Oner üs – Unter uns; Wilfried “Willi” Martensen …


„Hoffentlich passen die Amrumer auf Amrum auf.“

Auf Amrum kennt jeder jeden? Stimmt nur fast und nachfragen lohnt sich trotzdem: Hoker beest dü? An: Hü gong’t? Wer bist du? Und: Wie geht’s?

Wilfried „Willi“ Martensen: „Friesenblau und Rot“

„Ich bin für die Arbeit nach Amrum gekommen und habe es bis jetzt noch nicht bereut. Hero Blome von ‚Mausbau‘ suchte Leute, da habe ich mich beworben. Hero sagte: „Komm sofort rüber.“ Es hörte sich gut an. Ich bin auf die Insel gefahren, habe mich vorgestellt. Das war 2011. Zuerst wohnte ich in einem Keller. Meine Bedingung, dass ich bleibe: Ich möchte eine Wohnung haben.

„Ich bin ein Flohmarktgänger. Meine Sammlung habe ich über die Jahre zusammengestellt.“

Bei dieser Wohnung hier haben mir mein Herz, mein ganzes Gefühl sofort gesagt: „Nehm ich.“ Mein Vermieter ist Volli Lampe (Volkert Petersen). Es ist alles in einem Zimmer. Tagsüber klappe ich das Schrankbett hoch. Volli wollte es herausnehmen, aber ich sagte: „Das lässt du stehen.“ Was für eine Platzersparnis. Der Hammer. Die anderen Möbel habe ich alle selber entworfen und gebaut. Du musst dich fragen, wie du dich einrichtest und was zu dir passt. Das muss jeder für sich herausfinden. Erst war es ein Durcheinander aus Holz. Dann habe ich alles in Friesenblau und Rot angemalt und überlegt, wie ich meine Sammlung anordne.

Ich habe eine Indianer-Sammlung aus über 100 Figuren und Gegenständen. Die ist über die Jahre entstanden. Ich gehe gerne auf Flohmärkte.

Vor ein paar Jahren stand ich eines Morgens auf und pinkelte Blut. Reines Blut. Ich dachte erst, ich wäre angeschossen. Ich dachte: „Blute ich jetzt aus? Was ist das denn? Auf einmal!“ Ich bin kein Arztgänger. Aber da habe ich dann einen Arzt aufgesucht. Sofort ging es los und ich wurde von einem Arzt zum nächsten geschickt. Die müssen ja auch erstmal wissen, was es ist. Ganz am Ende kam einer dahinter: Die Niere war entzündet. Ich musste sechs Mal mit flüssiger Chemo behandelt werden. Ob das schön ist oder nicht. Hochprozentiges Zeug. Immerhin fielen die Haare nicht aus.

Danach kamen die ganzen Papiere auf mich zu. Erwerbsunfähigkeits-Rente. Nur, weil ich vorher so viel gearbeitet hatte. Ich war mein Leben lang auf dem Bau, durchgehend seit ich 15 war. Erstmal musste ich mich hinsetzen und überlegen: „Was ist das überhaupt? Ein Rentner sein?“ Ich bin 60, die nächsten 5 Jahre wäre es nicht besser geworden. Du wirst älter, du schleißt mehr auf. Jetzt beziehe ich Rente, ich kriege 60 Prozent. Es läuft, ich fühle mich abgesichert. Jeden Monat kommt das Geld.

Willi Martensen über Amrum: „Man trifft sich, man kennt sich, jeder macht sein Ding.“

Ich wollte mal ganz weg. Aber wohin? Erstmal bleiben. Wir haben den besten Strand hier. Die Robben liegen da, das Wasser rauscht. Ich muss nicht nach Mallorca. Nichts gegen Mallorca. Aber wir haben hier einen Hammerstrand. Hoffentlich erhalten die Amrumer ihre Natur. Und hoffentlich passen die Amrumer auf. All diese Häuser, die leerstehen, all diese Zweitwohnungsbesitzer. Corona hat es noch mehr ans Licht gebracht. Nicht, dass es so kommt wie auf Sylt, dass die Leute ausgetauscht werden. Ich habe auch schon als Maurer auf Sylt gearbeitet und mit Schwerstmillionären zu tun gehabt. Ich meine, auf Amrum kippt es gerade. Das ist nicht gut.

„Ich wollte mal ganz weg. Aber wohin? Erstmal bleiben. Es ist schön auf Amrum.“

Ich fahre viel Fahrrad oder sonst bin ich gerne in meiner Garage. Die habe ich von Jens Quedens gemietet und mir eingerichtet. Zum Basteln, Machen, Tun. Dort ist auch mein Briefkasten; hier hinten an meiner Wohnung hat mich nie einer gefunden.

Ich lebe alleine. Ein Hund wäre vielleicht noch mal was.“

 

Über Anna Jannen

Anna Jannen, geboren 1982, aufgewachsen auf Amrum, studierte Germanistik, Politik und Pädagogik in Hamburg und Aix-en-Provence. Sie ist Studienrätin und freie Journalistin. Seit 2016 lebt sie mit ihrer Familie wieder auf der Insel, unterrichtet Öömrang und schreibt.

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