Zahlreiche Einwohner und Gäste waren der Einladung der Gemeinde Nebel gefolgt, sich vor dem Bürgerentscheid am 11.2.2024 nochmals aus erster Hand über die Situation zum Haus des Gastes zu informieren. Amtsdirektor Christian Stemmer konnte mehr als 100 Interessierte im Clemens-Hüs in Nebel begrüßen. Neben den Nebeler Bürgern und Amrumern aus den anderen Inselgemeinden waren auch zahlreiche Gäste vom Festland angereist, die sich im Laufe des Abends lebhaft an der Diskussion beteiligten. Ziel des Abends war, dass die Gemeinde und die Initiatorinnen/Initiatoren des Bürgerbegehrens nochmals ihre jeweiligen Ansichten und Intensionen darstellen und die Bürger zu den unterschiedlichen Standpunkten Fragen stellen konnten. Dazu hatten sich die Beteiligten im Vorfeld gemeinsam mit der Kommunalaufsicht auf gewisse Spielregeln geeinigt, die der Diskussionsleiter Landrat Florian Lorenzen vorab erläuterte.
Für die Bürgerinitiative saßen Liane Kurfürst, Dr. Manfred Kurfürst und Anna Susanne Jahn auf dem Podium, unterstützt wurden sie von der Architektin Susanne Bertzbach sowie dem Restaurator Bodo Vogel. Die Gemeindevertretung wurde durch Bürgermeister Cornelius Bendixen, Finanzausschussvorsitzende Elke Dethlefsen sowie dem Tourismusausschussvorsitzenden Tobias Lankers vertreten, unterstützt von Amrums Tourismuschef Frank Timpe und dem Bauausschussvorsitzenden Martin Drews.
In seinem Eingangsstatement erläuterte Bürgermeister Bendixen anhand eine Zeitschiene, dass sich drei verschiedene Gemeinderäte nun schon seit über 15 Jahren mit dem Thema Nutzung, Konzept, Sanierung oder Neubau befassen. Angefangen mit dem Projekt M im Jahre 2007/8, in dem festgestellt wurde, dass das Haus des Gastes für die Anforderungen eines Modernen Tourismus nicht mehr zeitgemäß ist. Die 2011/12 getroffene Entscheidung, das Haus zu Sanieren und mit einem neuen kleinen Anbau zu versehen (ähnlich wie der jetzige Entwurf der Bürgerinitiative), musste 2013 aus wirtschaftlichen Gründen abgebrochen werden. Aus geplanten Projektkosten von 2.5 Mio. € wurden im Laufe der fortschreitenden Planung 6 Mio. € Baukosten mit offenem Ende. 2018 nahm eine nunmehr neue Gemeindevertretung das Projekt erneut in Angriff. Aufgrund der vorherigen Erfahrungen entschied man sich für einen Neubau. Aus einem Architektenwettbewerb mit 160 Einsendungen wurde der jetzige Entwurf ausgewählt, der den Nebeler Bürgern in zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen erläutert wurde. Der Neubau schafft eine zeitgemäße Infrastruktur, ist nachhaltig, schafft neue moderne Veranstaltungsmöglichkeiten, ist barrierefrei, hochwassersicher, stärkt das Gastronomische Angebot und trägt dazu bei, die touristische Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Anna Susanna Jahn erläuterte, warum die Bürgerinitiative das Gebäude unbedingt erhalten möchte. Das jetzige Haus des Gastes passt sich harmonisch in den historischen Ortskern von Nebel ein. Es ist eines der letzten Häuser der Bäderkultur, welches von vielen Nebeler Gästen geschätzt wird. Eine Sanierung nach modernen Kriterien inklusiv einer Barrierefreiheit sei durchaus möglich. In den vergangenen zehn Jahren gab es viele neue Erkenntnisse und die Entscheidung von 2013 muss komplett neu bewertet werden. Nach Einschätzung der Bürgerinitiative ist die Bausubstanz solide und Brand- und Hochwasserschutz können auch bei Erhalt des Gebäudes erreicht werden. Wenn das Haus des Gastes abgerissen wird, ist der intakte Ortskern für immer zerstört.
Zu drei Themenfeldern bekamen beide Seiten jeweils 10 Minuten Redezeit, um Ihre Argumente vorzutragen. Anschließend konnten Fragen aus dem Zuhörerkreis gestellt werden. Frage und Antwort waren jeweils auf 2 Minuten begrenzt.
Zum Themenblock Nutzung, Tourismus, Konzept, Kurpark und Denkmalschutz fasste Bürgermeister Bendixen nochmals alle Argumente, die letztendlich zum Endschluss Abriss und Neubau geführt haben, zusammen. Die Gemeindevertretung möchte einen erkennbaren, bezahlbaren Mehrwert für die Gäste und Einheimischen der Gemeinde schaffen.
