Auch Kindern gefällt die moderne Kunst in Wittdün …


Führung durch die Ausstellung: Auf der Spur der Zeichen…

Die letzten Tage vor den Amrumer Herbstferien nutzten die Bütjen Jongen („Draußenkinder“) des Inselkindergartens und zwei Klassen der Öömrang Skuul für einen Besuch der Ausstellung „Vergessene Moderne: Hans Jaenisch auf Amrum“ in Wittdün.

Bei bestem Herbstwetter hatten sich die Dritte und die Fünfte Klasse mit ihren Lehrerinnen Miriam Traulsen und Annelie Hansen zu Fuß auf den Weg von Süddorf zur NaTour-Düne in Wittdün gemacht, um abwechselnd die Ausstellung zu erkunden, draußen zu boßeln und drinnen zu malen – ein gelungener Ausflug, der allen viel Spaß gebracht hat.

Einige der Schulkinder hatten mit dem Kindergarten schon das Museum Kunst der Westküste auf der Nachbarinsel Föhr besucht und erinnerten sich noch gut an die Museumsregeln: „Nicht rennen, andere nicht stören und die Kunstwerke nicht anfassen.“ Nun konnten sie zum ersten Mal auch auf Amrum eine große Kunstausstellung anschauen.
Welche Überraschung in den Kinderaugen, als die Dritt- und Fünftklässler:innen in den zum Museum verwandelten Saal der NaTour-Düne traten! „Hat das ein Mann alles selbst gemalt?“, staunten beide Klassen gleichermaßen und waren begeistert von den Farben und Formen der Kunstwerke, die Hans Jaenisch in seiner Amrumer Zeit zwischen 1953 und 1989 geschaffen hat. Jaenisch schuf aber nicht nur diese großartigen Bilder und Skulpturen, die zum ersten Mal auf Amrum zu sehen sind, sondern hat als Hochschulprofessor in Westberlin auch viele namhafte Künstler:innen ausgebildet.
Dass er schon als Schüler hervorragend zeichnen konnte, aber als Künstler in widrige Zeiten geriet, Soldat werden und nach Nordafrika in den Krieg musste, erfuhren die Kinder bei einer kleinen Führung durch die Ausstellung. Erst mit 46 Jahren kam er zum ersten Mal nach Amrum, und da sah es auf der Insel noch recht anders aus. Damals war die Weite der Dünenlandschaft noch überall auf der Insel spürbar. Die Amrumer Dünen waren flacher und, was was heutige Kinder wie auch viele Erwachsene erstaunt, der Amrumer Wald wurde gerade erst gepflanzt, u.a. von den damaligen Schulkindern. Inzwischen prägen Wald und Dorfgrün den Inselkern.
„Aus dem Haus von meinem Opa in Norddorf konnte man früher den Leuchtturm sehen“, wusste auch eines der Kinder zu berichten, die sich mit ihren Fragen und Ideen lebhaft am Rundgang durch die Ausstellung beteiligten und kein bisschen mit der modernen Kunst fremdelten. Im Gegenteil: Die Kinder fanden es spannend herauszufinden, was auf den Bildern zu sehen ist, und brachten ihre eigenen Interpretationen ein. Treffendes Fazit eines Drittklässlers vor Jaenischs Ölgemälden „Zwei Paare“ und „Zwietracht“: „Das da ist die Liebe, und das ist der Streit.“
Dass Jaenisch der Phantasie keine Grenzen setzt, gefiel den Kindern ganz besonders. So entdeckte ein Bütjen Jong in dem Ornabil „Großes Tor“ einen Löffel, andere sahen darin eher ein Kleid oder einen Pullover und ein Fünftklässler sogar ein Kettenhemd, hinter dessen Ornamentgeflecht eine ganze Fantasy-Schlacht tobte, die sich angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit nur ansatzweise ausbreiten konnte.
Angeregt von den Bildern an den Wänden, griffen die Kinder zu Stiften und Papier und machten sich daran, „ihr“ Bild zu malen. Mit großem Engagement waren alle bei der Sache, und es entstanden ganz wunderbare, mutige Arbeiten, die in starken Farben jenseits von Leuchttürmen und den üblichen Motiven auch etwas von Amrum erzählen.
Das hätte Professor Jaenisch sicher gefreut. Denn es ist überliefert, dass er sich einst immer mal unerkannt in Anzug, Schlips und Kragen in seine Ausstellungen in der Amrumer Windmühle setzte und lauschte, was die Leute zu seinen Temperaleinen so sagten. Die Ohren gespitzt habe er vor allem, wenn Kinder etwas dazu äußerten.
Was ihnen besonders gut gefallen habe, fragte Miriam Traulsen ihre Klasse im Anschluss an den Besuch. „Die verschiedenen Zeichen in den Bildern und dass man selbst sagen darf, was das Bild bedeutet“, antwortete ein Drittklässler. Besser kann man moderne Kunst kaum beschreiben.
Die Ausstellung „Vergessene Moderne: Hans Jaenisch auf Amrum“ läuft noch bis zum 31. Oktober 2023 im Saal der „NaTour-Düne“ in Wittdün auf Amrum (Am Schwimmbad 1) und ist sonntags bis donnerstags von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Der Besuch lohnt sich. Es gibt täglich mehrmals eine Einführung in das Werk des Künstlers und sogar einen begleitenden Katalog zur Ausstellung.
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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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