Jedes Jahr eine neue Amrum-Skulptur …


Annette Königs und Werner Hesse entdecken auf Amrum jeden Winter etwas Neues.

Seit 1980 kommt Werner Hesse über Weihnachten und Sylvester nach Amrum. Jedes Jahr. „Mit einer Ausnahme: Im Jahr 2000 waren wir in Hongkong“, sagt der pensionierte Kunsterzieher aus Bad Fredeburg im Hoch-Sauerland, der auch diesen Jahreswechsel wieder zusammen mit seiner Lebensgefährtin Annette Königs in Wittdün verbracht hat. Längst sind die beiden im Besitz der goldenen Amrum-Nadel für ihre Treue zur Insel. „Die Ruhe im Winter, das Meer und die gute Luft tun uns besonders gut. Wir nutzen die Zeit zum Lesen, Wandern und Entspannen,“ erzählt das Paar, das sich der Insel freundschaftlich verbunden fühlt und künstlerisch tätig ist.

Seit 2015 entsteht jedes Jahr in den Tagen zwischen den Jahren auf Amrum die Idee für eine neue Skulptur – auf den Spaziergängen über die Insel. „Ich komme hier immer auf neue Ideen“, sagt der Bildhauer. „Vielleicht weil die Eindrücke auf der Insel reduzierter seien und deshalb viel intensiver und auch weil es hier ruhiger ist“, meint Annette Königs.

Es begann mit dem Fund eines Findlings im Watt, der so schön war, dass Werner Hesse einfach nicht widerstehen konnte, ihn mitzunehmen. Den schweren Stein im Rucksack über die halbe Insel geschleppt zu haben, war alle Mühe wert, denn wieder zuhause, verwandelte er den harten, über Jahrtausende geschliffenen, gelblichen Granitstein in einen „Amrumer Dickkopf“. Das war die Initialzündung: auf Amrum die Idee, zuhause die Umsetzung!

„Amrumer Dickkopf“ (2015)

„Ich nehme mir Draht und Modellierwachs mit und forme daraus ein Wachsmodell, das später in der Gießerei in Bronze gegossen wird“, erklärt der Sauerländer Bildhauer, der in den 1960er Jahren in Schwäbisch Gmünd Kunst, Technik und Sport auf Lehramt studiert hat und 40 Jahre lang unterrichtete. „Das Dreidimensionale hat mir schon als Kind gefallen, die Haptik des Materials und die Möglichkeit, es anzufassen, zu Be-greifen.“

In den fünf Amrum-Skulpturen, die nach dem „Dickkopf“ entstanden, ging es dem Künstler um die Gestaltung von Bewegung: laufen, stehen, hocken, gucken. In diesem Jahr wird es das „Sitzen“ sein. „Die Idee kam mir, als wir in der Sonne saßen und auf’s Meer schauten“, erzählt Werner Hesse. „Wir hatten diesmal hier über Weihnachten ja einige herrlich sonnige Tage.“ Beim Interview-Termin mit Amrum News blieb dem Künstler noch eine Urlaubswoche. Die Zeichnung der/des Sitzenden war schon fertig, das Modell für die Skulptur gerade erst in Arbeit. Inzwischen ist es in der Gießerei. Auf welchen Sockel die kleine Figur am Ende gesetzt wird, entscheidet er nach dem Guss, ob Stein, ob Holz – was künstlerisch am besten zu ihrer Gestalt passt – in Form, Farbe und Struktur.

