Vor 25 Jahren – die Strandung des Holzfrachters „Pallas“ vor Amrum oder Pleiten, Pech und Pannen


Karte der Route. ©Gerd Arnold

Amrum, eine Insel der Strandungsfälle. Vielen Schiffen wurden Untiefen und Seesände zum Verhängnis. Jüngstes Beispiel ist die Strandung der „Pallas“ vor Amrum, ein Drama, das vermeidbar gewesen wäre.

Chronologie eines Schiffsunglückes

Die „Pallas“ war ein 1971 in Rauna (Finnland) gebauter 147 Meter langer – der italienischen Firma Bogazzi Marine Services gehörender – fahrender Stückgutfrachter, der in Nassau registriert war und unter der Flagge der Bahamas fuhr.

Tag 1: Donnerstag, 22.10.1998

Die „Pallas“ verlässt um 01:40 Uhr beladen mit 2500 Tonnen Schnittholz – auch auf den Ladeluken verstaut – den Hafen von Hudiksvall in Schweden mit dem Ziel Casablanca in Marokko. Die See war an diesem Tage sehr unruhig, aber für die Jahreszeit durchaus üblich.

Am selben Tag wird noch ein Bunkerstopp in Kalundborg/Dänemark eingelegt.

Tag 2: Freitag, 23.10.1998

Die „Pallas“ setzt ihre Reise mit 800 Tonnen Öl an Bord fort.

Tag 3: Samstag, 24.10.1998

Die „Pallas“ hat Kattegat und Skagerrak hinter sich gelassen und erreicht gegen 23 Uhr die Nordsee. Nachdem das dänische Hanstholm passiert wurde nahm die „Pallas“ Kurs Südwest.

Tag 4: Sonntag, 25.10.1998

Gegen 14.30 Uhr bricht an Bord der „Pallas“, das sich in internationalen Gewässern, etwa 60 Seemeilen westlich vom Hafen Esbjerg entfernt befindet, Feuer aus. Dieses konnte von der Besatzung mit Bordmitteln kurzzeitig gelöscht werden, doch das Feuer brach wieder aus und das Unheil nahm seinen Lauf.

Der Vorfall wird vom 52-jährigen polnischen Kapitän der „Pallas“, Maciej Stepien, gegen 19 Uhr an die dänische Küstenwache und der Seenotrettung gemeldet.

Der Frachter nimmt Kurs in dänische Hoheitsgewässer, in Richtung Hafen Esbjerg, auf.

Bis Mitternacht hatte sich das Feuer soweit an Bord ausgebreitet, das der Kapitän um 23:54 Uhr einen Notruf absetzte „MAYDAY, MAYDAY, MADAY, motorvessel PALLAS C6LO9, fire on Deck, 17 persons on board, request immediate assistance in position 20 nautical miles west of Esbjerg“.

Mangels Schlepperkapazitäten lehnte die dänische Küstenwache eine Bergung in den Hafen von Esbjerg ab.

MAYDAY ist das internationale Notsignal im Funkverkehr und hat oberste Priorität. Hier liegt ein Seenotfall vor und leitet die Seenotmeldung ein. Ein Schiff befindet sich in Seenot oder eine Person ist in Lebensgefahr, es wird dringend Hilfe benötigt.

Tag 5: Montag, 26.10.1998

Seaking-Hubschrauber der dänischen und deutschen Marine bergen am frühen Morgen bei stürmischer See 17 Seeleute von der „Pallas“ ab.

Ein Seemann ist schwer verletzt ein anderer verstarb an einen Herzinfarkt.

Danach treibt das lichterloh brennende „Geisterschiff“ führerlos durch die stürmisch aufgewühlte Nordsee, niemand kümmert sich um das Schiff.

Die „Pallas“ erreicht deutsche Hoheitsgewässer, Kurs Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Bereits um 00:49 Uhr wurde das Küstenwachzentrum in Cuxhaven darüber informiert, dass die Besatzung der „Pallas“ vor Esbjerg abgeborgen wurde und nun führerlos seine Odyssee fortsetze. Doch keiner erkannte den Ernst der Lage, über Stunden wurde die sich drohende Gefahr unterschätzt.

Erst um 07:19 Uhr erkannte der diensthabende Nautiker die sich anbahnende Katastrophe, sechseinhalb Stunden nach der Information liefen die Hilfsmaßnahmen an. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Cuxhaven ist nun gefordert. Die bundeseigenen Mehrzweckschiffe „Mellum“ und später auch die „Neuwerk“ steuern bei schwerer See den Havaristen an.

