Ist das ein Weg in die Zukunft?


Vor gar nicht langer Zeit wurde es Usus, mit Hilfe von Gästebefragungen die Zufriedenheit der Urlauber zu ergründen: was war gut, was weniger, was gibt es zu verbessern…  Viele Fragen wurden seitens der Tourismusbetriebe gestellt, um die Qualität der Urlaubsdestination zu verbessern. Und damit die Existenzgrundlage zu sichern, auf die gerade die nordfriesischen Inseln, und Amrum insbesondere, angewiesen ist. Wir leben hier nicht von Ackerbau, Viehzucht und Fischerei ( gut, dass es einige Betriebe überhaupt noch gibt !),- sondern einzig und allein vom Fremdenverkehr. Diesem ist also alles unterzuordnen !Ist dem so ? Und wenn : Ist das ein Weg in die Zukunft?
Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie wurden die Grenzen des Tourismus sichtbar: Reiseverbote, diverse Ein- und Ausreisebestimmungen, Inzidenzen und Risikogebiete in allerlei Abstufungen führten zu einer erhöhten Nachfrage nach Urlaub im eigenen Land. Trotz verspätetem Saisonbeginn in den Jahren 2020 und 2021 wurden in fast allen touristischen Bereichen vergleichbare  Zahlen wie in den Vor-Corona-Jahren erzielt, sei es bei den Gästezahlen, den Übernachtungen oder den Umsätzen. Diese Tatsache erlaubt den Rückschluss, dass es in einigen Bereichen in der verkürtzten Saison sogar eine höhere Frequentierung gegeben haben muss,und das hat man hier und da gemerkt: ausgebuchte  Restaurants und Cafes, volle WDR-Fähren und eine Belegung der Campingplätze über die Parkplatzkapazitäten hinweg sind nur ein Beispiel. Mit dem Ergebnis, dass sich zunehmend mehr kritische Stimmen zum einheimischen Tourismus und dessen Auswirkungen auf unser Inselleben melden!
Für Insulaner nicht bezahlbar …

Mit dem Begriff ” Versyltung” wird versucht, die Phänome, die die Entwicklung auf unserer Nachbarinsel Sylt kennzeichnen, auf unsere Inseln Föhr und Amrum zu übertragen, und abzugleichen. Sei es die Wohnungknappheit, die damit verbundene Abwanderung, eine wahnsinnige Entwicklung der Mieten und  Immobilienpreise, der Fachkräftemangel insbesondere in der Gastronomie und eine sinkende Versorgung im Bereich Post, Banken und anderer Infrastruktur.

Belegt werden diese Entwicklungen sehr gut durch eine vom Amt Föhr-Amrum in Auftrag gegebene Studie zum Wohnen und Leben auf unseren beiden Inseln. Unter dem Namen…GEWOS existiert eine wissenschaftliche Untersuchung zur Wohn- und Immobiliensituation auf den beiden Inseln! Warum diese nicht öffentlich bekannt ist, das entzieht sich meiner Kenntnis. Zumindest aber ist sie den verantwortlichen Politikern bekannt!! Eine öffentliche Diskussion scheint mir aber dringender denn je.
Der zunehmned wachsende Anteil der Zweitwohnungs- (Haus-) besitzer, die steigende Umwandlung von Dauerwohnungen in Ferienunterkünfte und der Verkauf bestehender Immobilien an Auswärtige zeigt eine Entwicklung, die durchaus mit dem Begriff “Versyltung” benannt werden kann: auf unserer Nachbarinsel wehren sich seit einiger Zeit vermehrt Einheimische gegen diese Verdrängung aus  ihrer Heimat, vgl. Leserbrief shz vom 2.11.21 vom “Bürgernetzwerk Merret reicht´s ” .  Mit einem durchschnittlichen Einkommen ist das Leben auf Sylt nicht mehr finanzierbar.Und wenn es etwas zu erben gibt, dann MUSS verkauft werden, weil die Freibeträge bei einer Erbschaft nicht mit den horrenden Immobilienpreisen auf der “Königin der Nordsee” Schritt halten ! Für viele Sylter ist ein Wegzug von ihrer Insel Richtung Festland die einzige Alternative, wie die vielen überfüllten Pendlerzüge zwischen Niebüll und Westerland belegen. Dann heisst es nicht , “wir arbeiten da, wo andere Urlaub machen ” ,sondern : ” wir arbeiten nur noch hier, leben müssen wir woanders !” und zwar , weil wir uns selber  die Heimat genommen haben !!
Zu Verkaufen …

