Herausragende Kunstaustellung auf Amrum …


Vergessene Moderne – Hans Jaenisch auf Amrum, NaTour-Düne Wittdün, Bild „Meditation“, 1968, Öl auf Leinwand

Sicher mehr als 200 Kunstinteressierte waren letzten Sonntag in die „NaTour-Düne“ zur Vernissage der Kunstausstellung „Vergessene Moderne – Hans Jaenisch auf Amrum“ gekommen. Diese wahrlich außergewöhnliche Ausstellung mit Werken des Künstlers ist eine Hommage auf Hans Jaenisch, der 1953 das erste Mal auf die Insel kam, 1964 ein Atelier im Dachgeschoss eines damals neugebauten Hauses in Steenodde anmietete und  1974 ein eigenes Haus im Maalenstegalk, „auf dem Mühlenhügel“, in Nebel bezog.

Eröffnung der Ausstellung durch Astrid Thomas-Niemann, Dr. Friedhelm Häring und Jens Quedens

Nach kurzen Einführungen durch Jens Quedens vom Öömrang Ferian sowie Astrid Thomas-Niemann, der Initiatorin und Organisatorin der Ausstellung, erfolgte durch den Kunsthistoriker Dr. Friedhelm Häring aus Friedberg eine hochinteressante und äußerst kurzweilige Einführung in das Leben und das Werk des Künstlers, der ganz eigene Kunstformen entwickelte. Beispielsweise bemalte er bei seinen „Temperabildern“ mürbe gewordene, handgewebte Leinentücher und Bettlaken, die er u. a. von Amrumer Hausfrauen erhielt, nachdem diese sie „ausrangiert“ hatten.

Hans Jaenisch in seinem Atelier mit Blick auf die Nebeler Mühle, 1974, auf der Staffelei das Bild „Kiebitz“, Temperaleinen (Quelle: Fritz-Winter-Haus, Ahlen)

Hans Jaenisch wurde am 19. Mai 1907 in Eilenstedt im Harzvorland (nördlich von Halberstadt) geboren. Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik konnte der Künstler als Autodidakt bemerkenswerte Erfolge erzielen und unterrichtete seinen surreal-abstrakten Stil  an der Kunstschule „Der Weg“. Das dann die Macht ergriffene nationalsozialistische Regime verhängte ein Ausstellungsverbot über seine „entartete Kunst“ und schloss die Schule, Jaenisch wirkte jedoch bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht in seinem privaten Atelier weiter. Bei seinem militärischen Einsatz in Nordafrika wurde er in seinem Stil von der orientalisch-islamischen Kunst ebenso beeinflusst, wie von der Weite der Landschaften und der indianischen Symbolik während seiner von 1943 – 1945 andauernden Kriegsgefangenschaft im Westen der USA. 1946 leitete er eine Malschule in einem schottischen Kriegsgefangenenlager um im selben Jahr noch in das zerstörte Berlin zurückzukehren. Hier thematisierte Jaenisch in seinem Nachkriegswerk die geschundene Stadt mit ihren Menschen und ihrer Insellage im Kalten Krieg ebenso wie die Freude über Freiheit und Neuanfang.

In der Ausstellung links „Schwebend“, 1957, Öl auf Leinwand, rechts „Bedrohte Räume“ (ohne Jahresangabe), Öl auf Leinwand

