Rückkehr auf die Heimatinsel nach drei Jahren und neun Monaten …


Einmal übers Ortsschild …

Die, die es wussten waren alle da. Für die anderen war schnell klar: da ist etwas Besonderes los am Fähranleger!
Das war es in der Tat, und kommt auf der Insel nicht allzu häufig vor. Der junge Amrumer Henning Bruns war als Zimmermannsgeselle auf der Wanderschaft, und kehrte heute als Einheimischer auf seine Heimatinsel zurück.

Früh kam Henning mit dem Thema Rolandschacht, der Vereinigung traditioneller Bauhandwerksgesellen (Gründung 1891 in Nürnberg) in Berührung. Denn auch sein Vater Mario Bruns schlug zeitnah nach Beendigung seiner Lehre zum Zimmermannsgesellen den Weg als Rolandsbruder ein. Durch Hennings private Kontakte zu einigen Rolandsbrüdern und den Erfahrungen seines Vaters wuchs in Henning der Wunsch diesen Weg ebenso einzuschlagen. Nach erfolgreichem Abschluss zum Zimmermannsgesellen und einem zünftigen Abschiedsfest begann Henning`s Wanderschaft im September 2014 als Rolandsbruder, die nach den Regularien des Rolandsschachts drei Jahre und einen Tag andauert. In dieser Zeit darf ein Rolandsbruder den Bannkreis von 60 km um seinen Heimatort nicht betreten, muss schuldenfrei und unverheiratet sein. Zu erkennen sind die Rolandsbrüder an ihrer Kluft und der dazugehörigen Krawatte, der blauen Ehrbarkeit, dem Knotenstock (Stenz) und dem Charlottenburger, “Charly”. In diesem trägt der Wandergeselle seinen persönlichen Besitz bei sich.

Ritual auf dem Anleger …

Nach drei Jahren und neun Monaten kam Henning nun wieder zu Hause an.
Nach seiner Ankunft in Wittdün und vielen Ritualen und Liedern der mitgereisten Rolandsbrüder am Fähranleger schauten Familie, Freunde und Neugierige gespannt zu, wie Henning das Ortsschild überkletterte, um auf der anderen Seite endlich von allen herzlich begrüßt werden zu können.
Nach einigen Tagen konnte Amrum-News ein Interview mit dem Wandergesellen führen.

Amrum-News:
Henning, drei Jahre und neun Monate, da hast Du viel von der Welt gesehen. An welchen Orten warst Du überall?
Henning Bruns: 
Im ersten Jahr war ich innerhalb Deutschlands einmal in jedem Bundesland. Es folgten die angrenzenden Nachbarländer, z.B Luxemburg, Dänemark, die Niederlande usw. Eine große Tour um die Ostsee herum führte mich in die Länder Polen, Lettland, Litauen, Estland und Finnland. Ziele wie Ungarn, Tschechien, Schweiz, Österreich, Spanien, Italien, Schweiz und Norwegen gehörten zu meiner Reiseroute. Meine erste Übersee-Tor führte mich nach Afrika/Namibia, besuchte dann die Ostküste der USA, Asien/Vietnam und Südamerika. Dort war ich in Peru, Kolumbien und Panama.
Amrum-News:
In welchem Land hat es Dir am besten gefallen?
Henning Bruns:
Oh, da gibt es mehrere, zum Beispiel haben mich Norwegen, die Schweiz und das Allgäu sehr beeindruckt. Aber Afrika/Namibia sticht da für mich heraus. Dort ist es wirklich spektakulär, allein von der Tierwelt her. Aber nicht falsch verstehen- Urlaub ist das nicht, denn Arbeit ist überall. Und man ist ja auch ständig in der Zimmermannskluft unterwegs.
Amrum-News:
Du hast viele Dinge erlebt und gesehen. Was war Dein schönstes Erlebnis?
Henning Bruns:

Marsch über den Anleger …

Das schönste Erlebnis war, das ich meine Freundin Leila auf meiner Wanderschaft kennengelernt habe. Für mich ist es von allem das Tüpfelchen auf dem i.