Ein warnendes Beispiel liegt im Tyrrhenischen Meer und gehört zu den Liparischen Inseln, nördlich von Sizilien : auf der Insel Stromboli lebten ehemals noch ca. 3000 Menschen, heute wohnen hier  noch rund  500 ( ARD-Weltspiegel 7.11.2021 ) . Nicht der gleichnamige Vulkan hat die Menschen von der Insel vertrieben, sondern allein der Tourismus: die Mieten und Immobilienpreise sind für viele Einheimische mittlerweile unbezahlbar, -es wird lieber in der Saison an Touristen vermietet, als an Dauermieter. Und nicht anders sieht es auf unseren Inseln aus: gerade habe ich von zwei Amrumer Familien erfahren, dass sie nach vielen Jahren, und festen Arbeitsverhältnissen, die Insel verlassen, ua. auch, weil es keine bezahlbare Wohnperspektive für sie und ihre Kinder gibt. Für ältere Insulaner ist ein Verkauf ihrer Immobilie oft eine Möglichkeit, auf dem Festland etwas neues zu erwerben, und trotzdem von  dem Überschuss noch eine “Rentenerhöhung”  zu generieren.

Die Probleme sind vielschichtig, und Lösungen liegen sicher nicht  griffbereit in der Schublade. es ist aber unübersehbar, dass sich die Politik, und vor allem die Menschen vor Ort dieser Entwicklung stellen müssen , und Wege finden müssen , um eine drohende ” Versyltung” zu verhindern. Wir werden auch in Zukunft allein vom Fremdenverkehr leben, und die Gäste kommen nicht wegen unserer schönen Nasen, sondern wegen der Natur, der relativen Unberührtheit und der Ruhe, die diese Insel selbst im Sommer noch ausstrahlen kann. Um das zu erhalten, und damit unsere Heimat sowohl für Gäste, als auch für die Bewohner lebenswert zu belassen, bedarf es grosser Anstrengungen seitens aller Beteiligten.
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Über Jesse

Klaus (Jesse) Jessen, geb. 08.08.56 in Steenodde, bis 1972 Realschule auf Amrum, danach 1975 Abitur Husum, Zivildienst, Studium in Köln und Hamburg : abgeschlossenes Gym. Lehramt Sport und Geschichte. 1989 Gründung “Likedeeler”, daneben in den 1990.er Jahren Strandkorbvermietung, Wohnungsvermietung und Versicherungsagentur. Zwei entzückende Jungs im Alter von 9 und 20 Jahren.seit 2020 Pensionär.

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5 comments

  1. Was für ein toller und offener Beitrag! Ich erinnere mich noch gut, dass ich, bevor ich die Stelle an der Öömrang Skuul antrat, in großer Sorge war, wie ich mit dem halben Gehalt die Amrumer Mieten zahlen sollte! Die sehr gute Lösung war dann die “Amtswohnung” über dem Kindergarten. Ebenso haben ja Mitarbeiter der Fachklinik Möglichkeiten, an bezahlbare Wohnungen zu kommen. Diese Möglichkeit haben ja aber Angestellte in der Gastronomie nicht unbedingt. Und der Tourismus darf nicht auf dem Rücken derer “ausgetragen” werden, die den Feriengästen mit einem freundlichen Lächeln begegnen sollten. Das können sie nur, wenn auch ihre eigene Lebenssituation freundlich ist. Und dass Familien in jüngerer Generation abwandern müssen, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr haben, ist beschämend. Ich wünsche allen Amrumern (leider inzwischen wieder aus der Ferne!) dass alle zusammen hier einen guten Weg finden. Es sollte möglich sein!

