Vernissage zur neuen Kunstausstellung in der Amrumer Mühle …


Noch bis Ende Juli sind 39 Werke der Geschwister Sigrid Streicher und Otfried Schwarz in der Amrumer-Muehle zu sehen und zu-erwerben

 “Wow, den Typen gibt es auch als Frau!” So beschrieb Zeichner und Illustrator Felix Karweick seinen Ersteindruck von Sigrid Streicher, als er ihr Mitte der 1990er Jahre das erste Mal begegnete. Der besagte “Typ” war natürlich Otfried Schwarz alias “Pancho”, Streichers jüngerer Bruder.

Anlass dieser sehr unterhaltsamen Äußerung, mit der Karweick sein Publikum zum Lachen brachte, war die Eröffnung der neuen Kunstausstellung in der Amrumer Mühle am vorletzten Sonntag. Bereits zum 61. Mal seit der Gründung stellt der Mühlenverein Werke namhafter Künstler aus und ist damit längst eine echte Institution der Kunstlandschaft auf der Insel. Ab sofort und noch bis Ende Juli sind dort insgesamt 39 Werke der Geschwister zu sehen.

Gut 60 Besucher draengten sich zur Vernissage in die Muehle und lauschten der Eröffnungsrede von Felix Karweick

Zurück zu Karweicks Rede. Es ist Sonntag, 11 Uhr, die Mühle ist schnell gefüllt. Diejenigen, die nur fünf Minuten zu spät kommen, stehen im Gang bis zur Eingangstür. Bestimmt 60 Leute zwängen sich in die engen Räumlichkeiten mit den vielen Balken und flachen Decken. In regelmäßigen Abständen stößt sich irgendwo irgendwer den Kopf. Klonk. Der Stimmung tut das jedoch keinen Abbruch, dem alten Mühlenmauerwerk zum Glück auch nicht.

Kai Quedens, stellvertretender Vorsitzender des Vereins, heißt die Besucher herzlich willkommen und verweist auf die Bedeutung der Kunstausstellungen, die mit ihren Einnahmen einen wesentlichen Teil zur Erhaltung der Mühle beitragen. Erstklassige Kunst auszustellen sei stets das selbstgesteckte Ziel des Vereins, betont Quedens. Daher freue er sich, wenn nicht nur geschaut, sondern auch gekauft würde.

Dann übergibt er das Wort an Felix Karweick, der als enger Freund der Familie im Haus ein- und ausging und die beiden ganz besonders gut kennt. Es war daher auch Sigrid Streichers Wunsch, dass Karweick die Eröffnungsrede zur neuen Ausstellung hält. Wie gut der Illustrator die Familie kennt, wird spätestens dann klar, als er die Telefonate mit Panscho imitiert. Mit verstellter Stimme und der offenbar sehr eigenen Art des Künstlers sorgt Karweick für viel Gelächter im Raum.

Schon als Kind begabt Otfried Schwarz bereits mit 17 Jahren

Ohnehin ist seine Rede, die er, wie er selbst sagt, “persönlicher anfassen möchte”, gespickt mit Anekdoten, unterhaltsamen Begebenheiten und jeder Menge Humor. Dabei gleichzeitig voller Herzenswärme und Respekt. Offenbar so, wie auch die Familie Schwarz war und noch immer ist. Denn während Panscho selbst leider vor zwei Jahren verstorben ist, wirkt Sigrid Streicher, mittlerweile über 80, immer noch quicklebendig, offen und zugewandt. Sie hat sichtlich Freude an Karweicks Rede und all den Besuchern, von denen auch sie die meisten persönlich kennt. Schließlich sind seit dem ersten Inselbesuch der Familie Schwarz 1951 viele Jahre vergangen. Seit 1961 wurde dann regelmäßig zwischen verschiedenen Städten auf dem Festland und Amrum gependelt. Über so viele Jahre haben sich einige Freundschaften angesammelt. Seit 2016 hat Streicher nun ihren festen Wohnsitz auf der Insel.