1950 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Berlin und 1953 wurde er zum Professor an die Hochschule für Bildende Künste in Westberlin berufen, an der er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1976 wirkte. 1979 wurde ihm für seine besonderen Leistungen auf kulturellem Gebiet das Bundesverdienstkreuz verliehen. Jaenisch war zweimal verheiratet, seine erste Frau „Roki Jaehnisch“ verstarb 1970, 1972 heiratete er „Adi Raabe“. Er verstarb am 6.Juni 1989 in seinem Haus auf Amrum und wurde auf dem neuen Friedhof neben seiner ersten Ehefrau beigesetzt. Leider ist dieses Grabmal bereits vor vielen Jahren aufgelöst worden. Hans Jaenisch war eine charmante und nette, wenn auch ein etwas eigene und in der Öffentlichkeit eher zurückhaltende Künstlerpersönlichkeit, und noch heute erinnern sich seine ehemaligen Nachbarn im Maalenstegalk an „den Mann mit der Zigarre“. Auch dürften sich in manchen Kellern oder Speichern so einiger Amrumer Häuser noch kunstvolle Hinterlassenschaften des Künstlers befinden. Er gehörte zu einem feierfreudigen Freundeskreis prominenter Künstler die gleichfalls auf Amrum Häuser hatten. So trafen sich Jaenischs regelmäßig z. B. mit Peer Schmidt und Helga Strack, Hansjörg Felmy und Elfriede Rückert oder Hermann Prey mit Ehefrau Barbara bei Thea und Heinrich Andresen im „Ekke Nekkepenn“ zu feuchtfröhlichen Runden. Der Vielen auf Amrum bekannte, im Juni 2022 hier verstorbene Künstler und Wahl-Amrumer Ottfried „Panscho“ Schwarz, der in der 1960 Jahren bei Professor Jaenisch in Berlin studiert und bei ihm seine Abschlussprüfung abgelegt hatte, sagte über seine Kunst: „Er war ein Wegbereiter der Moderne!“

Mit dieser Ausstellung, die unter der Federführung des Amrumer Heimat- und Naturschutzvereins „Öömrang Ferian“ organisiert wird, soll dazu beigetragen werden, dass Hans Jaenisch auf Amrum im Gedächtnis bleibt und sein Werk hier neu entdeckt werden kann, war er doch einst „ein Teil von Amrum“. Einhundert Gemälde, Bilder und Skulpturen aus seinem Nachlass werden hierfür vom „Fritz-Winter-Haus“ in Ahlen, in dem viele Kunstwerke aus Vergangenheit und Gegenwart gesammelt sind, zur Verfügung gestellt. Das hier diese großartige Sammlung der Werke von und über Hans Jaenisch möglich geworden war, ist der 2015 verstorbenen zweiten Ehefrau, Adelheid Jaenisch, zu verdanken, die nach seinem Tod das Vermächtnis des Künstlers katalogisiert und verwaltet hat um es dem Fritz-Winter-Haus zu überlassen.

Dr. Friedhelm Häring erläutert das Schaffen von Hans Jaenisch vor dem Bild „Priel“, 1975, Öl auf Leinwand

Bis zum 31. Oktober 2023 sind die Exponate an zwei Ausstellungsorten zu besichtigen: Die auf Amrum entstandenen Kunstwerke werden im Saal der „NaTour-Düne“ in Wittdün, Am Schwimmbad 1, gezeigt (Öffnungszeiten sonntags bis donnerstags 12 – 17 Uhr), Werke aus den Jahren 1926  –  1953, der „Vor-Amrum-Zeit“, sind in der Bilderhalle von Gabi Paulsen im Gewerbegebiet Süddorf zu besichtigen (bitte nur nach Vereinbarung, Tel. 04682-2054). Der Eintritt in beide Ausstellungen ist frei, um Spenden an den „Öömrang Ferian“ wird jedoch gebeten (IBAN DE49 2179 1906 0030 105325, Stichwort „Jaenisch“). Ein 60-seitiger Katalog zur Ausstellung kann gegen eine Spende erworben werden. Die Einführung bei der Vernissage in das Schaffenswerk von Hans Jaenisch durch Dr. Friedhelm Häring wurde filmisch festgehalten und wird nach Bearbeitung der Aufnahmen demnächst während der Öffnungszeiten der Ausstellung in Wittdün vorgeführt werden. So kann der Besucher sich in die Werke des Künstlers hineindenken und auch seine Aussage „Bildinterpretationen sind Übersetzungen und neue Bildereignisse, die, so losgelöst vom Ursprung sie erscheinen mögen, dennoch immer in die optische Umwelt deuten“, verstehen.

Diese große Retrospektive zu Hans Jaenisch findet genau 70 Jahre nachdem er im Spätsommer 1953 das erste Mal auf Amrum war statt und ist absolut sehenswert!

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Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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