Peters Eisenbahn …


Als ich am Ostersamstag 1954 geboren wurde, ging mein Vater noch am selben Tag in ein Spielwarengeschäft und kaufte eine elektrische Eisenbahn. Es war eine Dampflok der Baureihe 89 mit 2 Personen- und einem Postwagen samt Gleisen und zwei Weichen der Firma Märklin im Maßstab Spur H0. Natürlich hat in den ersten Jahren nach meiner Geburt vornehmlich mein Vater damit gespielt, aber die Anlage wurde im Laufe der Zeit und zu besonderen Anlässen, hauptsächlich zu Weihnachten oder zu meinem Geburtstag, immer erweitert. 1960 konnte dann in der Vorweihnachtszeit schon ein ansehnlicher Fuhrpark mit erweiterte Gleisanlagen aufgebaut werden. Neben der BR 89 zog die damals hochmoderne Diesellok V 200 Schnellzugwagen über die Schienen und später kamen auch noch der Schienenbus VT 95 und eine Rangierlok der Baureihe V 60 zum Einsatz. Auch ein Bahnhofsgebäude, weitere Häuser, eine Kirche und sogar eine Windmühle durfte ich mein Eigen nennen. Damals hatte ich noch überhaupt keine Beziehungen zur Insel Amrum und erst als ich 2007 für ein halbes Jahr nach Amrum kam lernte ich, dass die „kleine“ Mühle in Süddorf die Vorlage für meine Mühle (Windmühle Bertha der Modellbaufirma Faller) war.

Der kleine Peter mit seiner Eisenbahn …

Ende der 60er Jahre wohnten wir in Landsberg am Lech und unserer Familie und meinem Vater stand als Berufsoffizier und Kommandeur eine geräumige Dienstwohnung zu. Ich erhielt das größte Zimmer und auch in diesem Kinderzimmer wurde zu Weihnachten die Eisenbahnanlage aufgebaut. Mittlerweile gab es eine feste Platte die auf Holzböcke gestellt wurde und auf der die Schienen fest montiert waren und „im Untergrund“ Kabel verlegt waren. Natürlich träumte ich davon, dass die Anlage immer weiter vergrößert werden würde, was allerdings nicht ging, da die Platte schon so groß war, dass sie fast mein gesamtes Zimmer einnahm und man gerade noch darum herum gehen konnte um ins Bett oder an den Schreibtisch für die Hausaufgaben gelangen zu können. Gerade in der Vorweihnachtszeit war mein Zimmer mit der Eisenbahn ein beliebter Treffpunkt für meine Freunde, die auch elektrische Eisenbahnen hatten, um miteinander zu spielen. Manchmal entstanden kleine Reibereien wenn es um die Frage ging, wer denn nun die bessere Eisenbahn hätte, denn es gab ja mehrere Hersteller. Märklin, Trix oder Fleischmann, da gab es durchaus unterschiedliche Vorstellungen, so ähnlich ob man als Autofahrer lieber einen Mercedes oder einen BMW fährt, oder als Fotograf Apparate von Canon oder Nikon bevorzugt.

Als 1969 mein Großvater starb zog meine Großmutter zu uns in die Wohnung und bekam „mein“ Zimmer, ich musste mich fortan mit einen deutlich kleineren aber auch gemütlichen Zimmer begnügen, in dem allerdings überhaupt kein Platz mehr für die Eisenbahn war. Häuser und Fahrzeuge wurden eingemottet und samt der Anlage im Keller verstaut. Das war quasi das Ende meiner Eisenbahnspielzeit. Hinzu kam, dass ich als 15jähriger so allmählich auch andere Interessen entwickelte und es vermeintlich interessantere Modellbauvarianten gab. Zu dieser Zeit waren Autorennbahnen voll im Trend und so nörgelte ich so lange herum, bis ich eine „Carrera“ Autorennbahn bekam. Allerdings musste ich mich dafür endgültig von meiner Märklin Eisenbahn trennen, sie wurde auf Geheiß meines Vaters zur Finanzierung der Autorennbahn an den Spielwarenhändler verkauft. Der hat mit Sicherheit dabei ein Bombengeschäft gemacht, denn ich bin davon überzeugt, dass die gesamte Eisenbahnanlage einen weitaus höheren Wiederverkaufswert als den Preis für die Rennbahn hatte. Und wenn man heute sich etwas im Internet umsieht, könnte man durchaus alleine nur für die Dampflok BR 89, Herstellungsjahr 1954, einen Sammlerwert von ca. 350,00 € erzielen.

Heute bereue ich es, die Märklin-Anlage hergegeben zu haben. Weniger aus materiellen Gründen, sondern den ideellen Wert würde ich heute zu schätzen wissen. Meine Eisenbahn, oder zumindest Teile davon, wären genauso alt wie ich und könnten mich stets an meine Geburt und meine Kindheit erinnern. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass meine Mutter strikt dagegen war die Eisenbahn zu verkaufen, sie konnte sich jedoch letztendlich nicht gegen „ihre“ Männer durchsetzen.

Über Peter Totzauer

Dr. med. Peter Totzauer, Facharzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Spezielle Schmerztherapie, geb. 1954 in Fürth/Bay.,hat, bedingt durch den Beruf des Vaters, als Kind u.a. 4 ½ Jahre in Frankreich gelebt. Abitur 1974 in Köln, Studium der Humanmedizin an der Universität Bonn. Seit 1982 ärztlich tätig, davon viele Jahre als Oberarzt in der Anästhesie und als Leitender Notarzt in Euskirchen. War 2007 für ein halbes Jahr im Rahmen einer „Auszeit“ vom Klinikalltag bei seiner Lebensgefährtin Claudia auf Amrum. Dies hat ihm so gut gefallen, dass er seit Ende 2008 seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ganz auf die Insel verlegt hat und hier seit 2010 mit in der „Praxis an der Mühle“ arbeitet. Er hat zwei erwachsene Kinder, sein Sohn ist niedergelassener Physiotherapeut in Neuss, seine Tochter ist Lehrerin an der Öömrang Skuul.

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