Expressionismus Moderne und PopArt Panscho wollte sich mit seinem Stil nie festlegen

Doch ebenso wie in Karweicks Rede die Biografien der Geschwister nur das Gerüst für die gemeinsame Lebensgeschichte der drei boten, sollen auch hier nicht die Daten und Lebensstationen im Vordergrund stehen. Darüber wurde hinlänglich berichtet, u.a. auch bei Amrum News (hier über Sigrid Streichers Leben und hier über Panschos). Viel mehr geht es um die Kunst, die seit jenem Vormittag die Mühle schmückt. Karweicks Rede reiht sich perfekt in die Atmosphäre ein: sie ist eine rhetorische Wucht, ein künstlerisches Gesamtwerk, das vor allem durch Stil, Ausdruck und sprachliche Bilder besticht. Stünde auch sie zum Verkauf, gäbe es sicher einige Interessenten. In dem Fall jedoch muss Karweick sich mit dem Applaus und Lob der anwesenden Gäste als Lohn zufriedengeben. Das Klatschen der Besucher wird abgelöst vom Ploppen der Sektflaschen und Klirren der Gläser.

Sigrid Streicher vor einem ihrer Bilder ©Christiane Kaeppel

Nun werden in aller Ruhe die Werke betrachtet. Ölbilder, Aquarelle oder Acrylmalereien, mal wandfüllend groß, mal klein, ein stilistischer Mix aus klassischer Moderne, Pop-Art und Expressionismus. Was alle eint: die prächtige Farbgebung und die Motive, die größtenteils von der Natur inspiriert sind. Meereslandschaften, mal mit, mal ohne Menschen, Blumen, Segelboote. Sigrid Streicher wird dabei bis heute vor allem von dem herrlichen Blick aus ihrem Fenster angeregt. “Jeden Morgen schaue ich aufs Watt und den Sonnenaufgang. Und immer sieht es anders aus”, sagt die Künstlerin. Das zeigen vor allem die kleinformatigen Quadrate, die erst kürzlich von Streicher gefertigt wurden. Bis heute erfreut sie sich am Wechsel der Gezeiten, der Jahreszeiten, dem Licht. Das sieht man auch den Bildern an: die satten Farben versprühen genauso viel Lebensfreude und Optimismus, wie Sigrid Streicher – in einer auffälligen roten Blusen gekleidet – selbst. Diese Energie, die Heiterkeit und Lebenslust, die Offenheit und Zugewandtheit waren es, die Karweick anerkennend mit seinem Typenvergleich eingangs meinte.

Verkauft. Bereits am Eröffnungstag waren nach wenigen Stunden schon mehrere Bilder mit dem roten “Verkauft” Punkt markiert.

Nach etwa anderthalb Stunden, in denen geklönt, gelobt und gelacht wurde, sind dann auch schon insgesamt sechs Bilder mit einem roten Punkt markiert – verkauft. Was für ein Erfolg für eine kleine Ausstellung, die noch bis zum 26. Juli in der Amrumer Mühle zu sehen sein wird.

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Über Nina Löschner

Nina Löschner kam 1989 kurz vor dem Mauerfall in Ost-Berlin zur Welt. Aufgewachsen auf dem Brandenburger Land zog es sie nach der Schule zurück in die Hauptstadt. In Berlin studierte sie Kunstgeschichte und Englisch, arbeite anschließend im Projektmanagement eines Auktionshauses und schließlich sieben Jahre lang als Redakteurin für Funk und Fernsehen. 2022 nahm sie sich eine berufliche Auszeit und absolvierte einen Freiwilligendienst im Naturschutz auf Amrum. Doch die Insel ließ sie nicht mehr los - und so brach sie alle Zelte in der Hauptstadt ab. Heute arbeitet Nina als Leiterin der Schutzstation Wattenmeer in Wittdün.

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