Restaurator Bodo Vogel erläuterte zu diesem Thema, dass insbesondere in den Küstenorten der ehemaligen DDR (z.B. Usedom, Rügen, Binz) viele Gebäude aus der ehemaligen Bäderkultur erfolgreich saniert und mittlerweile zu einem Touristenmagnet geworden sind.
In der anschließenden Fragerunde wurden 6 Fragen zu diesem Themenkomplex zugelassen, zu denen jeweils beide Seiten Stellung nehmen konnten. Es ging um Denkmalschutz, Gästebefragungen zu diesem Thema (weis die Gemeinde, was der Gast möchte?) und Grundflächenversiegelung.
Zum Themenfeld Technik, Nachhaltigkeit, Energie, Hochwasser- und Brandschutz erläuterte die Architektin Susanne Bertzbach, dass nach Ihrer Erfahrung alle Ziele, die im Neubau erreicht werden sollen, auch mit einer Sanierung plus Anbau erzielt werden können, einschließlich Brand- und Hochwasserschutz. Hierfür ständen viele neue, moderne Materialien zur Verfügung, die zum Einsatz kommen könnten.
Tobias Lankers setzte sich unter anderem mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. Neben der längeren Lebensdauer eines Neubaus, den Vorteilen eines begrünten Flachdaches für Flora und Fauna sowie der Verhinderung zu großer Aufheizung brachte er auch die Thematik der sozial- kulturellen Nachhaltigkeit zur Sprache (Barrierefreiheit, Veranstaltungen). Zur Frage des Hochwasserschutzes erklärt Lankers, dass der Neubau sich an der Jahrhunderte alten Methode orientiert, das Gebäude etwas höher zu setzten (Warf), wie es immer noch bei den Halligen durchgeführt wird.
Die Fragen sprachen die Thematik der Aufheizung, Vogelschlag sowie Barrierefreiheit an. Die Frage eines ausreichenden Brandschutzes bei einem Gebäude mit einem Holztreppenhaus, freiliegenden Holzdachbalken und Holzböden sieht die Gemeinde kritisch.
Das letzte Themenfeld, Finanzen, Kosten und Fördermöglichkeiten wurde sehr unterschiedlich von beiden Seiten beurteilt. Man konnte sich nicht darauf einigen, was der jeweilige Entwurf der Gegenseite kosten wird. Im Juni letzten Jahres lagen die Kostenschätzungen für beide Projekte in der Größenordnung von 8 – 10 Mio €. Die Planungen der Gemeinde sind so weit fortgeschritten, dass die Kosten belastbar sind und eine Förderung beantragt werden kann. Hierfür mussten Planungskosten in einer Höhe von 570.000 € aufgebracht werden. Die Finanzausschussvorsitzende Elke Dethlefsen machte deutlich, dass diese bereits entstandenen Planungskosten beim Stopp des Neubauprojektes verloren wären und beim Vorschlag der Sanierung erneut anfallen würden. Die Gemeinde geht von einer möglichen Förderquote von 50 % aus, da es sich um einen barrierefreien Neubau handelt. Nach Ansicht der Gemeinde sind Fördermöglichkeiten in dieser Höhe für eine Sanierung schwierig und sehr unwahrscheinlich.
Dr. Manfred Kurfürst ist sicher, dass eine Sanierung auf der Insel immer günstiger als ein Neubau ist, stellt aber in Frage, ob sich die Gemeinde überhaupt solch eine Investition leisten kann. Da das Haus des Gastes nicht die einzige zukünftige finanzielle Herausforderung der Gemeinde Nebel ist (z.B. Medizinisches Versorgungszentrum) regt er an, die Sanierung in Etappen durchzuführen und umzubauen, wann immer Geld vorhanden ist. Eine belastbare Kostenschätzung für die Sanierung plus Anbau liegt zu Zeit nicht vor, da ein entsprechender Entwurf noch nicht im Detail ausgearbeitet wurde. Er sieht durchaus Chancen, auch Fördergelder sowie Unterstützung von Stiftungen für eine Sanierung zu bekommen.
In einem Abschlussstatement fassten Liane Kurfürst für die Bürgerinitiative und Cornelius Bendixen für den Gemeinderat ihre Argumente sowie das Für und Wider nochmals zusammen.
Nach über drei Stunden beendeten Florian Lorenzen und Christian Stemmer die Veranstaltung, bedankten sich für die faire Diskussion und wünschten sich, dass es auch nach dem 11.2 wieder ein gemeinsames Miteinander in der Gemeinde gibt.
Jetzt ist es an den Nebeler Bürgern mit ihrer Stimme am 11. Februar zu entscheiden, wie es mit dem Haus des Gastes weitergehen soll. Sollte jemand an diesem Tag verhindert sein, besteht auch die Möglichkeit zur Briefwahl.