Öömrang üüb Oomram – Friesisch auf Amrum


Friesisches “Willkommens-Schild” in Norddorf

Amrum ist eine nordfriesische Insel. So zeigen es die Landkarten und so nennt es das Lexikon. In den älteren Inseldörfern stehen noch etliche Friesenhäuser, und der Inselbesucher wundert sich über die fremdartigen Straßennamen mit der Verdopplung von Selbstlauten. Der „Öömrang Ferian“, hat Amrumer Verein, der sich um die Natur und Kultur der Insel bemüht, hat eines der alten Häuser in Nebel, das „Öömrang Hüs“ im Urzustande bewahrt und als Museum zur Besichtigung eingerichtet. Auf vier Gedenksteinen, verstreut über die Inseldörfer, wird das Nationallied der Amrumer präsentiert, beginnend am Aufgang zur Aussichtsdüne von Wittdün. Und bei Nebel und Norddorf werden ankommende Inselgäste mit „Öömrang“ auf Friesisch begrüßt. Auf einer Ausflugsfahrt mit der „Eilun“ zu den Seehunden im Wattenmeer wird dann der friesische Wortschatz erweitert. Und vermutlich erleben Inselgäste auch bei der einen oder anderen Gelegenheit ein Gespräch zwischen Einheimischen und haben – auch als Plattdeutsch sprechende – nicht den Hauch einer Chance, auch nur ein Wort zu verstehen.

Friesen bewohnen Amrum seit etwa 1300 Jahren. Nachdem die vorherige Bevölkerung, die „Alten Germanen“, die uns immerhin ihre mächtigen Findlingsgrabkammern und Hügelgräber und ihre heidnischen Wochentage hinterlassen haben, zusammen mit anderen im Norden und nahe der Nordsee ansässigen Völkerschaften in Richtung England entschwunden waren, wanderten etwa im 7./8. Jahrhundert aus Richtung Südwesten die Friesen in die weitgehend verlassene Küstenlandschaft ein – nach bisherigen Erkenntnissen zuerst auf den hochliegenden Geestinseln Sylt, Föhr und Amrum, wo nach Ausweis archäologischer Bodenfunde allerdings noch Reste der vorherigen Bevölkerung verblieben waren. Die neuen Besiedler kamen aus der Gegend der Rheinmündung und dem heutigen Nordholland und brachten ihre Kenntnisse über Küstenschutz und Wasserbauwesen und ihr Talent als Seefahrer mit. Aber auch die friesische Sprache. Die in zahlreichen Inseln voneinander isolierten Lebensräume bedingten allerdings eine zunehmende Aussplittung der Sprache in eine Vielzahl von Dialekten, von denen jene von Föhr und Amrum heute einen weitgehend übereinstimmenden und den größten Sprachenblock darstellen. Merkwürdigerweise nennen sich die Inselfriesen aber selbst nicht Friesen, sondern bezeichnen sich nach der jeweiligen Insel als Sölringen (Sylter), Feringen (Föhrer) und Öömrangen (Amrumer).

Das Eigenleben der Friesen bedingte auch, dass es keine einheitliche Schriftsprache gab und der Schriftverkehr – auch in der Familie und unter Verwandten – schon sehr früh auf Plattdeutsch, ab Anfang des 18. Jahrhunderts auf Hochdeutsch gehalten wurde (ungeachtet der Tatsache, dass Amrum durch fast 1000 Jahre, von der Wikingerzeit bis 1864 zum Königreich Dänemark gehörte!).