Tag 6: Dienstag, 27.10.1998

In den frühen Morgenstunden erreicht, der durch den Reeder beauftragte, britische Schlepper „Alex Gordon“ die Unglücksstelle.

Es gelingt der „Mellum“ eine Schleppverbindung zur „Pallas“ herzustellen und man versucht nun den Havaristen in Richtung Cuxhaven zu schleppen. Doch dieser Versuch scheitert, weil die Schleppverbindung bricht. Die „Pallas“ droht vor Amrum aufzulaufen.

Der damalige Amrumer Amtsvorsteher Jürgen Jungclaus erinnert sich: „Der Geruch von verbranntem Holz war am Strand allgegenwärtig“.

Tag 7: Mittwoch, 28.10.1998

Der zu spät in Marsch gesetzte Notschlepper „Oceanic“ der Bugsier-Reederei Hamburg (von der Bundesregierung für 7 Millionen Deutsche Mark im Jahr gechartert) erreicht gegen 09:30 Uhr die „Pallas“. Kann aber aufgrund ihres Tiefganges von max. 6,31 Meter nicht nah genug an die „Pallas“ heran und kommt somit nicht mehr zum Bergungseinsatz.

Weitere Versuche eine erneute Schleppverbindung herzustellen scheitern, die stürmische Nordsee zeigt ihre Kraft – Schleppverbindungen reißen.

Tag 8: Donnerstag, 29.10.1998

Um 07:47 Uhr läuft die „Pallas“ zwischen dem Vortrapptief und dem Rüttergat vor Amrum auf Grund. Erster Ölaustritt wird bei der „Pallas“ sichtbar.

Tag 11: Sonntag, 01.11.1998

Das Ölbekämpfungsschiff „Westensee“ trifft ein, doch Ölsperren können aufgrund der stürmischen See und der hohen Wellen nicht eingesetzt werden.

An Bord des Havaristen befanden sich insgesamt ca. 760 Tonnen Betriebsstoffe (Diesel- und Schweröl als Treibstoff, daneben Hydraulik-, Schmier- und Altöl), davon 657 Tonnen Schweröl.

Auch in den folgenden Tagen wird die Bergung des ausgelaufenen Öles durch den anhaltenden Sturm verhindert.

Tag 16: Freitag, 06.11.1998

Versuche die „Pallas“ wieder in tieferes Wasser zu ziehen brachten nicht den erhofften Erfolg. Das Schiff wurde lediglich um 180 Grad gedreht. Die Wassertiefe wurde zudem zu gering für die eingesetzten Mehrzweckschiffe und es herrscht immer noch schwere See mit kräftigem Wind der Stärke 7 bis 8, in Böen noch stärker. Die Wellen erreichen eine Höhe von vier Metern. Die Schleppversuche werden abgebrochen und die Verbindungen gekappt. Die „Pallas“ drehte sich wieder zurück und setzte sich noch höher auf den Sand.

Die italienische Reederei gibt die „Pallas“ auf und erklärt es zum Wrack.

Tag 17: Samstag, 07.11.1998

Durch den zwölftägigen Brand an Bord und der dadurch entstandenen Hitze ist sogar der Stahl „weich“ geworden und hat sich verbogen. Bei der „Pallas“ werden ein Knick und Risse im Rumpf festgestellt. Eine Bergung des Havaristen ist nun nicht mehr möglich.

Tag 18: Sonntag 08.11.1998

Etwa 100 Tonnen Schweröl sind in die Nordsee geflossen. Es gibt erste Ölanlandungen an den Küsten von Amrum, Föhr, Sylt, Hooge und Langeneß.

Tag 21: Mittwoch, 11.11.1998

Zur Bergung des Öls aus der „Pallas“ wird aus Rotterdam die Hubplattform „Barbara“ angefordert.

Tag 23: Freitag, 13.11.1998

Die Laderäume der „Pallas“ werden geflutet, damit sollen die Brandherde gelöscht werden.

Hubplattform Barbara im Einsatz bei der Pallas zum Jahreswechsel 1998-99. ©Gerd Arnold

Tag 29. Donnerstag, 19.11.2023

„Barbara“ trifft bei der „Pallas“ ein. Von der Hubplattform aus werden die Löscharbeiten und die Ölentsorgung unterstützt.