    Herzliche Grüße
    Bettina Sattler-Holzky

  2. Moin, Moin,
    na das Problem besteht ja nun schon fast 30 Jahre oder noch laenger auf Amrum, das die Immobilienpreise ohne Ende steigen, und von den Einheimischen kaum noch bezahlbar sind. Papa und Mama muessen da schon kraeftig helfen, sonst wird es nix fuer den Amrumer Normalverdiener. Aber auf dem Festland sieht es nicht besser aus, dort koennen sich normal verdienende Buerger auch schon fast keine eigene Immobilien mehr leisten.

    Gruss
    Hans-Hermann Autzen

  3. Es ist sicher richtig und Gut das die Gäste; und das sind und bleiben sie nun mal im Wortsinn; hier her kommen wegen der Natur. Dann allerdings wäre der Schutz dieser Natur in der Priorität noch über dem Tourismus einzuordnen. Denn der Tourismus braucht die Natur, aber nicht umgekehrt. Und ich kann zumindest verstehen das einige (besser betuchte?) dann den Wunsch nach einer Eigenen Wohnmöglichkeit hier hegen. Nur, aus reinem Eigeninteresse als gebürtigem Insulaner der hier Lebt und Arbeitet und nicht weg ziehen will muß ich sagen das ich es nicht tolerieren mag. Und im Insularen Allgemeininteresse kann es auch nicht liegen wie der Artikel ja auch bereits anmerkt. Hier sehe ich die Inselpolitik in der Verantwortung Vorkehrung zu treffen das Immobilien und Wohnungen zuerst von und für Insulaner frei zu bleiben haben und man Spekulanten oder Reichen die glauben sie könnten sich überall einkaufen ein unerbittliches STOP entgegen stellt. Ist meine Ansicht um der Versyltung entgegen zu wirken. Und da fände ich es z.B. sogar besser wenn zu verkaufendes Gebäude/Wohnung eher leer bliebe, als das es für immer an Auswärtige ginge. Blanke Theorie oder gibt es vielleicht noch zu ermittelnde Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Hilfe dies zu vermeiden?

    Nur zur Klarstellung: Ich habe absolut nichts gegen Gäste. Aber ein Merkmal von Gästen ist ja auch…das sie irgendwann Abreisen und den Bewohnten Raum damit frei geben 🙂

    Aber jene Auswärtige/Gäste die hier Häuser und Wohnungen kaufen und sie nur ein paar mal im Jahr bewohnen, sonst leer ließen und verwalten lassen sollten nicht noch mehr werden! Zum Tourismus gehört ja auch das Angebot von Übernachtungsmöglichkeiten und mehr. Wer erst eine eigene Wohnung hat braucht das nicht mehr!

    Wer legt denn übrigens die Mieten fest, wer bestimmt die Immobilienpreise? Der “Markt”, die Bank, die Politik oder wer/was sonst? Der begrenzte Platz kann es nicht sein denn der war schon früher genau so knapp wie jetzt denn die Insel wird ja nicht größer. Allenfalls die “bebaubare” Fläche wenn ein Nutzungsplan dahingehend geändert würde. Die Föhr-Amrumer Wohnungsbau und die Inselwerke scheinen mir hier zumindest in die Richtige Richtung zu gehen. Was daraus in Zukunft wird, ob vielleicht Objekte auf den Inseln von Externen Verwaltungen (Nur eine Idee) übernommen werden können, muß man abwarten. K.M.

