Eine notwendige Deichbaumaßnahme darf nicht bedeuten, dass nur gehandelt wird, wenn dabei die Gewinnung von Ausgleichsflächen für andere Deichbaumaßnahmen in Schleswig-Holstein herausspringt. Die Küstenschützer des Landes hatten die immer wieder auf den turnusmäßig durchgeführten Deichschauen geäußerten Bedenken gegen die Wehrhaftigkeit der Regionaldeichlinie von Wittdün bis nach Steenodde ernst genommen und eine Vorplanung in Gang gesetzt. Eigentlich ist in dem Generalplan Küstenschutz des Landes, der bis 2025 Geltung hat, Amrum nicht mit einer Maßnahme eingeplant. Nun scheint es, dass der Schlüssel für die zeitnahe Umsetzung des Projektes eine Planungsvariante wäre, bei der im Hinterland des Deichabschnittes zwischen Steenodde und Seezeichenhafen Ausgleichsfläche für andere Deichbauprojekte außerhalb Amrums ausgewiesen werden könne. Dafür würde mithilfe von neuen Flügeldeichen auf den weiteren Status des bestehenden Deiches verzichtet werden können und sogar für das Einschwenken der Nordsee zu jeder entsprechend hoch auflaufenden Flut dauerhaft geöffnet werden.
Die drei Amrumer Gemeindevertretungen haben nun bei einer gemeinsamen Sitzung einen Beschluss gefasst, in dem sie sich ganz klar gegen die Variante zwei des geplanten Deichbauprojektes zwischen Wittdün und Steenodde aussprachen. „Wir verlangen vielmehr, dass die Variante 1 der Planung zeitnah umgesetzt wird, um den nötigen Schutz in diesem Bereich darzustellen“, so die Kommunalpolitiker einstimmig.
Der Direktor des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN), Dr. Johannes Oelerich, war eigens auf die Insel gereist, um in einer öffentlichen Sitzung den derzeitigen Planungsstand vorzustellen. Nebels Bürgermeister Bernd Dell-Missier bedankte sich bei den vielen Insulanern an diesem Abend, dass sie die Chance genutzt haben, sich über dieses bedeutende Projekt informieren zu lassen und dieses in vielen Wortmeldungen genauestens hinterfragten. „Hier sieht man, dass unsere Inselgemeinschaft funktioniert“, freute sich Dell-Missier.
Bereits bei einer ersten Informationsveranstaltung am 06. August in der Nordseehalle (wir berichteten ausführlich) hatten die Verantwortlichen des Landesbetriebes die zwei möglichen Varianten der Planung vorgestellt. Dabei hatte die Variante “zwei” (2,2 Mio. veranschlagte Baukosten) bei den Besuchern der Veranstaltung deutliches Unbehagen hervorgerufen. „Wie kann man nur einen bestehenden Schutz aufgeben und den Blanken Hans bis vor die eigene Haustür einladen? Das ist ein absolut abwegiger, wenn nicht sogar kranker Gedanke“, zeigten sich bereits Insulaner im August erschrocken über die Planungen.
„Seit Jahrhunderten ringt die Menschheit dem Meer Land ab und nun soll gerade auf Amrum zugunsten der Ausweisung von Ausgleichsflächen der Schutz aufgegeben werden“, verwunderte sich ein Besucher. „Dieses Vorhaben wäre an der Nordseeküste auch erstmalig vorgesehen“, räumte der Direktor des Landesbetriebes ein. Der stellvertretende Bürgermeister Norddorfs, Christoph Decker, verdeutlichte, dass die Ressourcen Amrums absolut begrenzt seien und sich jegliche Naturschutzrichtlinien auf der Insel tummeln. Eine Weiterentwicklung sei an diesen engen Rahmen gebunden. Daher könne er es nicht verstehen, dass gerade hier mit der Gewinnung von Ausgleichsflächen kalkuliert werde.
Bei Variante “eins” würde die Deichlinie für veranschlagte 3,67 Mio. Euro auf der bestehenden Trasse auf ein derzeit zu erwartendes Jahrhundertereignis ausgebaut und erhöht. Anhand des am 17.02.1962 am Pegel Wittdün gemessenen Hochwassers von 4,14 Metern über NN wurde der derzeitige Bemessungswasserstand gemäß der Vorgabe des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) mit 4,60 müNN für diesen Regionaldeich auf Amrum festgelegt. Dies entspricht einem Hochwasserereignis, das statistisch alle 100 Jahre auftritt. Die derzeitigen Deichkronenhöhen liegen zwischen NN+4,63 m im Bereich Wittdün und 5,43 m vor Steenodde.
Im Fall der umstrittenen Variante “zwei” würde der Regionaldeich zwischen dem Seezeichenhafen und Steenodde als solcher entwidmet und vom Land nicht weiter instand gehalten. Vielmehr die Gemeinden wären dann verantwortlich. Wittdüns Bürgermeister Jürgen Jungclaus erklärte in aller Deutlichkeit, dass die Kommunen diese Aufgabe nicht leisten können.
Er dankte Dr. Johannes Oelerich für die Fairness und den offenen und ehrlichen Umgang und der Möglichkeit bereits in der Vorplanung detaillierte Einsicht in das Projekt zu bekommen. Den verantwortlichen Ministerialdirigenten Dietmar Wienholdt, der sein Wort auf einer Deichschau für einen sicheren Deichschutz gegeben habe, würde er aber nicht aus seinem Wortentlassen.
Wenn der Deich brechen sollte, dann müssten die Küstenschützer in einem Sofortprogramm die Lücke wieder schließen. Wie viel Geld würde das dann wohl kosten? „Erst vor einem Jahr hat das Orkantief „Xaver“ mit seiner einhergehenden Sturmflut den Insulanern gezeigt, wie ernst die Lage für den Deich und die Insulaner war“, erinnert sich ein Deichgänger nach der Sitzung an die Ereignisse.