Tag 34: Dienstag, 24.11.1998

„Feuer aus“!, die eingesetzte niederländische Bergungsfirma Wijsmuller löscht endgültig den Brand.

Tag 72: Freitag, 01.01.1999

Der Rumpf der „Pallas“ knickt in der Mitte ein, Bug und Heck sacken ab.

Tag 81: Sonntag, 10.01.1999

Die Bergungsfirma Wijsmuller schließt die Ölbergung auf dem Wrack ab und beendet damit ihren Bergungsvertrag.

Tag 313: Montag, 30.08.1999

Die Sicherungsarbeiten sind abgeschlossen. Alle Aufbauten der „Pallas“ wurden entfernt.

566 Tonnen Betriebsstoffe konnten aus den Tanks abgesaugt werden, weitere 55 Kubikmeter nahmen Ölbekämpfungsschiffe vom Wasser auf oder wurden von Stränden entfernt. Der Rest ist wahrscheinlich verbrannt. Durch das ausgelaufene Öl verendeten rund 16000 Seevögel.

Der Rumpf wurde mit ca. 5.000 cbm Spezialzement und ca. 18.000 cbm Sand gefüllt eine Pflasterung deckt das Ganze ab.

Pallas Sightseeing. ©Gerd Arnold

Das Unglück der „Pallas“ lockte viele Touristen zum Jahreswechsel 1998/99 an. Verschiedene Reedereien boten Fahrten zur „Pallas“ an. Anfangs kamen die Ausflugsschiffe bis 200 Meter an den Havaristen heran. Doch damit die Arbeiter ungehindert ihre Bergungsarbeiten fortsetzen konnten wurde das Sperrgebiet auf 1800 Meter erweitert.

Wer war für die „Pallas“ zuständig? Dafür gab es unterschiedliche Meinungen.

Nach der Abbergung der Besatzung überließ man das führerlose Schiff sich selbst und ließ es von dänische in deutsche Hoheitsgewässer treiben. Die deutschen Verantwortlichen haben viel Zeit vergehen lassen, ehe man eingriff. Nach der Information des drohenden Unheils an das Küstenwachzentrum in Cuxhaven vergingen sechseinhalb Stunden ohne Reaktionen auf die Lage. Zudem fehlte es einen starken Hochseeschlepper.

Der Notschlepper „Oceanic“ war zusammen mit dem Mehrzweckschiff des Bundes der „Neuwerk“ an einem anderen Auftrag gebunden, sie schleppten den mit Bauxit (Aluminiumerz) beladenen Frachter „Ruby XL“ ab. Die Entscheidung, die zugschwächere „Neuwerk“ abzuziehen und zur „Pallas“ zu schicken, während die zugstarke „Oceanic“ die „Ruby XL“ weiter in die Elbe schleppte, sorgte auf der Insel Amrum für Kopfschütteln und Unverständnis.

ehemaliges Pallas Mahnmal am Strandübergang Norddorf im April 1999. ©Gerd Arnold

Dem aber nicht genug, von Cuxhaven aus erhielt die „Oceanic“, nach Auftragserledigung, die Order sich wieder auf die Seeposition Helgoland zu begeben um sich dort von dem Einsatz zu erholen. Die „Oceanic“-Crew musste hilflos zusehen wie die bundeseigenen Mehrzweckschiffe die „Pallas“ treiben lassen mussten. Es sollte gezeigt werden, dass die „Oceanic“ nicht mehr benötigt wird. Ein gefährliches politisches Spiel!

Wertvolle Zeit war verlorengegangen, als endlich am 28. Oktober 1998 um 07:17 Uhr die „Oceanic“ den Pallas-Befehl erhielt.

Verlorene Zeit, wie sich später herausstellte. Beim Eintreffen der „Oceanic“ bei der „Pallas“ herrschte Windstärke 10. Die „Pallas“ trieb zu der Zeit schon nahe des Kniepsandes vor Amrum, die tiefgehende „Oceanic“ kam nicht mehr zum Einsatz.

Die damalige Bundesregierung wollte zeigen, das es auch die bundeseigenen Mehrzweckschiffe schaffen die „Pallas“ zu bergen und die für viel Geld gecharterte „Oceanic“ nicht mehr benötigt wird. Eine fatale Fehleinschätzung.

Heute gibt es ein Havariekommando, dass für Seenotfälle zuständig ist und auch ein starker Hochsee-Bergungsschlepper steht zur Verfügung.