  4. Moin, leew öömrangen.

    Amrum ist mir nach vielen Jahren und häufigen Aufenthalten ziemlich vertraut, lieb und wichtig geworden, sodass ich sogar einen Umzug erwäge – jedenfalls möchte ich gern ein paar Gedanken zum o.g. Thema beitragen.
    Bereits Mitte der 90er Jahre hatte ich eine Sylter Gastronomenfamilie als Patienten, die von Sylt aufs Festland umziehen musste. Als ehemaliger (Klein-) Vermieter und Veranstalter in der Lübecker Bucht erlebte ich speziell die Entwicklung von Scharbeutz. Ein Familienbadeort sollte moderner werden und wurde zu einem Hotspot des Tourismus. Der Weg dorthin war geprägt vom Abriss stilprägender (Hotel-) Ostseearchitektur, des Dorfzentrums mit Gastwirtschaft, vom Bau von Apartmenthäusern, vom Aufkauf von Häusern zu deren Umnutzung zu Ferienwohnungen, von Suche nach Inverstoren für den Bau großer Hotels, vom Bau von mehr Großparkplätzen, von viel Streit im Ort. Bauern verkauften ihr Land und wo früher Kühe und Pferde auf den Koppeln lebten, entstanden Neubaugebiete für den Bau von Einzelhäusern, von Zweit- oder womöglich Drittwohnungen, wiederum nutzbar als vermietbare Ferienwohnungen. Deren Anblick ähnelt gewiss dem von Neubaugebieten in Vororten von Neumünster oder Dortmund, hat nichts mehr mit ursprünglichem Ortscharakter zu tun und natürlich steigen auch hier die Mieten, die Wohnungspreise. Gewinnstreben ist verständlich, Profilierungsbestrebungen ist nun einmal eine häufige Eigenschaft von Politikern – aber gebt Acht, Ihr Amrumer.
    Ich wundere mich, dass ich bisher lediglich von einzelnen AmrumerInnen sinngemäß hörte: „dort stand… dafür steht jetzt dort das, nur….Wochen im Jahr bewohnt, in dem dort leben noch Amrumer, das daneben ist auch verkauft worden, selten ist dort jemand zu sehen, und das da auch.“ „Wir Amrumer können die neuen Mieten bzw. Wohnungspreise nicht bezahlen, wir putzen denen die Wohnungen.“ „Es gibt kaum noch genügend Putzhilfen, es gibt sogar Überlegungen zu einem Unterkunftsbau für Putzhilfen vom Festland.“
    Und sollte die Architektur der neuen doch recht dunklen Konstruktion neben dem so sehr metallen wirkenden Wittdüner Bauwerks Alternative und Perspektive werden für Amrum? Sollte es weiterhin für Auswärtige möglich sein, was ich vor einiger Zeit als Empfehlung im Internet las, nämlich doch am besten Wohnungen auf Amrum aufzukaufen und sie zu „Goldeseln“ zu machen ? (wobei offen ist, wer mit den Eseln gemeint ist oder dazu wird…)
    Ich wundere mich über Ihre/Eure bisherige Gelassenheit, das leise murrende Stillhalten.
    Jetzt aber endlich mal dieser engagierte und umsichtige Artikel von Jesse zum Thema!
    Öömrangen! Erhaltet Euer aller Lebensgrundlage, Amrum mit all den Besonderheiten und gar eigener Sprache. Trefft, besprecht Euch, handelt gemeinsam, vielleicht in einer Bürgerinitiative, erlasst örtliche Bestimmungen, gründet evtl. eine Stiftung, die womöglich alle Häuser aufkauft und an Euch vermietet, oder werdet womöglich als Insel autonom, schließt Euch, falls sinnvoll und möglich, wieder den Dänen an oder unternehmt sonst etwas! Übrigens könnten Untersuchungen und Unternehmungen im Sinne der Mehrheit und Zukunft sogar steuerfinanzierbar sein? Macht nicht die gleichen Fehler wie andere !

    Ich wünsche Ihnen/Euch viele Gedanken und gemeinsames Handeln im Sinne aller Amrumer und seiner Touristen!

    Dr. Jochen Rohwer, Lübeck

  5. Dem Kommentar von Dr. Rower schließen wir uns an.

    Reinhard und Brigitte Vetter
    früher mehrfach im Jahr Nebel, Strunwai 4, bei Th. Jensen, heute nur mehr München (leider)

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