Sehr schöne Erlebnisse habe ich erfahren bei den Menschen, die ich auf meiner Wanderschaft kennengelernt habe. Die Herzlichkeit der Bevölkerung und ihre Unterstützung und Hilfe, wenn es zum Beispiel um das Suchen einer Unterkunft oder ähnliches ging.
Besonders beeindruckt hat mich die Großzügigkeit der Menschen, denn die, die am wenigsten hatten, gaben am meisten. Fast 4 Jahre habe ich mich in dieser Welt bewegt, und festgestellt: so schlecht ist sie garnicht. Man muss nur die Augen aufhalten und nicht weggucken. 

Amrum-News:
Reist man allein oder mit mehreren Wandergesellen?
Henning Bruns:
Als ich vor fast 4 Jahren erwandert wurde, war ich die ersten Monate mit einem Wandergesellen gemeinsam unterwegs. Der Rolandschacht strukturiert sich durch die vielen einzelnen Gesellschaften. Eine Gesellschaft ist eine ortsansässige Gemeinschaft von Rolandsbrüdern die selbständig oder von einem Altgesellen geführt wird, und in denen sich Rolandsbrüder zusammenfinden. Es gibt sie im deutschsprachigen Raum, Europa, und Übersee. So hat man als Wandergeselle die Möglichkeit, Land und Leute besser kennenzulernen, wenn man länger an einem Ort bleibt. Die Gesellschaften stehen untereinander im Kontakt und Austausch durch regelmäßige Zunfttreffen. Dadurch ist man teil der Gemeinschaft, und weiß wo andere Rolandsbrüder sind. 
Amrum-News:
Wie würdest du Deine gesammelten Erfahrungen für Dich beschreiben?
Henning Bruns: 
Ich habe gelernt, im Leben nie aufzugeben. Nach einem Tief kommt auch wieder ein Hoch, es geht immer weiter. Ich habe gelernt, Menschen vorurteilsfrei und unvoreingenommen gegenüberzutreten, sie erst kennenzulernen. Ich vertrete offen meine Meinung, stehe zu ihr und kann auch Fehler eingestehen. Für mich war es wichtig, etwas aus mir zu machen und an mir zu arbeiten. 
Da gehört es auch dazu, äußerlich auf sich, seine Pflege und Kleidung zu achten, denn man vertritt ja das Bild eines Wandergesellen. Die beruflichen Erfahrungen waren enorm viel wert. Ich habe in 17 verschiedenen Firmen gearbeitet, und mir viel neues Wissen praktisch aneignen können. 
Amrum-News:
Gab es auf Deinem Weg einen Moment, indem Du alles hättest abbrechen wollen?
Henning Bruns:
Nein, nicht einen einzigen Tag. Natürlich habe ich viele Menschen vermisst. Aber so frei wie in diesem Rahmen werde ich nie wieder sein. Ich habe diesen Schritt nie bereut.
Amrum-News:
Du würdest also jederzeit wieder auf die Wanderschaft gehen?
Henning Bruns:
Ich kann es nur jedem, der die Möglichkeit hat, empfehlen. Zu reisen und seinen Horizont zu erweitern lässt einen Menschen reifen. Von diesen Erinnerungen und Erlebnissen zehrt man sein ganzes Leben. Sowohl von den guten als auch den schlechten. 

Vielen Dank Henning, für das schöne und interessante Gespräch!

 

 

Mehr zum Thema unter:  www.rolandschacht.org

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Über Susanne Jensen

Susanne Jensen wurde 1965 in Hamburg geboren. In Appen bei Pinneberg aufgewachsen, kam sie nach der Erzieherausbildung 1985 auf die Nordseeinsel. Die Mutter von zwei heut erwachsenen Söhnen arbeitete anfangs einige Jahre in der Fachklinik Satteldüne und war dann von1992 bis 2016 als Erzieherin in den Kindergärten Wittdün und Nebel beschäftigt. Nun ist Susanne wieder tätig als Erzieherin in der Fachklinik Satteldüne.

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