Bierchen für den Arzt? Neuer Amrum-Krimi von Bent Ohle …


Bent Ohle hat jetzt das vierte Mal Amrum zum Krimithema gemacht.
© Bent Ohle

Hoffentlich kommt es nie, wie im Pressetext zu Bent Ohles neuem Amrumkrimi angedeutet, dass man nämlich: nach der Lektüre dieses Romans die Türen seines nächsten Ferienhauses sicher fest verschließen wird. Bei aller Spannung – das will man doch nicht. Gerade die Offenheit der kleinen Insel ist doch so besonders.

„Gerade die Abgeschiedenheit der kleinen Insel war das Besondere“, sagt Bent Ohle am Telefon über sein neues Buch. „Eine Insel im Orkan, Weihnachten als Familienfest und die Konzentration auf einen Ort haben ihn gereizt als Rahmen für seinen inzwischen vierten Amrum-Krimi. Der letzte, „Inselschatten“, liegt vier Jahre zurück, zwischendurch ist der 47-Jährige schreibgeografisch mal fremd gegangen an den Gardasee – auch eine seiner lieb gewonnenen Urlaubsregionen. Nun aber wieder Amrum, was er lieben gelernt hat durch seine Frau, die hier als Kind jedes Jahr ihre Ferien verbrachte. „Ich hatte so eine Sehnsucht nach der Insel, da kehrt man immer wieder hin zurück.“

Inseldämmerung ist der Titel seines neuen Romans. Anders wollte er diesen Krimi angehen. „Ich wollte zwar an die anderen anknüpfen, das Personal von damals benutzen, es aber anders erzählen. Nicht mehr so viele Zeitebenen, nicht mehr so viel aus der Vergangenheit. Ich wollte nur einen Ort und nur eine sehr komprimierte Zeit und aus verschiedenen Perspektiven erzählen, die sich nachher alle auf Amrum treffen. Da habe ich ein bisschen überlegen müssen. Mir gefiel auch die Idee, Gut und Böse einzuschließen auf der Insel. Und es zu Weihnachten spielen zu lassen. Da habe ich mich drauf gefreut, weil es auch eine Art Familienkrimi ist. Es war ein großer Reiz, das zu erzählen. “

So spielt „Inseldämmerung“ genau genommen binnen zweier Tage um Heilig Abend herum. Erzählt wird aus Sicht der Täter, der Opferfamilie, der Polizei. Und eigentlich spielt der 280-Seiten-Roman nur durch Zufall auf Amrum, denn an welches Gestade es die miese Dreierbande spült, die nach dem Überfall auf einen Hamburger Geldtransporter bei verheerendem Sturm mit einer Yacht von Finkenwerder die Elbe runter Richtung Nordsee fliehen … an welchen Strand es sie also kloppt, als der Motor seinen Geist aufgibt … hätte genauso gut woanders enden können. Es endet auf Amrum, am Kniep, der bis an die Dünen unter Wasser steht und wo sich die Gauner verletzt gerade noch retten und bis zum ersten Haus hinter dem Wald am Strandweg schleppen können: das beschauliche – und leider total abgeschiedene – Heim auf Zeit einer fünfköpfigen Familie aus dem reicheren Hamburger Umland. Ein Traumpaar – sie Lehrerin, er Medienberater, Liebe seit dem Sandkasten, fürsorglich ohne Ende, drei vortreffliche Kinder: der älteste schwer pubertierend, der jüngste am Wickeltuch knappernd, die Tochter mit Ukulele und YouTube-Kanal.

„Familie wird als Motiv ganz groß geschrieben“, sagt Ohle. Parallelen zu seinem eigenen Leben scheinen auf. „Da kann man schon viel aus der eigenen Familie mit einbringen an Problemchen. Das fand ich interessant.“ Er lacht.

Auch er kennt seine Frau seit Jugendzeiten, von den zwei Kindern ist der älteste 15 Jahre alt.

