Auf den ersten Blick erscheint der Aussichtspunkt 21 nicht ganz so spektakulär wie viele andere Punkte die bislang in dieser Serie beschrieben worden sind. Doch auch hier, am Beginn des Teerdeichs in Norddorf, kann der Besucher beeindruckende Aussichten genießen. Und ein paar Fakten rund um dieses Bauwerk sind ebenfalls erwähnenswert.
Der asphaltierte Deich zieht sich vom Bereich der Straße Boragwai Ecke Bräätlun auf halben Weg zum Haus Burg von Norddorf aus kommend, Richtung Odde bis zum Toilettenhäuschen hinter dem Landschulheim Ban Horn hin und begrenzt die Wattseite der Norddorfer Marsch.
Von seinem südlichen Fußpunkt aus blickt man Richtung Westen auf die Straße Boragwai und die ersten Häuser im Osten von Norddorf und in nord-westlicher Richtung über die Marsch auf die Dünen der Odde. Bei entsprechend guten Sichtverhältnissen kann man durchaus auch am Horizont hinter dem Landschulheim Ban Horn den Leuchtturm von Hörnum auf Sylt erkennen. In nord-östlicher Richtung sieht man auf Utersum auf der Insel Föhr. Im Süd-Osten blickt man auf Haus Burg und es ist bei klarem Wetter die Hallig Langeness zu erkennen.
Haus Burg steht auf einem Hügel am Wattufer bei Norddorf. Ursprünglich war an dieser Stelle wohl ein bronzezeitliches Hügelgrab, auf dem in der Wikingerzeit eine Turmhügelburg errichtet worden war. Münzfunde weisen hierbei in etwa auf das Jahr 1000 n. Chr. hin, wobei diese Anlage nicht mit letzter Sicherheit als Burg (Öömrang: „Borag“) eingestuft werden kann. Heute steht an dieser Stelle das „Haus Burg“, in dem sich bis vor einigen Jahren das „Teehaus Burg“ befand. Es war ein Lieblingslokal des Autors. Hier gab es neben auserlesenen Teesorten auch täglich von den Betreibern stets selbst gebackenen Kuchen. Die Hügellage schützt das Anwesen vor Überflutung und ist bei extrem hohen Wasserständen, ähnlich einer Warft auf den Halligen, von der Umwelt abgeschnitten.
Die Norddorfer Marsch wurde bereits im Jahr 1935 mit der Errichtung eines Deiches durch den „Reichsarbeitsdienst“ gesichert (siehe auch Amrumer Aussichtspunkte 12). In der Nacht vom 16. auf 17. Februar 1962 brach jedoch diese Deichanlage auf einer Länge von 150 Metern, die Marsch wurde komplett überflutet und in den tiefer gelegenen Dorflagen drang das Wasser in Keller und Stuben ein. Personenschäden waren bei dieser Sturmflut auf Amrum nicht zu verzeichnen, im Gegensatz zu Hamburg, wo 30.000 Menschen ihr Obdach verloren und 315 Tote registriert wurden. Noch im selben Jahr begann der Wiederaufbau der Deichanlagen und es wurde ein Asphaltdeich erbaut, der an der Deichkrone ein Meter höher war als der gebrochene Deich. Hierzu wurden im östlichen Teil von Norddorf Erdmassen entnommen und noch heute kann man erahnen wieviel „Baumaterial“ für den Deichbau nötig war: Zwischen den letzten beiden Häusern der Straße Bräätlun klafft eine Baugrube, die heute natürlich grün bewachsen ist, und auch die große Senke unterhalb des Reiterhofs Andresen, in denen heute das Abenteuerland und die Strandkorbhallen stehen, war eine Materialentnahmegrube. Auf Föhr haben die Deiche bei der Flut von 1962 übrigens gehalten und wurden auch nicht überspült. Als Grund hierzu wird angenommen, dass durch die Amrumer Deichbrüche bei Norddorf und Steenodde der große Druck im Wattenmeer gerade noch rechtzeitig abgenommen hat. Dennoch wurden in der Folge auch auf Föhr die Deichkronen erhöht, hier hat man das Material aus dem Watt entnommen, wodurch vor Utersum ein großer Priel entstand (siehe auch Amrumer Aussichtspunkte 13). Die Flutkatastrophe von 1962 ging als „Jahrhundertflut“ in die Geschichte ein und hat dafür gesorgt, dass der Küstenschutz und Deichbau auch in Deutschland weiter vorangetrieben wurde. Schon bald konnten diese Maßnahmen als sinnvoll bestätigt werden, denn bei weitern Sturmfluten an der Nordseeküste im Januar 1976 sowie November 1981 waren die Wasserstände noch höher als 1962 und größere Schäden konnten vermieden werden.
Der Norddorfer Teerdeich ist ein beliebtes Ausflugsziel, alternativ zum Oodwai kann man am Boden der Deichinnenseite durch die Marsch gehen oder dies auf der Deichkrone entlang tun. Letzteres, und v. a. Fahrradfahren, sollte man aber bei kräftigen Windverhältnissen unterlassen, denn man kann hier leicht „vom Winde verweht“ werden.