„Das probiere ich nicht“, stellt mein kleiner Sohn Momme klar. Seine Hände stecken bis zum Ellenbogen in der Schüssel mit Keksteig. Normalerweise würde er jetzt rohen Teig stibitzen, wann immer er glaubt, dass ich nicht hingucke. Jetzt sagt er erschrocken: „Das riecht komisch, und es fühlt sich an wie Knete.“
Es riecht nach Kokosöl und Ahornsirup. Ich mag beide Aromen, aber Momme hat Recht – das vor uns in der Schüssel ist etwas ganz anderes als die zuckrige, buttrige Mischung, die wir sonst zusammenrühren, wenn es um Weihnachtsplätzchen geht. Worum geht es also heute? Um so etwas wie gesunde Vanillekipferl, nach einem Rezept meiner Freundin und Nachbarin Iryna.
Jedes Jahr in der Adventszeit bringt Iryna mir einen Teller mit ihrem fantastischen Gebäck vorbei: Lebkuchen, Zimtsterne, Kipferl, Krokant. Und jedes Jahr staune ich, wenn ich höre, was drin war oder vielmehr was nicht drin war. Keine Spur von Weißmehl oder industriellem Zucker, stattdessen lauter Superfood-Zutaten wie Chiasamen oder Quinoa. Viele von Irynas Rezepten sind vegan, alle sind überaus nahrhaft, bekömmlich und köstlich.
Nachdem die Kinder und ich blecheweise äußerst unheilige Kekse nach Rezepten aus dem Grundbackbuch von Dr. Oetker produziert haben (das Buch ist im Jahr 1989 gedruckt worden und weit entfernt von der Idee, gesund oder geschweige denn rein pflanzlich zu backen), sind wir so weit: Wir vermengen Dinkelmehl, gemahlene Mandeln, Kokosöl, Ahornsirup, etwas Salz und einen Teelöffel Bourbon-Vanille.
Zuerst ist das Ganze eine einzige bröselige Angelegenheit. Ich habe es verpasst, das Kokosöl genügend zu schmelzen. Es klumpt, nichts verbindet sich miteinander. Ich denke an Peter Lückels Artikel übers Backen und daran, dass er eine KitchenAid hat. Ob es damit vielleicht geschmeidiger gegangen wäre? Inzwischen hat Momme das Rührgerät ausgeschaltet und die Ärmel hochgekrempelt. Er knetet und knetet und siehe da: Zwischen seinen Fingern wärmt sich das Kokosöl, und nach einigen Minuten verwandelt sich die krümelige Masse in einen Laib Keksteig.
Ich bin erleichtert, die Kinder skeptisch. „Und jetzt?“
„Jetzt formen wir Halbmonde“, ordne ich an. Wir geben uns Mühe. Weiterhin ist keiner versucht, den Teig zu probieren, also können wir uns ganz aufs Modellieren konzentrieren. Das Ergebnis: Nun ja. Aus Halbmonden werden Vollmonde; lieber schnell in den Ofen damit.
Ich räume die Küche auf und überlege, dass es vielleicht auch eine Generationenfrage ist, sich damit herauszufordern, gesund zu backen. Meiner Mutter und meinen beiden Großmüttern ist und war der Gedanke völlig fremd, von einem Keks irgendetwas anderes zu erwarten, als einfach nur gut zu schmecken. Ich wiederum experimentiere seit Jahren mit zerdrückten Bananen statt Zucker in Kuchen. Wenn ich etwas Selbstgebackenes anbiete, fragen meine Eltern immer erstmal misstrauisch, ob es denn auch „echter“ Kuchen sei.
Gut zehn Minuten später erfüllt ein unerwartet verführerischer, karamelliger Duft unsere Wohnung. Wir holen unsere rustikalen Kipferl aus dem Ofen, gedulden uns kurz und dann: „Die schmecken ja richtig gut!“ Vor lauter Appetit und Neugier vergessen wir den letzten Zubereitungsschritt. Eigentlich sollten die Kipferl nach dem Backen noch in Birkenpuderzucker gewälzt werden, der pflanzlichen, kalorienarmen und zahnschonenderen Alternative zu „echtem“ Puderzucker. Bestimmt sehen sie dann eher aus wie „echte“ Vanillekipferl. Egal. Wir haben sie so genossen.
So oder so, ob mit oder ohne Zucker: Läät jam det smääk! Lasst es Euch schmecken!
Rezept für Vanillekipferl der anderen Art:
200 g Dinkelmehl
100 g gemahlene Mandeln
150 g Kokosöl
80 ml Ahornsirup
eine Prise Salz
1 Teelöffel Bourbon-Vanille
Zu Monden nach Wahl formen und etwa 12 Minuten bei 200 Grad backen.