Heute (2019) spricht nach Schätzungen des Verfassers immerhin noch die Hälfte der Insulaner (ausgeschlossen die Einwanderer aus jüngster Zeit) friesisch. Aber auch von Einwanderern früherer Jahrzehnte haben manche Öömrang gelernt und sprechen dies mit Überzeugung so gut wie mancher geborene Inselfriese. Eine letzte Erhebung über den Umfang des Friesischen auf Amrum datiert aus dem Jahr 1964 und nennt von 648 Einwohnern der Gemeinde Nebel mit Süddorf und Steenodde knapp 54% Friesisch Sprechende.
Ein Problem des Friesischen war und ist aber nicht nur die Zersplitterung in etliche Dialekte, sondern auch der bis in die Gegenwart dauernde Streit über die Schreibweise, der zentrale und übergreifende Publikationen (u. a. Zeitungen) behinderte.
Erst im Jahr 1971 erfolgte im „Alkersumer Protokoll“ eine Vereinheitlichung der nordfriesischen Rechtschreibung. Eines der für Inselgäste auffälligste Merkmale ist die Kleinschreibung und die häufige Verdopplung der Selbstlaute, wenn diese lang gesprochen werden (Beispiel: d a a lang = heute).

Dü min tüs, min öömrang lun.

Amrum hat eine „Nationalhymne“, die bei mancher Gelegenheit gesungen wird. Der Text zu diesem vierstrophigen Lied stammt aber nicht von einem Amrumer, sondern von dem Föhrer Lehrer Lorenz Conrad Peters, auf Föhr und Amrum kurz „Lonje“ genannt. „Lonje“ (1885 in Oevenum geboren), war Lehrer am Lyzeum in Husum. Er starb am 3. Juli 1949 in einem Krankenhaus in Aarhus (Dänemark) und wurde in Husum begraben. Lorenz Conrad Peters galt als „friesischer Feuerkopf“ und ist sicherlich der bedeutendste Dichter der Föhr-Amrumer Sprache.

Auf vier Gedenksteinen, von Wittdün (Aussichtsdüne) über Steenodde, Nebel (Öömrang Hüs) und Norddorf (am Hoofstich bei Böykes Diek) werden die vier Strophen der Amrumer „Nationalhymne“ Inselgästen und Einheimischen präsentiert. Der Initiator und Finanzier dieser aufwendigen und eindrucksvollen Sprachdenkmäler war der Steuerberater Holger Peters, unterstützt vom Chef des Seezeichenhafens, Wolfgang Stöck. Die Inschriften besorgte ein Steinmetz, der Roland-Bruder Oliver Ratje.

Eine weitere Demonstration der friesischen Sprache sind die Straßennamen in Norddorf und der Gemeinde Nebel. Straßennamen gibt es hier erst seit Anfang der 1980er Jahre. Sie entstanden auf ausdrückliche Forderung des Chefs des Amrumer Postwesens, Karl Heinz Kanzler, weil die Postzusteller, die als Auswärtige in der Saison eingesetzt wurden, die Post ohne Straßennamen und Hausnummern nicht zustellen konnten.
Nur für die einheimischen Zusteller waren diese Angaben nicht nötig, weil jeder jeden kannte. Die Straßennamen von Norddorf wurden von Jens Quedens mit Hilfe einiger ortskundiger Insulaner (Martin Martinen, Christine Flor) erarbeitet, wobei vor allem die schon vorhandenen friesischen Namen und die alten Flurbezeichnungen verwendet wurden. Für Nebel schrieb die Gemeinde einen Wettbewerb aus, verwendete dann aber doch die schon vorhandenen wenigen alten Namen und schuf weitere, vor allem auf Initiative der damaligen Bürochefin Ilse Finkenstein. Ilse, eine Anhängerin des verdienstvollen Föhrer Lehrers Reinhard Arfsten, der eine eigenwillige Rechtschreibung des Friesischen entwickelt hatte, als die Alkersumer Regeln noch nicht festgelegt waren, hängte manchem Hauptwort ein „h“ an, und so kam es zu den Straßennamen „Uasterstigh, Wasterstigh, Sanghugh“ usw. Bei Festlegung der Schreibweise 1970 fand Arfstens „h“ aber keine Gnade und wurde eliminiert.

Am Ortseingang von Nebel und Norddorf wird der ankommende Inselgast ebenfalls auf Öömrang begrüßt und bekommt hier eine erste Ahnung, dass auf der Insel Friesisch gesprochen wird.

