Oner üs – Unter uns – Ewa Jęczmień


„Ich träumte davon, etwas anderes auszuprobieren.“ Ewa Jęczmień ist 32 und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in einer Genossenschaftswohnung Wittdün.

Auf Amrum kennt jeder jeden? Stimmt nur fast und nachfragen lohnt sich trotzdem: Hoker beest dü? An: Hü gong’t? Wer bist du? Und: Wie geht’s?


Diese Frage stellt sich unsere neue Redakteurin Anna Jannen und beginnt damit die Serie “Oner üs – Unter uns”. Hier werden verschiedenste Menschen, die auf Amrum leben, vorgestellt. Wir dürfen gespannt sein.

Peter Lückel, Chefredakteur


Ewa Jęczmień: „Jetzt ist es beides: Ich fahre gerne nach Polen, aber ich komme gerne wieder zurück nach Amrum“

„Vor zehn Jahren war ich Verkäuferin in einem Kleidergeschäft in Danzig und träumte davon, etwas anderes auszuprobieren.

Ich war Anfang 20, wollte ein neues Land kennen lernen und woanders Geld verdienen. Nur für ein paar Jahre. Danach – so dachte ich – würde ich zurück nach Polen gehen und dort in eine der großen Städte ziehen, dort arbeiten, ausgehen, Galerien besuchen. Eben ein Stadtleben führen, wie man es sich so ausmalt.

Heute bin ich auf Amrum zu Hause. Schon, wenn ich ein paar Stunden auf dem Festland shoppen gehe, freue ich mich direkt wieder auf die Insel. Es kam einfach alles ein bisschen anders.

„In den ersten zwei Jahren auf Amrum sparten wir für unsere Hochzeit.“

Als ich vor zehn Jahren plante, nach Amrum zu gehen, wendete ich mich an Justyna Wiśniewska. Ich kenne sie, seit ich klein bin. Sie kommt aus einem Nachbardorf und stellte erste Kontakte für mich auf Amrum her. Eigentlich wollte ich mit einer Freundin kommen. Sie sagte kurzfristig ab und damit ich nicht ganz alleine an einem fremden Ort wäre, sprang Michał ein: damals mein Freund, heute mein Mann.

Ich arbeitete bei Freya Paulsen, Michał bei Thomas Stefański. Wir hatten vor, ungefähr zwei Jahre zu bleiben und anschließend zurück nach Polen zu gehen. Wir sparten für unsere Hochzeit. Ich putzte und Michał arbeitete im Haus- und Gartenservice. Obwohl alle sehr nett zu uns waren, war es erst mal schwer. Alles war neu. Wir sprachen kaum Deutsch und ich traute mich immer nur „Ja“ oder „Nein“ zu sagen.

Aber als die ersten zwei Jahre um waren, gefiel es uns hier so gut, dass wir weitere zwei Jahre dranhängten. Als nächstes wollten wir für ein Auto sparen. Das haben wir auch gemacht. Und dann wurden wir Eltern. Wir haben zwei Söhne, beide sind in Flensburg geboren. Mit ihnen sahen wir nochmal alles mit anderen Augen und merkten, wie schön es für Kinder auf Amrum ist. Wir möchten, dass sie hier aufwachsen, umgeben von Natur und Strand. Ich nehme an, wir bleiben mindestens so lange, wie die Kinder zur Schule gehen. Danach sehen wir weiter.

Vor vier Jahren hat Michał sich selbständig gemacht und betreut mit seiner kleinen Firma „Haus-Runde“ Wohnungen, Häuser und Gärten. Ich habe halbtags eine Anstellung als Reinigungskraft bei Marret Dethlefsen in der Pension Sturmmöwe. Ab mittags arbeite ich bei Michał mit. Wir arbeiten viel, um unser Leben und unsere Wohnung auf Amrum zu finanzieren. Aber es ist uns auch sehr wichtig, viel Zeit als Familie zusammen zu verbringen. Wir haben eine Genossenschaftswohnung in Wittdün bei „Üüs aran“ gekauft. Dort fühlen wir uns wohl. Die Kinder haben Freunde, mit denen sie spielen, die Nachbarn sind sehr nett. Das ist ein Glück.

„Als Eltern sahen wir nochmal alles mit anderen Augen und merkten, wie schön es für Kinder auf Amrum ist.“

Ansonsten sind wir auf Amrum hauptsächlich mit anderen Polen befreundet. Manche sind das ganze Jahr da, manche kommen nur für die Saison. Wenn neue Polen auf der Insel ankommen, nehme ich immer Kontakt zu ihnen auf.

Natürlich vermisse ich meine Eltern und meine Schwester. Wir versuchen, sie regelmäßig in Polen zu besuchen. In den ersten Jahren ist es mir schwergefallen, danach wieder aufzubrechen und zurück nach Amrum zu fahren. Aber zuletzt habe ich gemerkt, dass ich Amrum vermisse, wenn ich in Polen bin. Also, jetzt ist es beides: Ich fahre gerne nach Polen, aber ich komme gerne wieder zurück nach Amrum.

 

 

 

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Über Anna Jannen

Anna Jannen, geboren 1982, aufgewachsen auf Amrum, studierte Germanistik, Politik und Pädagogik in Hamburg und Aix-en-Provence. Sie ist Studienrätin und freie Journalistin. Seit 2016 lebt sie mit ihrer Familie wieder auf der Insel, unterrichtet Öömrang und schreibt.

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