Darf es ein bisschen mehr sein?


Das Friesenlädchen wird heute privat genutzt

Diese Frage hörten Kunden früher öfter – als es noch in jedem Inseldorf eine Fleischerfachabteilung gab. Das ist heute Geschichte. Aber wie war das Einkaufsverhalten grundsätzlich früher und möchte man heute alles online bestellen, was man in Amrumer Einzelhandelsgeschäften nicht findet?  Zu diesem Thema hat der Gesprächskreis der Kirchengemeinde am letzten Mittwoch im Februar ins Clemens Hüs geladen.

Dieter und Annegret Bachmann sind aus Norddorf gekommen. Leider ist Annegret kamerascheu …

Offensichtlich ein spannendes Thema, denn schnell sind alle Plätze rund um die frühlingshaft geschmückte Kaffeetafel mit Amrumer:innen aus allen Inseldörfern besetzt. Als Gastredner sind Annegret und Dieter Bachmann aus Norddorf gekommen. Sie führten „Das Friesenlädchen“ als Einzelhandelsgeschäft über 30 Jahre bis 2005 und wurden zunächst von der Vivo- und später von der Sparhandelskette beliefert. Sie berichten gerne aus ihrer aktiven Zeit: Auch wenn es in dem kleinen Lädchen beengt zuging, wurde er als Selbstbedienungsgeschäft betrieben. Während dieser Zeit konnten sowohl Amrumer:innen als auch Badegäste eingehend beobachtet werden. Allerdings war es für Annegret Bachmann immer schwierig mitansehen zu müssen, wie die Kundschaft mit Obst und Gemüse umging. Ansonsten ist viel von Vertrauen, Kundenfreundlichkeit und Dienstleistungsbereitschaft die Rede. So wusste fast jeder, wo der Ladenschlüssel aufbewahrt wurde und nicht selten fand das Ehepaar Bachmann am nächsten Morgen zur Ladenöffnung eine Mitteilung auf dem Tresen: „Ich habe ein Pfund Mehl gebraucht, bezahle morgen.“ Aber auch Urlauber, die nur mit Badehose und Handtuch unterwegs waren und vor Ladenschluss noch eine Kleinigkeit für‘s Abendessen brauchten, wurden versorgt: “Bezahlen könnt ihr morgen!“ Bei Ladendiebstählen wurde nicht sofort die Polizei gerufen und oft hatten mahnende Worte sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen guten Erfolg.

Inge Dethlefsen hat viel in ihrem Schlachtereiladen erlebt

Inge Dethlefsen steuerte manche Anekdote aus ihrem Schlachtergeschäft bei: Manchmal war die Warteschlange vor dem Tresen schon recht lang, wenn die Hausfrau einer Großfamilie am Samstag den Einkauf für das Wochenende startete. Da hieß es nur: Geduld haben! Auch Lotti Hoffmann saß in der gemütlichen Runde. Sie betrieb mit ihrem Mann Heinz bis 1998 den Nordseebazar in Wittdün. Dort konnte man sowohl Kurz- und Papierwaren als auch Spielzeug (insbesondere für den Strand) erwerben. Dieses alte Haus wurde leider gerade abgerissen.

Lotti Hoffmann hat über 20 Jahre den Nordseebazar in Wittdün betrieben

Die Anwesenden sind der Meinung, dass das Einkaufsangebot sich gerade im Winter schon sehr verringert hat. Den Hinweis, dass man aber u.a. frischen Fisch auch online bestellen kann, wird von vielen Besuchern mit: “Niemals!“ kommentiert.  Es steht fest: Lebensmittel muss man sehen und riechen können, während man Bekleidungsartikel auch schon früher gerne „verschrieben“ hat – bei Quelle, Otto oder Neckermann. Online-Bestellungen sind bei der Mehrheit in dieser Runde keine Option.

Heute verbinden einige der älteren Inselbewohner:innen einen Arztbesuch auf Föhr gerne mit einem Einkauf bei dem dort ansässigen Discounter oder machen sich einfach einen schönen Nachmittag mit einem Blick vom Sandwall auf die vorbeifahrenden Fähren und kommen mit dem gefüllten Hackenporsche am Abend zurück.

Schöner fänden es alle, wenn sich die leerstehenden Geschäfte auf der Insel mit Leben füllen würden.

Passend zum Thema hat Nora Grevenitz eines ihrer Gedichte (geschrieben 2014) mitgebracht:

Das Ende der Schlange

Er steht am Ende der Schlange, ist mürrisch und verstimmt.

Das Warten macht ihn mürbe, ist unter seiner Würde. Kostbare Zeit vergeht.

Er sieht inmitten der Schlange ein Mädchen, wunderschön.

Von der Schönheit leicht verwirrt, von ihrer Anmut fasziniert reibt er sich die Augen.

Ein lauter Streit in der Schlange, die Schöne mischt sich ein: Es sei ungeheuerlich!

Man hört obszöne Worte.

Nun steht er am Ende der Schlange erschrocken und fassungslos. Ihre hässliche Stimme entzaubert seine Sinne. Das Wunder ist dahin.

Er flieht vom Ende der Schlange hinaus in die freie Natur. Dieses engelhafte Wesen wär‘ ein schöner Traum gewesen. Es sollte nicht sein.

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Über Brunhilde Wnuck-Jessen

Brunhilde Wnuck-Jessen wurde 1956 in Dorsten geboren und machte dort 1975 ihr Abitur. Anschließend ging es zum Studium nach Köln, wo sie eine Amrumer-Clique kennenlernte. Der Liebe wegen zog sie 1984 nach Süddorf auf Amrum, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann Sönke wohnt. Nach 38 Jahren Schreibtischarbeit freut sich die Jungrentnerin nun auf viel gemeinsame Zeit mit ihren beiden Enkeltöchtern.

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