Ein jährlich wiederkehrendes, jedoch immer wieder beindruckendes Spektakel, bot sich dem Betrachter am Samstagnachmittag in Nebel: Tausende von Möwen kreisten über dem Ort. Es war ein Festmahl für die Vögel, was sich da am Himmel abspielte.
Der diesjährige Hochzeitsflug der Ameisen hat stattgefunden. Fliegende Ameisen mögen eine unheimliche und erschreckende Erscheinung sein, sind aber völlig harmlos. Für gewöhnlich handelt es sich hierzulande um Tiere der Gelben oder Schwarzgrauen Wegameise (Lasius flavus oder niger). Ein derartiger Ameisenstaat besteht aus mehreren Gruppen, die verschiedene Aufgaben zu erledigen haben. Für die Fortpflanzung ist allein die Königin zuständig, sie legt die Eier, aus denen die sterilen Arbeiterinnen, Wächterinnen und Soldatinnen schlüpfen. Diese sind für die Versorgung und Beschützung des Staates und der Königin zuständig. Aus wenigen weiteren Eiern, die die Königin legt, entstehen sogenannte Geschlechtstiere. Diese sind größer als die gewöhnlicher Vertreter ihrer Art und sind geflügelt. Es sind geschlechtsreife Männchen und Weibchen, welche dafür vorgesehen sind, neue Ameisenstaaten zu gründen. Nur fliegend können diese Geschlechtsameisen weit genug herumkommen um sich mit ausreichend Partnern aus anderen Kolonien zu paaren um so einen Grundstock für einen neuen Staat zu legen. Lange verbleiben sie in ihren heimischen Stock, wo sie von den Arbeiterinnen gut versorgt werden (deshalb sind sie auch größer!), um an einem Tag im Hochsommer bei perfektem Flugwetter auszuschwärmen. Dieser perfekte Tag war auf Amrum letzten Samstag. Es war trocken, sehr warm und windstill, und wundersamerweise findet an so einem Tag der Hochzeitsflug synchron in mehreren Kolonien statt. Dies bekommen die vielen Vögel, v. a. die Möwen sehr rasch mit, die sich dann, in ungewohnter Weise sehr still, ebenso in die Lüfte erheben um sich mit den fliegenden Ameisen eine ordentliche Portion Protein zuzuführen.
Alle geschlechtsreifen Ameisenweibchen paaren sich übrigens während des Hochzeitsfluges mit mehreren Männchen, wobei sie den Samen aufbewahren um später einmal selbst wieder Geschlechtsameisen zu produzieren. Allerdings natürlich nur, wenn sie nicht vorher von hungrigen Möwen verspeist worden sind. Die Männchen sterben nach der Paarung und die Weibchen beißen sich die Flügel ab um zu Königinnen ihres eigenen Staates zu werden. So unerwartet wie ein Hochzeitsflug beginnt, so plötzlich ist er auch wieder zu Ende. Dann verschwinden auch die großen Vogelschwärme vom Himmel, und man sieht allenfalls noch einige Möwen, die den Boden und die Straßen nach den toten und heruntergefallenen Männchen oder die Flügel der befruchteten Weibchen absuchen.