskrebse. Als Überträger der Krebspest, einer durch einen pilzähnlichen Erreger ausgelöste Infektionskrankheit, stellt der Kamberkrebs eine große Gefahr für die heimischen Flusskrebse dar, die sich infizieren und sterben. Der Kamberkrebs hingegen ist gegen den Erreger resistent.
Tatsächlich stimmten die Bestimmungsmerkmale des Kamberkrebses nicht richtig mit dem gefundenen Tier überein. Auflösen konnte das Rätsel um die Art schließlich Kai Lehmann vom Institut für Nachhaltiges Ressourcenmanagement in Schleswig-Holstein. Er befasst sich schon lange mit Flusskrebsen und schnell war klar, es handelt sich nicht um einen amerikanischen Flusskrebs, sondern um das weibliche Tier des vom Aussterben bedrohten europäischen Edelkrebses Astacus astacushandelt.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts spielte der Edelkrebs auf dem Festland sogar noch eine wichtige Rolle für die Ernährung der Bevölkerung. Heute sind die meisten freilebenden Populationen jedoch vollständig verschwunden. In Schleswig-Holstein gibt es noch ein paar wenige Reliktbestände und neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Reliktbestände Schleswig-Holsteins sogar europaweit einzigartige genetische Besonderheiten aufweisen. Jeder Bestand zeigt eine jeweils unterschiedliche genetische Ausstattung. Für den bedrohten Edelkrebs kann die genetische Variabilität der Reliktpopulationen für den langfristigen Erhalt eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel in puncto Resistenzbildung gegen den von amerikanischen Flusskrebsen mitgebrachten Krebspesterreger. Der Schutz der Edelkrebse bei uns in Schleswig-Holstein ist daher umso wichtiger.
Zwar sind die freilebenden Tiere heute vom Aussterben bedroht, der Edelkrebs kann aber in Aquakulturen, die frei vom Krebspesterregern sind, gezüchtet und als Speisekrebs vermarktet werden. Durch die wirtschaftliche Nachfrage bleibt die Art zumindest in Menschenhand so erstmal erhalten und es könnten Wiederansiedlungen durchgeführt werden.
Im Moment ist bei den Edelkrebsen Paarungszeit, da kommt es hin und wieder vor, dass die Tiere über Land wandern und neue Gewässer suchen. Ob das auf Amrum gefundene Tier ursprünglich aus einer natürlichen Population oder einem Gartenteich stammt, ist noch nicht geklärt. Aktuell scheint es zumindest, als würde der Edelkrebs aus keinem der Restaurants auf Amrum entkommen sein.
Wer weiß, woher das Tier stammt, darf sich gerne an das Naturzentrum in Norddorf unter info@naturzentrum-amrum.deoder Telefon: 04682-1635 wenden.