„Amrumer Wattläufer“ (2019), „Amrumer Strandnixe“ (2018), „Blick ins Watt“ (2016)

Werner Hesses Leidenschaft gilt nicht nur der Bildhauerei, in der er sich hat ausbilden lassen, sondern auch der Bewegung. Er treibt Sport und hält sich fit. Auf Amrum joggt er schon vor dem Frühstück. Von der Südspitze geht es zum Wriakhörnsee, am Badeland vorbei und über den Seezeichenhafen an der Wattseite zurück. Dafür benötigt er 30 bis 35 Minuten. „Eine halbe Stunde?!“, wirft seine Lebensgefährtin leicht skeptisch ein. „Du brauchst doch höchsten 20 Minuten!“ Der pensionierter Sportlehrer nimmt es genau und antwortet mit einer Prise sauerländisch-zurückhaltenden Humors: „Dann bringe ich aber keine Brötchen mit.“

Annette Königs war ebenfalls Lehrerin. Sie unterrichtete Textil-Gestaltung, Hauswirtschaft und Philosophie an der gleichen Realschule wie Werner Hesse, in Schmallenberg im Sauerland. Die Stadt ist Sitz der Falke-Gruppe, einem Familienunternehmen, das weltweit für die Produktion hochwertiger Strickwaren bekannt ist und neben dem Tourismus immer noch eine große wirtschaftliche Bedeutung für die Region hat. „Viele haben früher für das Unternehmen in Heimarbeit nebenher Strümpfe gekettelt“, weiß Frau Königs zu berichten. Der Umgang mit Textilien hat in Schmallenberg Jahrhunderte Tradition.

Seit 2015 findet in dem Ort alle drei Jahre “Die Textile“ statt, ein hochkarätiges Kunst-Festival, das einen künstlerischen Bezug zum Umgang mit Textilien herstellt. „Textilgestaltung als Kunstform hatte ja immer um Anerkennung zu kämpfen“, sagt Annette Königs, „aber langsam wird das besser.“ Textile Materialien fänden immer stärker Eingang in die Kunst.

Werner Hesses „Fliegende Fische“ vor Annette Königs „Rot ist Leben“ (2019)

Und dann zeigt Werner Hesse auf seinem Mobiltelefon auch einige Werke seiner Lebensgefährtin. Besonders beeindruckten mich die Arbeiten, die in der Gemeinschaftsausstellung der Fredeburger „Kunst Köppe“ gezeigt wurden. Im vergangenen September organisierten zwölf Fredeburger Kunstschaffende, darunter Annette Königs, Werner Hesse und vier weitere SchülerInnen vom NRW-Staatspreisträger Johannes Dröge, die sich in ihrem Heimatort zur Künstlervereinigung Fredeburger Kunst Köppe (kurz: FKK) zusammenschlossen haben, ihre erste gemeinsame Ausstellung. Aber sehen Sie selbst, was die beiden dort präsentierten! Passen die beiden glänzenden „fliegenden Fische“, die Werner Hesse aus dem wunderschönen roten Travertin-Stein geschaffen hat, nicht gut zur Textilarbeit Annette Königs, die den Namen „Rot ist Leben“ trägt? Annette König hat hier Textilien des alltäglichen Lebens vor Text-Einträge aus dem Poesiealbum ihrer Mutter als Wandbild montiert.

Vielleicht haben wir ja irgendwann einmal die Gelegenheit, die Arbeiten der beiden hier auf der Insel zu sehen. Mich würde es freuen. Dankeschön für den kreativen Output von sechs mal zwei Winterwochen auf Amrum! Wenn Sie mehr über die Skulpturen von Werner Hesse wissen möchten, besuchen Sie doch einmal seine Webseite www.hesse-skulpturen.de

 

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Über Astrid Thomas-Niemann

Astrid Thomas-Niemann ist gelernte Schifffahrtskauffrau sowie studierte Sprach- und Erziehungswissenschaftlerin. Sie hat viele Jahre als Schifffahrtsanalystin gearbeitet und lebt seit 2015 in Wittdün. Als junge Frau kam Astrid 1981 das erste Mal auf die Insel und besuchte auf Zeltplatz II die Niemanns aus Hamburg, die Amrum seit 1962 urlaubsmäßig die Treue halten, inzwischen bereits in der 4. Generation.

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