“Ich weiß gar nicht wie die Zeit so schnell vergehen konnte,” lächelt Kuldeep Singh Padwal mit einer Träne im Auge, denn Amrum ist sein zu Hause geworden, hier kennen ihn alle nur unter dem Namen „Jolly”.
Nach 26 Jahren nimmt er Abschied von der Insel und macht sich auf in ein neues Lebensabenteuer, am anderen Ende des Atlantik, Kanada heißt seine neue Heimat.
Doch fangen wir ganz von vorne an: Geboren wurde Jolly in Begowal/Indien. Schon in seiner Kindheit träumte er von einer kleinen Insel, auf der er einmal Leben wollte und “immer wieder kehrte dieser Traum zu mir zurück”. Mit viel Fleiß und Ehrgeiz bekam Jolly einen Stipendium an einer Elite Schule, die Sainik School Kapurthala. Im jungen Alter von 9 Jahren begann dort ein Leben zwischen Lernen, harten Training und auf eigenen Beinen stehen, denn er musste das Elternhaus verlassen. Es wurde sehr viel in der Schule verlangt, doch Jolly war Ehrgeizig und wollte es schaffen, einer der besten Sportler der Schule werden und dies gelang ihm.
Im Teenagealter schloß er als bester der Schule ab und trainierte um so härter, denn die Indische Sportmannschaft wartete auf ihn. Hürdenlauf, Weitsprung und Stabhochsprung waren seine Disziplinen. Am Höhepunkt angelangt kam der Fall, ein Sturz beim Stabhochsprung zerbrach alle Zukunftspläne in Minuten und eine monatelange Genesung wurde von einer dazu kommenden Krankheit in Stücke zerschmettert. „Ich war am Boden zerstört, alles wofür ich je gekämpft und gearbeitet hatte war vorbei, für immer. Ich hatte keine Perspektive, alles war verloren und ich zerfiel wie ein Schiffswrack das gestrandet war”, erzählt Jolly unter Tränen, denn es war der tiefste Punkt in seinem Leben. Fast aussichtslos schien es. Er bat seine Mutter ihm das Geld für weitere Behandlungen im Krankenhaus zu geben, er wollte sich damit die Welt anschauen, noch einmal „intensiv Leben”.
Ein großer Schritt, der Jolly nach Hamburg führte, hier hatte er Verwandtschaft. Eine kleine Sicherheit in der neuen Welt für ihn im jungen Alter von Anfang zwanzig. Deutsch sprach er noch nicht und so half ihm am Bahnhof in Altona eine „sehr nette junge Frau” auf der Suche nach dem richtigen Weg. Es stellte sich heraus, dass diese Dame Deutsch unterrichtet und aus Husum kam. Sein Lebensweg führte den Inder also weiter gen Norden und die charmante junge Dame wurde nach einigen Jahren Jollys Frau. Saisonarbeit zog ihn dann das erste Mal nach Amrum, im Hotel/Restaurant Steenodde arbeitete er eine kurze Saison, ging dann wieder nach Husum. Eine weitere Arbeitsaison auf der Insel lockte Jolly und so fing er im Restaurant Rialto in Norddorf an. „Als ich das erste Mal den Strand sah, kam mir mein Traum aus der Kindheit wieder in den Sinn und ja, da war mir klar, hier bin ich richtig und hier bleibe ich”, erinnert er sich über seine Anfänge. Die Jahre zogen ins Land und Jolly wurde zum Inselmenschen, viele, ja fast alle kannten ihn, immer ein Lächeln im Gesicht, immer Positiv und freundlich. Die Gäste und Stammgäste erkannten ihn wieder, es entwickelten sich Freundschaften „noch heute bekomme ich Geburtstagskarten aus ganz Deutschland”, freut Jolly sich.
In 26 Jahren hat er viel erlebt und Kinder groß werden sehen. Ein Abschied war undenkbar, doch das Leben läßt ihn weiter ziehen „ich treibe mit dem Fluß und dieser hat mir jetzt den Weg nach Kanada zu meinem Bruder und der Familie gezeigt”, erzählt er und kommt zum Schluß des Interviews. Es fällt ihm nicht leicht Auf Wiedersehen zu sagen doch ein neuer Weg tut sich auf und Kanada wird ihn willkommen heißen und Amrums Türen immer offen stehen für Jolly. Gute Reise!
Liebe Amrumer/Amrumer Gäste,Lieber Chef
ich möchte mich herzlich bei Ihnen und Euch bedanken!
26 Jahre auf Amrum gehen für mich zu Ende. Ich bin froh und dankbar für diese Zeit. Wie wenig vorhersehbar es doch war, dass ich aus Indien kommen würde und mich so wohl hier fühlen würde, das ich solange hier bleibe. Ich habe in dieser Zeit sehr viele Menschen kennengelernt und habe gute Freunde gefunden. Mit Euch durfte ich das Leben auf dieser schönen, kleinen Insel mit dem großen weißen Strand teilen.
Besonders bedanken möchte ich mich bei meinem Chef für so viele Jahre gute Zusammenarbeit und Vertrauen. Nun aber ist die Zeit gekommen, in der ich näher bei meiner Familie in Kanada sein möchte. Es ist Zeit für mich Amrum zu verabschieden. Das ist traurig, da diese Insel jener Ort für mich ist, von dem ich als Kind geträumt hatte.
Ich kann nur sagen: Nochmals vielen Dank für Eure Freundschaft und Unterstützung, für die gute Zusammenarbeit und für eine schöne Zeit.”
Jolly
Kuldeep Singh Padwal