Grabstein des Ehepaares Hanne und Bernhard Tadsen mit friesischer Inschrift

Es gehört zu den Eigenheiten der Amrumer Sprache, dass diese auf den alten Grabsteinen des St. Clemens-Friedhofes keine Berücksichtigung fand, obwohl damals noch alle Friesisch sprachen und Platt- bzw. Hochdeutsch nur mangelhaft beherrscht wurde. Merkwürdig, dass den Insulanern die Muttersprache offenbar als zu gering oder gewöhnlich dünkte, um sie auf dem Grabstein zu verwenden. Aber auch die Kirchensprache war auf der friesischen Insel ja deutsch! Nur auf zwei Grabsteinen sind friesische Inschriften zu lesen: Auf dem Stein des legendären Küsters und Lehrers Bandix Bonken (1839 – 1926) und des Ehepaares Hanne und Bernhard Tadsen, gestorben 1985 bzw. 1986.
Bernhard war Kapitän und der Grabstein ist den alten Seefahrergrabsteinen nachempfunden, im Giebel mit den Symbolen Glaube, Liebe, Hoffnung und am Ende mit der prägnanten Inschrift „UUN ÜS JONGEN LEWE WI WIDJER“ (In unseren Kindern leben wir weiter).

Eine friesische Inschrift – „Uun Jesus as rau an frees“ – lesen wir auch auf einem Holzkreuz neben einer Bank am Wattufer nördlich von Nebel. Es wurde etwa um 1900 gestiftet von dem schon genannten Küster und Lehrer Bandix Bonken und später erneuert. Inselgäste übersetzen diese Inschrift gelegentlich mit „Jesus war ein rauer Friese“.

Inselgäste fragen nicht selten nach dem Zustand des Öömrang und äußern die Sorge, ob sich die auf eine kleine Landschaft – Föhr und Amrum – beschränkte Sprache bewahren läßt. Gefragt wird auch nach dem Bemühen in der Schule, die ja immerhin „Öömrang skuul“ heißt. In der Inselgemeinschaftsschule wird in den ersten Klassen wöchentlich eine Stunde Friesischunterricht erteilt. Für die älteren Schüler gibt es eine freiwillige AG. Und diese Fakten machen deutlich, dass die Schule kaum eine Grundlage für die Bewahrung der Sprache ist. Es kommt ausschließlich darauf an, dass im Elternhaus friesisch gesprochen wird!

Ein anderes Fanal des Öömrang sind seit einigen Jahren die Theateraufführungen, zunächst der Gruppe TheNo (Theater Norddorf), durch die Initiative des Ehepaares Ruth ins Leben gerufen, gefolgt von der in Süddorf beheimateten Öömrang Theooterskööl der Initiatoren Annegret Wollny und Jürgen Krahmer. Beide Theatergruppen wechseln sich Jahr um Jahr mit einer Aufführung in den Wintermonaten ab, und das Merkmal ihrer Stücke ist die Tatsache, dass sie ganz überwiegend auf Friesisch und von den hochbegabten Autoren beider Gruppen verfasst sind. Dabei spielen natürlich lokale Ereignisse und Eigenschaften die größte Rolle, und deshalb sind die Aufführungen außerordentlich beliebt und die Säle immer voll. Großen Erfolg hatte auch eine Aufführung zum Thema „Hark Olufs“, Initiator Kai Quedens, vor einigen Jahren im Gemeindehaus Norddorf.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass es auch im Wohnungsanzeiger bzw. im Inselprospekt an Friesisch nicht fehlt. Etliche Häuser, sogar im hochdeutschen Wittdün, haben friesische Namen. In Norddorf gibt es z. B. Waastwinj (Westwind), Wosmaaren (Frühlingsmorgen), Strunluper (Strandgänger) und in Nebel Waashüs (Wattenhaus), Widj auert lun (Weit übers Land). In Norddorf heißt eine renommierte Gaststätte „Ual Öömrang Wiartshüs“ und in Wittdün eine ganz neu eröffnete Wohnsiedlung „Üüs aran“, unser Zuhause.

Georg Quedens

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