Notschlepper Nordic. ©Gerd Arnold

Die NORTUG Bereederungs GmbH & Co. KG ist Eigentümer der 2011 in Dienst gestellten „Nordic“. Betreiber des Schiffes ist Fairplay, die das Schleppschiff für zunächst zehn Jahre und eine Gebühr von 114 Millionen Euro an den Bund verchartert hat.

Die „Nordic“ hat seine Seeposition vor Helgoland in der Deutschen Bucht und erreicht mit einer Höchstgeschwindigkeit von 19,9 Knoten (36,9 kmh) innerhalb von zwei Stunden jedes in deutschen Nordseegewässern havarierte Schiff.

Es ist der leistungsfähigste Bergungsschlepper in deutschen Gewässern.

Zum Vergleich, die „Nordic“ hat einen Pfahlzug von 201 Tonnen ihre Vorgänger die „Oceanic“ 189 Tonnen. Betrachtet man dazu die Mehrzweckschiffe „Mellum“ und „Neuwerk“ sind man den riesigen Unterschied, denn sie haben lediglich einen Pfahlzug von 110 bzw. 113 Tonnen.

Voraussichtlich ab 2025 werden die bundeseigenen Mehrzweckschiffe „Mellum“, „Neuwerk“ und „Scharhörn“ durch Neubauten ersetzt. Sie haben dann einen Pfahlzug von 145 Tonnen.

Erinnerung – Pallas Rettungsboot. ©Gerd Arnold

Neben vielen Untersuchungen setzte sich weiterhin eine Schwachstellen-Analyse der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel mit der „Pallas“-Havarie auseinander. In der Analyse wurden 21 Schwachpunkte im Umgang mit der Gefahrensituation festgestellt. Diese bezogen sich nicht nur auf die direkte Gefahrenabwehr vor Ort, sondern überwiegend auf das Auftreten der betroffenen politischen Stellen und den Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten.

Die „Pallas“ bzw. das was von ihr heute noch übrig ist, liegt immer noch sichtbar, etwa 9 Kilometer südwestlich zwischen dem Vortrapptief und dem Rüttergat. Alle Hoffnungen, dass die Nordsee das Wrack beerdigt und es in der Tiefe versinkt, sind leider nicht eingetreten. Wenn man von Amrum in südwestlicher Richtung blickt erkennt man die Silhouette eines gestrandeten Wals, nein es sind die Überreste der „Pallas“.

Ein Unglück, dass durch unklare Zuständigkeiten, Fehlentscheidungen und Politikum entstanden ist.

Wrack der Pallas im Oktober 2021 ©Per Isemann. ©Gerd Arnold

Auf der Position 54 Grad 32,5 Minuten Nord, 8 Grad 17,2 Minuten Ost liegt der Rest der „Pallas“, als Mahnmal, dass zeigen soll, welche Gefahren durch Schiffe entstehen können.

930 Einsatzkräfte und 25 Schiffe waren damals bei der „Pallas“-Strandung beteiligt.

Die Kosten für diesen Einsatz dürften 30 Millionen Deutsche Mark betragen haben.

3,5 Millionen hat die Versicherung der Reederei zum Ausgleich der Kosten ausgezahlt.

26,5 Millionen mussten die Steuerzahler aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen bezahlen.

Unverantwortliche Schiffsführer reinigen immer noch verbotenerweise ihre Tanks auf hoher See und verschmutzen, schädigen damit unseren ökologischen sensiblen Lebensraum.

Solche Umweltsünden müssen verfolgt und drastisch bestraft werden.

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Über Gerd Arnold

Gerd Arnold, 1957 in Nebel auf Amrum geboren. Ein „echter“ Amrumer mit der friesischen Sprache (öömrang) aufgewachsen. Bis 1972 die Schule in Nebel besucht, danach Elektroinstallateur in Wittdün gelernt. 1976/77 in Wuppertal den Realschulabschluss nachgeholt. Ab Oktober 1977 als Berufssoldat bei der Bundesluftwaffe und seit November 2010 Pensionär. Nach vielen Jahren der verzweifelten Suche nach passenden „bezahlbaren“ Wohnraum auf Amrum endlich fündig geworden, seit Februar 2022 wieder ständig auf Amrum. 2019 ins Team der Amrum News integriert, aber das soll neben dem Angeln nicht die einzige Aktivität auf der Insel bleiben.

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