Gesprächskreises der St. Clemens Gemeinde …


Marlies Tadsen begrüßt die Runde

„Gästebetreuung – früher und heute“ lautet das Thema des offenen Gesprächskreises der St. Clemens Gemeinde am letzten Mittwoch im April. Schnell sind die Plätze an der frühlingshaft dekorierten Kaffeetafel im Clemens Hüs besetzt. Marlies Tadsen begrüßt als Organisatorin alle Anwesenden recht herzlich und lädt zu Kaffee und Apfelkuchen ein. Die Teilnehmer kommen aus allen Inseldörfern und die Vorstellungsrunde macht deutlich, dass das Motto des Nachmittags sowohl jüngere als auch ältere Insulaner und Urlauber interessiert. Bevor es zum Gespräch kommt, gibt es einen kurzen Abriss über die Entwicklung Amrums von der Insel der Seefahrer zum Nordseebad.

Seit wann ist eine „Gästebetreuung“ überhaupt von Nöten? Die ersten Seebäder gab es Anfang des 19. Jahrhunderts (an der englischen Küste), nachdem die Medizin den Erholungswert eines Aufenthaltes an der See erkannt hat.  Seit 1819 hieß das erste Seebad auf den nordfriesischen Inseln Wyk auf Föhr. Mit „Lustkuttern“ setzten Tagesgäste nach Amrum über – hauptsächlich um sich an der Natur zu erfreuen. Dies sollte sich bald ändern. Die Idee, mit dem Fremdenverkehr seine Existenz zu sichern, hat sich durchgesetzt. Amrum erhielt die Badkonzession 1890.  So entstand in Wittdün das erste Badehotel (durch Volkert Martin Quedens), in der Inselmitte das Kurhaus an der Satteldüne und in Norddorf das christliche Seehospiz (initiiert durch Pastor Friedrich von Bodelschwingh).

Die Gästebetreuung fand zu dieser Zeit in den jeweiligen Einrichtungen statt, wobei der Insulaner noch nicht als Vermieter auftrat. Bedingt durch die Weltkriege und den Wiederaufbau hat sich der Charakter des Fremdenverkehrs allerdings deutlich geändert. Lt. vorhandener Statistiken gab es 1890 820 Gäste und 1950 bereits 8.458 Gäste mit 152.956 Übernachtungen.  In den Zeiten des Wirtschaftswunders ist es dank steigender Einkommen auch dem einfachen Bürger möglich, sich einen Urlaub zu leisten. Angeboten werden hauptsächlich Unterkünfte in Privathäusern, die Zimmer mit Frühstück oder Vollpension anbieten- wobei es standardmässig ein Waschbecken im Zimmer gibt und ein WC auf dem Flur.  Der „Badegast“ verlässt normalerweise das Haus nach dem Frühstück, verbringt den Tag am Strand und erscheint am Abend wieder in seiner Unterkunft.  Mit der Einrichtung von Ferienwohnungen, in denen sich der Gast selbst versorgen kann, haben sich sowohl das Urlaubsverhalten als auch die Gästezahlen deutlich verändert. So gab es lt. Statistik der Amrumtouristik 2020 112.903 Gäste mit 1.029.522 Übernachtungen.

Nach diesen ganzen Zahlen starten die Teilnehmer des Gesprächskreises einen regen Erfahrungsaustausch. So wird berichtet, dass man als Vermieter in den 1980er Jahren in die Kurverwaltung Nebel gehen konnte, um sich bei der Kurdirektorin Ilse Finkenstein die postalisch eingegangen Buchungswünsche durchzulesen, um zu sehen, ob die Anfrage zur Unterkunft des Vermieters passte, um anschließend mit dem Interessenten Kontakt per Post oder Telefon aufzunehmen. im Sommer rückt die ganze Familie zusammen, damit auch die Kinderzimmer noch an Gäste vermietet werden können. Die persönliche Gästebetreuung startete mit der Abholung an der Brücke oder der Bushaltestelle mit dem Koffer- oder Bollerwagen und endete nicht selten mit Grillabenden im Garten des Vermieters. Nicht nur die Ausstattung der Unterkünfte, sondern auch der persönliche Kontakt führte dazu, dass die Gäste häufig wiederkamen und zu sogenannten „Stammgästen“ wurden. Man stand auch im regelmäßigen Postverkehr mit den Gästen. So schrieb man sich zu den Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten. Mariechen Behder (mit 94 Jahren die älteste Teilnehmerin am heutigen Gesprächskreis) meint wehmütig:“ Früher hat man schöne Karten zu Weihnachten bekommen – heute erhält man Traueranzeigen“. Die Gäste sind mit ihren Vermietern zusammen alt geworden.

Aber natürlich gibt es auch heute noch junge Amrumurlauber, die zu Stammgästen werden, weil sie Amrum toll finden, mit dem Angebot an Unterkünften zufrieden sind, das Angebot der AmrumTouristik schätzen und sich willkommen fühlen. Es gibt immer noch Vermieter, die Zimmer mit Frühstück anbieten, und selbst vor Ort sind, um die Gäste bei der Anreise zu begrüßen. Manchmal scheinen neue Gäste – die es gewohnt sind über ein Vermietungsportal zu buchen – allerdings etwas erschrocken, wenn sie nachfragen, wie man in die Ferienwohnung kommt, weil sie mit der Bestätigung per mail keinen Schlüsselcode für den Schlüsseltresor bekommen hätten und dabei erfahren, dass der Vermietung mit im Haus wohnt und die Schlüsselübergabe mit Übergabe der Kurkarte vor Ort erfolgt. Die Vermieter von heute  freuen sich auf die Gäste, auch wenn diese eine eigene Terrasse, Internetanschluss und keine gemeinsamen Grillabende wünschen.

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Über Brunhilde Wnuck-Jessen

Brunhilde Wnuck-Jessen wurde 1956 in Dorsten geboren und machte dort 1975 ihr Abitur. Anschließend ging es zum Studium nach Köln, wo sie eine Amrumer-Clique kennenlernte. Der Liebe wegen zog sie 1984 nach Süddorf auf Amrum, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann Sönke wohnt. Nach 38 Jahren Schreibtischarbeit freut sich die Jungrentnerin nun auf viel gemeinsame Zeit mit ihren beiden Enkeltöchtern.

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