Bent Ohle, der in Braunschweig lebt, hat Storyboarderfahrung aus seinem Studium an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg. Vielleicht kriegen seine Spannungsbögen deshalb immer so gut die Kurve.  Er packt seine Kapitel unter Überschriften, die minutengenau die Zeit angeben an diesen beiden Weihnachtstagen. Mag am Anfang alles recht langsam fließen, wenn die Erzählstränge sich erst aufgebaut haben, drehen sie sich immer schneller zu einer Handlung zusammen, die ordentlich unter Druck steht.

Sehr entspannend beim Lesen ist die Tatsache, dass Ohle – trotz des Genres des Regionalkrimis – auf zu viele Einzelheiten der Region verzichtet: Natürlich erkennt man Amrum wieder. Aber der Autor haut dem Leser nicht auf Teufel komm raus jedes Detail seiner Lieblingsinsel um die Ohren, damit er zwischen den Seiten bloß immer begeistert ausrufe … ah, das kenne ich! Ah, da war ich auch schon! Ganz wunderbar, diese Zurückhaltung. In ihr glänzt der ein oder andere Friese umso heller mit subtilem Humor à la „Bierchen für den Arzt?“ – fragt der Arzt, während er sich auf eine Haus-OP vorbereitet.

Grüner Arbeitsplatz: Der eigene Garten. Hier entstand Ohles neuer Amrumkrimi
© Bent Ohle

Corona sei ihm beim Schreiben schon eine kleine Hilfe gewesen. „Dadurch, dass so wenig ging, hatte ich viel Zeit zum Arbeiten, ich war viel konzentrierter an der Geschichte.“ Seine Frau zuhause, die Jungs zuhause, er an einem kleinen Holztisch draußen im Garten unter dem offenen Schuppendach. Da hat Ohle geschrieben – „fast den ganzen Roman“. In knapp vier Monaten. „Mit Blick ins Grüne.“

Es gibt Stellen im Roman, die sind ganz schön brutal. „Die anderen Bücher waren grausamer, wirklich“, sagt Ohle über „Inselschatten“, „-blut“ und „-grab“. „Serienkillergeschichten, da floss schon mehr Blut. Hier ist es eher das Psychoduell zwischen dem Gangsterboss und dem Vater.“

Ohle hat sich dieses Mal auf einen Mikrokosmos konzentriert, auf das Psychospiel eines Soziopaten-Täters, der seiner jugendlichen Geisel gute Ratschläge gibt, bis der Charakter wegen einer Nichtigkeit bricht und in Gewalt umschwenkt.

„Ich gebe auch den Tätern immer eine Hintergrundgeschichte und beleuchte deren Werdegang“, sagt Ohle. „Hier kommt der Gangster in so eine Familiensituation, sieht die Idylle und vergleicht sie mit sich und seiner Familie.“ Davon, dass die verdammt schwierig war, bekommt der Leser eine Ahnung.

Spannend: neuer Amrum-Krimi „Inseldämmerung“

Bent Ohles Familie hat jetzt übrigens aus dem Tierheim einen Hund. Weshalb sie, als der letzte Nordseeinsel-Urlaub anstand, nach Sylt ausweichen musste, weil auf Amrum so kurzfristig keine Hundequartiere mehr zu bekommen war. „Sylt ist eine super hundefreundliche Insel“, sagt Ohle und lacht. „Aber es ist halt nicht Amrum.“. Also kein Syltkrimi demnächst? Ohle winkt ab. Für nächstes Jahr sei ein Münsterländer Krimi geplant und 2022 kommt dann wieder einer vom Gardasee.

Jetzt aber erst mal Amrum. Der Krimi zur Weihnachtszeit.

Bent Ohle, Inseldämmerung. Köln: Emons Verlag 2020, 288 Seiten, 13 Euro,

ISBN: 978-3-7408-0934-8

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Über Undine Bischoff

Journalistin und Texterin. Fuhr mit drei Jahren zum ersten Mal über den Kniep – in einer Schubkarre. Weil ihr Vater da draußen eine Holzhütte baute, zwanzig Feriensommerjahre lang. Betextet Webseiten und Kataloge, schreibt für verschiedene Medien und natürlich für Amrum News.

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